Donnerstag geht es wieder loss. Die Erwachsenen werden sich wieder aufregen, dass die Kinder so viel saufen und kotzen. Es ist hier im Rheinland die ökonomisch wichtigste Zeit für bestimmte Einzelhandelsbereiche, die Gastronomie und die Entertainmentbranche. Diese Tatsache hat gestern Abend eine weitere von Jürgen Werner geschriebene Folge des Kölner WDR-Tatorts aufgegriffen (verfügbar in der Mediathek bis 19.3.). Als Kind habe ich von meinen Eltern gelernt: “Ist doch nur’n Film.” Das stimmt. Aber wenn ein Film einem das Gefühl gibt, bereits erlebte Fakten zutreffend darzustellen, dann wird es – in diesem Fall – beklemmend. Und definitiv nicht lustig.

In der Story von Werner geht es um den Selbstoptimierungswahn im heutigen Entertainmentkapitalismus, und zwar die kölsche Version. Alle werden davon deformiert, Karnevalsfunktionäre, Eltern, Jugendliche, Kinder – alle werden zu Wölfen, und die altgewordenen Kommissare, Behrendt und Bär wissen damit schauspielerisch professionell und souverän umzugehen, verstehen einerseits “die Welt nicht mehr”, da sie sich aber immer mehr an ihrem Rand bewegen und immer weniger im Verwertungsstrom mitschwimmen, sehen und erkennen sie vieles besser.

Ich will nicht wissen, wie sich das Casting (Gisela Uhlig) abgespielt hat. Die exzellente Darstellerinnenriege ist möglicherweise aus einem Wettbewerb hervorgegangen, der sich nur in Nuancen von der Filmgeschichte unterschieden haben könnte. Das Film- und TV-Business ist schon sehr lange bekannt für seine extrem prekären und ausbeuterischen Produktionsstrukturen. Legionen von Praktikant*inn*en arbeiten kostenlos; die sexuellen Abhängigkeitsverhältnisse werden realistisch dargestellt worden sein, davon versteht die Filmbranche eine ganze Menge.

Sowohl private als auch öffentlich-rechtliche Filmbesteller drücken seit vielen Jahren die Produktionskosten, in erster Linie über eine Verringerung der Drehtage. Dieser Mechanismus tut der Qualität nicht gut, sondern führt unter dem Strich zu einer Beschleunigung des Bedeutungsverlustes des Altmediums Fernsehen.

Dieser WDR-Tatort hat versucht dagegen anzusenden. Auch wenn er vielen des Karnevalsspass verdorben haben könnte – danke!

Der bessere Krimi lief wahrscheinlich, wie fast jeden Sonntag, um 22 Uhr im ZDF, immer die bessere Alternative zur Politikverdrossenheit fördernden Talkshow. Den habe ich noch nicht gesehen; er wartet auf meinem Videorecorder.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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