Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Monat: November 2016 (Seite 2 von 4)

“Quatsch oder Aufklärung?” – Analyse von TV-Satire

von Prof. Bernd Gäbler

Medienpolitische Tagung der Otto Brenner Stiftung am 15. November

Kurzfassung der Keynote für das Podiumsgespräch

1. Das Lachen
Wenn Götz Hamann (Die Zeit) schreibt, die „heute show“ trage zum Glaubwürdigkeitsverlust des Qualitätsjournalismus bei, weil sie gegen Politiker, Bosse und Journalistenkollegen „ätze“, ständig „Skandal“ rufe und die Pointen stets „destruktiv“ seien, zeigt er wie dringend notwendig eine Verständigung über Satire ist. Vor allem in den neuen Bundesländern gibt es Wissenschaftler (so der Politikpsychologe Prof. Thomas Klische, Uni Magdeburg-Stendal), die die „heute show“ mitverantwortlich machen für den Aufstieg der AfD, weil diese Politiker „herabwürdige“.
Da liegt ein fundamentales Missverständnis vor: Wie kann es zu dieser Verwechselung, diesem Nicht-unterscheiden-können von „heute show“-Häme und Pegida-Hass, von Gernot Hassknecht und Lutz Bachmann kommen?
Da läuft etwas grundlegend falsch: Basis für eine solche Fehl-Wahrnehmung ist nicht ein unterschiedliches Gefühl für Humor, sondern für Demokratie. Weiterlesen

Ku-Klux-Klan&”Verfassungsschutz” / Doof-Partei / Arktis-Eis weg

Deutsche Politik und Bürokratie haben sich in der jüngeren Vergangenheit schon mannigfach blamiert, insbesondere im Umgang mit der Flüchtlingsrevolution. Nicht in der Lage, Millionen engagierte Ehrenamtler*innen zu entlasten, aber ausreichend Kapazität, um einen “deutschen Ku-Klux-Klan” zu betreiben. Immer wenn man denkt, das sei nicht mehr zu toppen, gibt es neue Spitzen bei der Vertuschung der angeblichen und tatsächlichen NSU-Verbrechen. Den Spitzenplatz bildet der Polizistinnenmord von Heilbronn, gegen dessen Aufklärung sich nicht nur der sog. “Verfassungsschutz” sondern offensichtlich sogar das baden-württembergische Parlament wehrt. Wer ist dort stärkste Partei? Wer ist dort Regierungschef? Ein weites Betätigungsfeld!

Währenddessen versucht die AfD in ihrer Hochburg Sachsen die öffentlich-rechtlichen Medien anzugreifen, und zeigt doch vor allem ihre Ahnungslosigkeit, noch nicht einmal ein schlechter Angriff, eher ein blamables Eigentor (s. “Kacktor des Monats” bei Arnd Zeigler). Vor knapp 20 Jahren habe ich selbst mal einer vergleichbaren Großen Anfrage der Grünen im NRW-Landtag mitgearbeitet; der damalige Stand der Dinge weist sie heute als Dokument der Mediengeschichte des vorigen Jahrhunderts aus.

Trump lacht immer noch über den von ihm für angeblich gehaltenen Klimawandel. Dann sind es wohl seine demnächst eigenen Behörden, die Fotos fälschen, auf denen sie das Arktiseis verschwinden lassen.

Jeff Jarvis will angeblich, dass Deutschland jetzt die “westlichen” Freiheitsrechte verteidigt, weil sie in den USA gerade anderes zu tun hätten. Neoliberal verblendet soll er sich dabei sogar gegen “zuviel Regulierung” der IT-Konzerne gewandt haben, obwohl er andererseits den deutschen Datenschutz gelobt habe. Unsere armen US-Freunde, es hat sie wohl auch im Verstand ordentlich durchgeschüttelt. Stringenter zu diesem Thema hier auf der Seite Roland Appel.

Kanzlerin besoffen mit den Datenkraken

Der jährliche IT-Gipfel der Bundesregierung 2016 legte einen Wettlauf der Politik und Wirtschaftsinteressen um den vermeintlichen “Datenschatz” offen, der sich gegen die Bürgerrechte und den Datenschutz richtet. Die Kanzlerin polemisierte unsensibel und mit ungewohnt wenig Sachkenntnis gegen die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Zweckbindung und Datensparsamkeit, Eckpfeiler des modernen Datenschutzes. Industrielle Partner der Regierung verrieten, wie die Große Koalition ein zentrales Bürgerportal mit Personenregister für alle Bürger errichten will, in dem die Steuernummer zum zentralen Personenkennzeichen würde. Das ist nicht nur unter dem Aspekt der liberalen Freiheitsrechte problematisch. Der eigentliche Irrtum der GroKo liegt darin, dass sie die Gefahren für die Gesellschaftsordnung und die soziale Marktwirtschaft völlig unterschätzen, die von der Digitalisierung ausgehen. Politik muss die Gefahren der Digitalisierung für Demokratie und soziale Gerechtigkeit erkennen und handeln, auch um dem Populismus nicht noch weiter Vorschub zu leisten.

Goldgräberstimmung der Datenindustrie

“Wir sind ja hier unter uns” meinte Karl-Heinz Streiblich, Vorstandsvorsitzender der Software AG Weiterlesen

“Beuel hat’s”

Letzte Woche lag das Heft wieder im Briefkasten, Ausgabe 2016/17. Ich kann mir nicht helfen, es wirkt einerseits auf mich etwas sehr gestrig. Redaktion und Gestaltung werden vom Verlag des General-Anzeigers betreut, einerseits professionell, dicker Inhalt, viele Anzeigen, aber andererseits so gestrig. Layout, Sprache, Sammlung der Honoratiorenzitate, Politikersprech, es muss wohl so sein, damit am Ende alle zufrieden sind mit diesem “Einkaufsführer”.

Und das macht die eigentliche strategische Bedeutung der Gewerbegemeinschaft Beuel aus: dass alle mitmachen, und nicht, wie z.B. in Bad Godesberg, in tiefer Feindschaft und dem Austausch von Misstrauen und Gegensätzen miteinander “verbunden” sind.

Wenn man von Seite 58 ff. die Mitgliederliste der Gewerbegemeinschaft studiert, kann man auch als langjähriger Beueler, ich bin z.B. 1977 zugewandert, beeindruckt und auch glücklich über diese Wohnortwahl sein. Ich habe bis 1976 in Essen gelebt, im Ortsteil Karnap, der heute weitgehend abgestorben ist, was Einzelhandel und Gastronomie betrifft. Der Nachbarstadtteil Essen-Altenessen war zu meiner Zeit noch ein lebhaftes “Nebenzentrum” und mit Beuel vergleichbar. Er wurde in den 80er-Jahren durch langwierigen U-Bahnbau unter seiner zentralen Einkaufsstraße infrastrukturell weitgehend zerstört; heute firmiert er als “sozialer Brennpunkt” und “No-Go-Area” in den Medien, zu Unrecht, aber schlagzeilenträchtig. Was haben wir es in Beuel gut dagegen!

Schlecht an der Mitgliederliste im Heft ist, dass Internetadressen nicht angegeben sind. Auf der Homepage der Gewerbegemeinschaft sind sie zum Glück aber anklickbar.

Lehren aus Trump (VIII) – sein Weg, die Atlantiker, die EU und wir Linke

Schon über eine Woche alt ist diese Darstellung der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) von Trumps Weg zum Wahlsieg. Sie illustriert erneut, dass den Demokraten der Frieden mit dem Großkapital, mit dem die NZZ sich ja bekanntlich exzellent auskennt, und das Verhindern von Sanders wichtiger war als ein Wahlsieg.

Wir hatten hier vor wenigen Wochen eine Analyse publiziert, wie sich das außen- und rüstungslobbyistische US-Establishment auf eine Präsidentin Clinton vorbereitete. Nun muss es sich umorientieren. Hier beobachtet Telepolis-Chef Florian Rötzer die sog. “Atlantiker” bei der Arbeit.

Realismus bei den europäischen Neoliberalen? Alexander Hagelüken versucht es, “Sozialausgaben” will er weiter “begrenzen”, den Wähler*inne*n soll es also nicht besser gehen, aber im Kern hat er verstanden, was die EU zerstört. Es ist die Politik unserer Bundesregierung.

Das hat auch Robert Misik verstanden, für den Albrecht Müller und Jens Berger von den nachdenkseiten, unterschiedlich temperiert, nur Häme und Herabsetzung übrig haben und seine strategische List verstehen sie nicht. Dabei ist es gerade Müller, der seit vielen Monaten die Unmöglichkeit von Alternativen zu einer Merkel-Regierung “beweist”. Misik artikuliert Überlegungen derer, die noch zu eigenen Lebzeiten Fortschritt sehen wollen, und vor allem Bündnisse gegen menschenfeindliche Tendenzen schmieden wollen, ohne Aufnahme-Gesinnungsprüfung, sondern mit Respekt und Anerkennung für Andersdenkende. Was muss denn noch passieren, damit wir die Gefahren erkennen und zusammenarbeiten, statt uns zu bekämpfen?

Weitere nützliche Hinweise dazu geben Stefan Niggemeier (uebermedien) und Michael Hartmann. Streitsüchtige würden zwischen beiden einen Gegensatz konstruieren; politische Intelligenz bestünde darin, beide zusammenzudenken.

Wie Sport und sein Journalismus herunterkommen

Die Süddeutsche Zeitung gilt als “Qualitäts-” und “Leitmedium”. Ich habe sie auch einige Zeit als Abonnent genossen. Damals, als sie noch einen NRW-Teil hatte, aber auch darüber hinaus sehr lesenswert war, wegen ihrer internen Meinungsvielfalt, und zahlreicher junger Talente, die sie damals beschäftigte, so ungefähr zu Beginn dieses Jahrtausends muss das gewesen sein. Ich erlebte mal eine große, gelungene Veranstaltung der “Lit.Cologne” die fast nur von ihren Sportmitarbeiter*inn*en bestritten wurde, Raphael Honigstein, Christoph Biermann, Birgit Schönau, Javier Caceres, Ronald Reng. Dann kamen 2008 die Schwaben von der SWMH, kauften vier der fünf SZ-Besitzerfamilien aus dem Verlag raus, und auch sonst viele Andere. Das Feuilleton ist seitdem ausgezehrt, hat politische Interventionen fast komplett aufgegeben. Der Sportteil ist immer FC-Bayern-lastiger geworden. Der NRW-Teil wurde als erstes dichtgemacht, und einige Zeit später war ich dann auch als Abonnent weg. Wie analysefrei seitdem dort Fußballjournalismus betrieben wird, illustriert heute Chrstoph Kneer mit seinem Ancelotti-Porträt zur Bayern-Krise (die ist immer, wenn sie nicht gewinnen und nicht Erster sind), ein Autor, der es nachweislich besser könnte. Aber wenn die Fußballer Formkrise haben, kriegen die Journalisten sie auch, so symbiotisch geht es dort schon zu.
Wo der Fußball mal landen wird, wenn er so weiter macht, das sehen wir aktuell an der zusammenbruchartigen Krise der Welt-Leichtathletik. Was war das mal eine attraktive und begeisternde Sportart. Fast nichts haben sie von ihr übrig gelassen.

“Social Media” und Journalismus – wer beherrscht die Welt?

Der Journalist Martin Giesler, z.Z auf Stellensuche, hat “99 Gedanken zur Entwicklung von Social Media und Journalismus” aufgeschrieben. Keine Angst, das ist schnell gelesen, und selten wird man mit so hoher Geschwindigkeit klarsichtiger und klüger. Das meiste, was Giesler schreibt, gefällt mir nicht wirklich, aber ich fürchte es ist sehr, sehr realistisch. Es gibt eine Vorahnung von zukünftiger globaler Entwicklung, und lässt trotz “Klimaerwärmung” eher frösteln.

Da gilt auch für die Weltsicht von Hans-Jürgen Jakobs, die er, typisch für uns Männer um die 60, ganz altmodisch in ein Buch verpackt hat. Im Interview mit kress.de gibts eine Zusammenfassung der Höhepunkte mit einer Schlusspointe zu Katar.

Euro-Islam / kein “Pipeline-Krieg” / Südkorea / Malaysia

Nilüfer Göle habe ich vor gut 15 Jahren bei einem Kongress des NRW-Wissenschaftszentrums auf Zeche Zollverein erlebt, ein seltenes Zusammentreffen von großer Klugheit und Schönheit. Sie hat ihren wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkt kurz darauf nach Frankreich verlegt, schade für uns und den Diskurs hierzulande, vielleicht hatte sie auf den auch einfach keine Lust. Nun versucht sie erneut in ihn zu intervenieren, mit einem modernen Ansatz für den Euro-Islam.

Knut Mellenthin (JW) findet die Analyse “Pipeline-Krieg” für die Konflikte in Syrien und Afghanistan zu einfach gestrickt. Im gleichen Blatt versucht er sich an einer Bestandsaufnahme der außenpolitischen Positionen von Trump.

Etwas unterhalb des europäische Wahrnehmungsradars werden sowohl Südkorea als auch Malaysia von heftigen Protesten gegen bekannt gewordene Korruptionsaffären geschüttelt. In Südkorea kommt hinzu, dass es mit seinem staatsbeherrschenden Samsung-Konzern ein ähnliches Problem hat wie wir mit VW, nur größer: die marktbeherrschende Position bricht gerade wie ein Kartenhaus zusammen. Der malaysische Skandal hat Geschäftsverbindungen bis in den Raum der arabischen Emirate und der Schweizer Bankenwelt. Auffällig war in der fraglichen Zeit der rätselhafte Absturz zweier malaysischer Verkehrsflugzeuge – zu beiden wurden Satellitendaten und andere Erkenntnisse von den Großmächten unter Verschluss gehalten.

Tatort-Paranoia und Medientrash

Ich kenne kaum jemand, der in Ulrich Tukur nicht einen erstklassigen Schauspieler sieht. Hier eine Besprechung der gestrigen Tatort-Folge, in der er wieder die Hauptrolle spielte. Im TV ist der Tatort neben Fußball das letzte Ereignis, das in den Augen der öffentlich-rechtlichen und privaten Einschaltquotenjäger*innen noch “funktioniert”. Ich gestehe: als Zuschauer gehöre ich dazu, neben der Tagesschau das einzige Programmelement, das ich zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung anschaue.
Dieses Sendeformat ist also das Letzte, mit dem das TV massenhaft aufnahmebereite Hirne erreicht. In der Regel immer mit einem Mord, mindestens einem. Weiterlesen

Lehren aus Trump (VII): Merkel, Fillon, Sanders, China

Eine wichtige Lehre aus Trumps Wahl ist angeblich die Wiederkandidatur von Angela Merkel. Nicht ganz zufällig irrte sich die Online-Redaktion der FAZ heute morgen, und stellte das minutiöse Inszenierungsprotokoll von Günter Bannas dorthin, wo es wirklich wichtig ist, in den Wirtschaftsteil (mittlerweile korrigiert).
Unsere Nachbarn in Frankreich wählen noch vor uns ihren neuen Präsidenten. Favorit nach dem 1. Nominierungswahlgang der Rechten ist der Neoliberale Francois Fillon, dem der sozialdemokratische Präsident Hollande schon viel Arbeit abgenommen hat, wie es Schröder bei uns für Merkel getan hatte. Dieser Fillon könnte so gegen Le Pen in die Rolle geraten, die Clinton in den USA gegen Trump spielte: Linken Wähler*inne*n werden beim Ankreuzen im 2. (Stich-)Wahlgang von Übelkeit überwältigt. Wen soll das mobilisieren?
Während sich die französische Linke durch schlechtes Regieren selbst vom Platz gestellt hat, musste Bernie Sanders von der Führung der Demokratischen Partei aufwendig aus dem Weg intrigiert werden, lieber die Wahl verlieren, als eine Krise mit dem großen Kapital riskieren. Sanders wird immer noch überall wo er erscheint massenhaft von Anhänger*inne*n gefeiert. Aber er ist ein alter Mann, der kämpft so lange er kann. Die Linke muss überall mehr Acht darauf geben, glaubwürdige Persönlichkeiten zu fördern, die sie in der Öffentlichkeit repräsentieren können und sollen. Dabei sollten sich die Jungen, und hier insbesondere die Frauen, mehr selbstvertrauen, wenn das zu Erfolgen führen soll.
Und liebe Linksradikale, und alle Anderen, die klare Gut-und-Böse-Zuordnungen lieben, jetzt müsst ihr ganz stark sein: der schlimme böse Freihandel, der wird jetzt nicht mehr von Obama und Clinton verteidigt, sondern vom angeblich kommunistisch regierten CHINA!

Lehren aus Trump (VI) : weniger Geschwätz zu Großmacht, “Postfaktischem” und “Selbstoptimierung”

Wie können wir uns wehren? Über Analysen hinaus müssen wir uns dieser strategisch entscheidenden Frage stärker zuwenden. Die Aufmerksamkeit muss hier gleichermassen dem ideologischen Überbau, wie den materiellen Grundlagen und dem praktischen Handeln gelten. Dazu hier keine Strategie, kein Konzept, aber erste Hinweise.

In Eilfertigkeit, die an selbstbezügliche Komik grenzt, will sich das Berliner Hauptstadtestablishment eine geopolitische Führungsrolle, wenn schon nicht weltweit, so doch mindestens in Europa schwätzend und schreibend anmassen. Das reicht, hört hört, bis zu offenem Antiamerikanismus und, mal wieder, Atomwaffenehrgeiz. (Achtung, der letzte Link verschwindet nach einigen Tagen in einem paywallbewehrten Archiv.) Tatsächlich wird es anders laufen: die deutsche Führungsrolle, vor allem in ökonomischer Hinsicht, hat die EU bereits so geschädigt, Weiterlesen

Rassismus bei uns / TV-Unterhaltung tot / Duterte / Realos

Isaiah Lopaz spiegelt mit einem Kunstprojekt den deutschen Rassismus in Berlin (FAZ).
Die deutsche TV-Unterhaltung ist im Eimer, wie sie bei einer Fachtagung in Köln selbst feststellte (FAZ).
Auf den Philippinen regiert nun schon über längere Zeit ein Präsident, der ein Vorbote für Entwicklungen in vielen weiteren, großen und kleinen Staaten sein könnte, wenn wir es einfach so weiterlaufen lassen (Jungle World).
Die Grünen Realos haben “es” vergeigt, meint Franz Sommerfeld; es liest sich ein bisschen wie enttäuschte Liebe, verkennt auch die wichtige Rolle, die Jürgen Trittin bei der Durchsetzung des Präsidenten Gauck gespielt hat, ist ansonsten in der Analyse aber sicher treffend (Carta).

Lehren aus Trump (V)

Diana Johnstone, die vor der Wahl bereits ein kritisches Buch über Frau Clinton veröffentlich hat, plädiert jetzt in einem Kommentar für Entdramatiserung, auch wenn es ernst ist.
Ein ähnlicher Zungenschlag bei Paul Mason im Guardian, was die deutschen “Blätter” mit Übersetzung übernommen haben. Mason meint, dass menschenrechtliche Erfolge auf internationaler Ebene vor dem Schlimmsten schützen können.
Thomas Fricke (Sp-on) beschreibt die wirtschaftspolitischen Problemstellungen, vor denen Trump stehen wird.
Jakob Augstein (Sp-on) hält dagegen nichts von Entdramatisierung, sondern plädiert bereits für die Anwendung des Faschismus-Begriffs.
Nach meiner heutigen Lektüre von Yavuz Baydar (SZ) habe ich mich gefragt, warum wir ihn bisher für die Türkei noch nicht angewandt haben, während das viele betroffene Türk*inn*en schon lange tun, s. auch Mely Kyiak auf dieser Seite, die unser mangelhaftes Zuhören kritisierte.

SPD / Türkei-Sanktionen / NSU-Aufklärungssabotage

Ulrich Horn nimmt sich heute unbarmherzig der strategischen Klugheit der SPD-Parteiführung an, unter spontaner Zustimmung meines Mitautors Roland Appel.
Die FAZ stellt die Daten vor, die klar ersichtlich machen, welche ökonomischen Hebel es gegen das Erdogan-Regime gäbe, wenn man nur wollte.
Nach Einschätzung von Telepolis-Autor Moser will der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg die Morde in Heilbronn, die angeblich der NSU begangen hat, nicht wirklich aufklären.

Lehren aus Trump (IV)

Ivo Bozic (Jungle World) sieht in der Trump-Zuspitzung den Kampf zwischen “Globalisten” und Lokalisten”, zwischen Stadt und Land, und sieht sich langfristig auf der erfolgreichen Seite. Vor Determinismus in diesem Zusammenhang sei aber gewarnt; das könnte zu einem bösen Ende führen.
Klaus Walter zeichnet im gleichen Blatt, wie die US-Pop-Elite gegen Trump den kürzeren zog. Die mehrheitlich schwarzen Popstars versetzten scheinbar die Trump-Fans so dermassen in Angst und Schrecken, dass sie sie ungewollt zur Wahlteilnahme mobilisiert haben.
Noch mehr zum Nachdenken regen heute zwei Carta-Beiträge an:
Der Erste sollte dem DFB und der DFL (Deutsche Fußball-Liga) als Pflichtlektüre demokratie-ärztlich verordnet werden; sie beziehen den Löwenanteil ihrer Milliardeneinnahmen von Rupert Murdochs Medienkonzern. Wolfgang Hagen und Hermann Rotermund analysieren, in welcher verheerenden Medienlandschaft Trump seinen Sieg erreichte. Vieles spricht hier für Klarsichtigkeit und durchdachte Strategie, also insgesamt das Gegenteil von irre. Hier sei ergänzt, dass heute der gleiche Mechanismus für die AfD glänzend funktioniert: der WDR lädt in einer Publikums-Live-Sendung zur Diskussion über Trump: den “linken Rand” repräsentiert neben dem rechten AfD-Landesvorsitzenden der NRW-CDU-Chef Laschet. Verschiebung des Diskurspektrums – “Mission accomplished”, mit unseren Gebührenzahlungen finanziert.
Ron Kellermann analysiert Trump aus der Sicht eines Dramaturgen. Welche Geschichte hat er entwickelt und erzählt? Warum wurde sie ihm geglaubt? Oder war das sogar egal? Keine deutsche Partei setzt gegenwärtig der AfD eine Geschichte entgegen; dieser Utopieverzicht ist lebensgefährlich.
Yannis Varoufakis verzichtet nicht auf Utopien, hat in Deutschland nur ein Popstar-Image, aber keine soziale Basis. Das liegt nicht nur, aber auch am verkommenen ökonomischen Diskurs hierzulande und der Allmacht, die der Figur Schäuble bei seiner offiziellen Interpretation überlassen wurde.
Ostasien ist und wird auch in Zukunft die gefährlichste Krisenregion bleiben. Schwer kontrollierbare Despoten prallen hier aufeinander, nicht nur aus USA und China, sondern auch aus Japan. Die Informationsstelle Militarisierung in Tübingen ist immer wieder ein Quell exzellenter globaler Information.

Merkel / Gabriel / Industrie 4.0

Mein Merkel-Orakel Günter Bannas (FAZ) versucht sich weiter in journalistischer Diplomatie. Nachmittags meldet sein Kollege Sattar Gerüchte aus der SPD, Martin Schulz wolle “Kanzlerkandidat” werden. Nicht dieses personelle Detail, aber die Gesamtperformance der SPD spricht für Merkels Erfolgsaussichten.
Sigmar Gabriel ist in China durchgefallen (Frank Sieren, Handelsblatt).
Die Industrie 4.0 bringt nicht die erwarteten Produktivitätssprünge, weil sie auf dem sozialen Auge blind ist (Rainer Fischbach, Junge Welt).

Sport: ein Drittel sexuell belästigt

Der Sport macht sich immer wieder laut bemerkbar. Nicht nur über die Milliardäre im Fußball, auch über seine Lobbyisten in der Kommunalpolitik. Einige wenige besonders Laute lassen sich sogar gegen die Kulturszene aufhetzen statt mit ihr zusammenzuarbeiten; fast alle Fußballfunktionäre meinen, ohne Kunstrasen laufe ihnen “die Jugend” weg. Und jeder Stadtteil braucht natürlich ein Schwimmbad.
Nun gibt es ein Thema, zu dem ich mir mal vergleichbar vernehmbare Geräusche wünschen würde. Einer Untersuchung der Sporthochschule Köln zufolge werden im Sport ein Drittel aller Aktiven sexuell belästigt, in direkter körperlicher Konfrontation sind es immer noch 5%. Das wäre doch wirklich mal ein guter Grund für Jugendliche, aus dem Verein wegzulaufen. Zur Ehrenrettung des organisierten Sports sei hier ergänzt, dass die Untersuchung, (in der DLF-Meldung verlinkt) von der Deutschen Sportjugend, das ist die Jugendorganisation des DOSB, mitinitiiert war. Und hoffen wir mal, das diese Selbstkontrolle bei uns in Bonn auch funktioniert.

Demokratiewachsamkeit

von Mely Kiyak / Otto-Brenner-Stiftung
Festrede zur Verleihung des Otto-Brenner-Preises am 15.11.2016 in Berlin
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Preisträger, sehr geehrte Gastgeber der Otto-Brenner Stiftung, geschätzte anwesende Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde
Als ich die Einladung erhielt, die heutige Festrede halten zu dürfen, schaute ich zunächst einmal nach, um wen es sich bei Otto Brenner eigentlich handelt. Er war in Hannover geboren, was – das sage ich aus biographischer Erfahrung – glauben Sie mir das bitte, immer ein tragischer Start für ein Leben ist.

Mit nur 13 Jahren wurde er Gewerkschaftsmitglied, machte Karriere und brachte es bis zum Vorsitzenden der IG Metall. Vom einfachen Zeitungszusteller und Nietenpresser zum Gewerkschaftsboss, ist in Deutschland – damals wie heute – wo die Herkunft eines Menschen seinen gesellschaftlichen und beruflichen Werdegang beeinflusst, eine der wenigen und seltenen Möglichkeiten als Arbeiterkind, und das war Brenner, aufsteigen zu können.

Brenners Parallelen zu meinem Leben sind verblüffend. Auch ich bin ein Arbeiterkind. Auch ich kämpfe seit meinem 13. Lebensjahr in der Gewerkschaft. Weil ich nämlich die Tochter eines Kupferdrahtlackierers bin. Weiterlesen

Welt der Wirtschaft

Linke und rechte Kritiker*innen mäkelten an der internationalen “Panama-Papers”-Recherche rum, dass sie ja nur gegen den “bösen Russen” gerichtet sei, und die “wahren” kapitalistischen Übeltäter*innen ungeschoren lasse. Das wird man dem Vorschlag von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz allerdings nicht vorwerfen können. Der wird dafür länger als die Unterwerfung einer panamaischen Regierung brauchen, um durchgesetzt zu werden. Wir haben bald NRW- und Bundestagswahlkampf. Fragen danach sollten wir den Wahlkämpfer*inne*n nicht ersparen.

Bayer hat sich 4 von 66 Mrd. Euro schon mal geliehen, um Monsanto zu erwerben. Der Vorgang wurde hier bereits analysiert. Die FAZ meldet nicht namentlich, wer Bayer das ganze Geld leiht – “institutionelle Investoren”. Ich würde, wenn ich so eine Schweinerei beginge, auch lieber geheim bleiben. Hoffentlich (und wahrscheinlich) kommt das irgendwann raus.

Der russische Wirtschaftsminister ist, angeblich auf frischer Tat, verhaftet worden. Warum wohl? Es wirkt ein bisschen wie Oettinger, der sich gedankenlos ins falsche Flugzeug (Putins) gesetzt hat – der angebliche Anlass ist viel kleiner, als es die Ursache sein dürfte, für die diese Falle gestellt wurde.

Schauspieler*innen brauchen endlich eine anständige gewerkschaftliche Vertretung. Wie sind sie nur so schnell darauf gekommen.

Hier noch ein wichtiges Dokument aus der Fußballwirtschaft.

Und warum es für Männer und Frauen (“was denkst Du gerade?”) besser ist, Geheimnisse zu haben und zu behalten.

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2024 Beueler-Extradienst | Impressum | Datenschutz

Theme von Anders NorénHoch ↑