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Die Integre kehrt VW den Rücken

Aus heiterem Himmel verkündeten es die Wirtschaftsnachrichten: Dr.Chistine Hohmann-Dennhardt gibt als Vorstandsmitglied bei Volkswagen auf. Warum die promovierte Juristin und Feministin dem Wolfsburger Konzern den Rücken kehrt, erschließt sich weniger aus dem, was sie dort getan hat, als aus dem, was sie wohl dort nicht tun durfte. Hohmann-Dennhardt ist es als ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht gewöhnt, unabhängig und in der Sache überzeugt den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen, Ursachen zu verstehen, nachhaltige Regeln aufzustellen. Vertuschung geht mit ihr gar nicht.

Schon als Justizministerin der Rot-Grünen Koalition in Hessen sprach sie auch mit in Hessen einsitzenden Terroristen. Die eher linksliberale Sozialdemokratin war im Bundesverfassungsgericht entscheidend an Urteilen zur Vorratsdatenspeicherung und an Entscheidungen zu Frauenrechten beteiligt. Als Vorstand von Daimler wirkte sie nicht nur durch die Gestaltung der Konzernregeln zur Compliance in der Nach-Schrempp-Ära, sie setzte sich gemeinsam mit Personalvorstand Porth erfolgreich für die Frauenförderung im Unternehmen ein. Ihre Nachhaltigkeitsdialoge gemeinsam mit Vorstandskollege Thomas Weber brachten regelmäßig die Führungskräfte von Daimler u.a. mit Amnesty International, Peter Schaar und vielen anderen Nichtregierungsorganisationen zusammen. Dort erörtert man bis heute Fragen der Menschenrechte in Drittländern, Datenschutz im vernetzten Auto, ethische Fragen rund um das autonome Fahren, führt erfolgreich Bürgerdialoge am Standort der neuen Teststrecke durch und wendet an, dass Daimler Nachhaltigkeit gelernt hat. Diese “Beinfreiheit” hatte Hohmann-Dennhardt bei VW offensichtlich nicht.

Bei VW hatte sie in Manfred Döss, Leiter der Rechtsabteilung, einen Mitarbeiter als Gegenspieler, der zur alten Garde von VW zählt. Döss ist anders als Hohmann im Konzern vernetzt, er ist zugleich Vorstand von Porsche SE und hat gute Kontakte zu den Familien Porsche und Piech. Er zog offenbar mit deren Rückendeckung Strippen und die Vergleichsverhandlungen mit den US-Behörden an sich, wobei er sich zwar nicht mit Ruhm bekleckerte, aber offenbar vor wenigen Tagen damit durchsetzte, dass Volkswagen entgegen früherer Ankündigungen nun doch keinen öffentlichen Bericht über die Aufklärung der Dieselaffäre verfassen wird. Angeblich deshalb, weil man für weitere Schadenersatzklagen keine Argumente liefern möchte – so die offizielle Version.

Das Verhalten, das Ex-Vorstand Winterkorn im Bundestags-Untersuchungsausschuß an den Tag legt, aber auch der Umgang von VW mit Millionen Käufern in Europa, denen jede Schadensersatzansüprüche versagt werden, zeigt, dass Vertuschung und das Unter-den-Teppich-kehren in der Dieselaffäre weiter die Kernstrategie im Hause Volkswagen bleibt.
Für Offenheit, neues Denken, Nachhaltigkeit und Ehrlichkeit ist da wohl noch kein Platz. Mit Christine Hohmann-Dennhardt geht so etwas gar nicht.

Dieser Beitrag erscheint auch bei rheinische-allgemeine.de

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Treche, Klaus-Peter

    Lieber Roland,
    Ich glaube in der Tat, dass Du mit Deiner Beurteilung genau richtig liegst. VW ist einfach ein “versiffter” Konzern, und das auch noch mit Beteiligung/Billigung der niedersächsischen Landesregierung! Es ist beschämend!
    Liebe Grüße, Dein Pitt

  2. Berthold Meyer

    Lieber Roland,
    als ich vor einigen Tagen Deinen Kommentar las, fand ich ihn sehr überzeugend. Was nun aber z.B. in der FAZ vom 1.2. über die 15-Millionen-Abfindungszahlung an Frau Hohmann-Dennhardt zu lesen ist, wirft ein eigentümliches Licht auf die ganze Sache. Möglicherweise war sie nur von Daimler freizukaufen, wenn VW ihr ein noch höheres Gehalt zahlte, als sie dort schon bekam. Aber vielleicht hat sie sich auch ganz besonders gut aufs Pokern verstanden. Jedenfalls verursacht es bei mir mehr als Stirnrunzeln, wenn ich von solchen Zahlungen für jemanden lese, dessen Aufgabe es war, den Saustall auszumisten.
    Liebe Grüße, Dein Berthold

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