Man muss kein Christdemokrat sein, um Respekt vor Peter Altmeier zu haben. Er sticht als CDU-Politiker mit Intelligenz, Organisationstalent und analytischem Verstand aus der Masse der Karrieristen und Anpasser in Berlin heraus. Er kann wahrscheinlich jedes Ressort, ist für die Kanzlerin der Macher in brennenden Situationen wie der Flüchtlingskrise, gehörte einst zur schwarz-grünen Pizza-Connection und kann auch mit den Sozis. Nichts ist natürlicher, als dass Angela Merkel diesen Mann, der mit Kompetenz ihr Kanzleramt steuert und weiss, wie sie tickt, damit beauftragt, das CDU-Wahlprogramm zu schreiben. Mit der Bekanntgabe entfachten vor allem die, die ihm intellektuell nicht das Wasser reichen können, einen Sturm im Wasserglas.

“Unzulässige Verquickung von Partei- und Regierungsarbeit” sieht der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann, fordert gar, Altmeier müsse sein Amt als Kanzleramtsminister aufgeben und Wolfgang Kubicki, populistischer Gartenzwerg der Nord-FDP keift etwas von “Verfassungswidrigkeit”. Welch ein Unsinn! Mit dem gleichen Argument

hätte Sigmar Gabriel als Parteivorsitzender weder Vizekanzler noch Minister sein dürfen und Angela Merkel nicht CDU-Bundesvorsitzende. Wer kommt eigentlich auf diese Schnapsidee, der Kanzleramtsminister müsse ein politischer Eunuche sein?

Werner Maihofer, einer der Autoren des “Freiburger Programms” der FDP wurde “Minister ohne Geschäftsbereich” im Bundeskabinett. Horst Ehmke war als Kanzleramtsminister Willy Brandts politischer Kopf für Reformen und hat wesentliche Teile der SPD-Programme entworfen. Otto Graf Lambsdorff, damals Bundeswirtschaftsmister, nahm 1979 so heftigen Einfluss auf das Wahlprogramm der FDP, dass es vom atomkraftkritischen Kurs der Jungdemokraten hin zur Position des “Atomforums” – der Lobbyisten der Atomindustrie – umschwenkte. Einer der Gründe, warum die Grünen ab 1980 bundesweit die Parlamente eroberten. Heiner Geissler war gleichzeitig von 1982-85 CDU-Generalsekretär und Bundesfamilienminister. Sogar die Grünen hatten Programmschreiber in Regierungsämtern. Hubert Kleinert, Joschka Fischers rechte Hand, Realo und Ex-MdB war leitender Mitarbeiter in der Landesvertretung Hessens beim Bund – parteiinterner Spitzname: “Der Frühstücksdirektor”.

Die ganze Diskussion ist irrelevant, aber warum sie verfängt, ist irre relevant. Ich will nicht wissen, was neoliberale Bürokraten der OECD über eine angeblich zu hohe Steuerlast in Deutschland denken. Ich will diskutieren, was dagegen zu tun ist, dass die soziale Schieflage wächst, Armut und prekäre Arbeit ansteigen und wenige Reiche immer reicher werden. Ich will auch nicht wissen, wann Sylvia Löhrmann vom Minister-Dieselaudi in den Wahlkampf-Hybridtoyota umsteigt. Ich will den vielleicht folgenreichsten Schwenk der Bundesregierung Merkel-Gabriel zur einstimmigen Befürwortung des gewagten und die UNO und internetionales Recht mißachtenden Raketenangriffs Donald Trumps diskutieren.

Warum habe ich nur das komische Gefühl, dass ich davon abgehalten werden soll, mich mit den Dingen zu beschäftigen, die mich wirklich etwas angehen?

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net