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Führerschein auf Lebenszeit?

von Rainer Bohnet

Die Automobilität ist in Deutschland ein politisches Heiligtum. Millionen von PKWs bevölkern unsere Straßen und der Öffentliche Verkehr aus Bussen und Bahnen inklusive des Fahrradverkehrs kämpfen um ihre Daseinsberechtigung. Fast jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr vollendet, steigt danach ins Auto und wird u.U. niemals mehr in einem Bus oder einer Bahn angetroffen. Aber warum gibt es einen Führerschein auf Lebenszeit?

Nach dem erfolgreichen Erwerb des Führerscheins findet in der Regel niemals mehr eine Gesundheitsüberprüfung oder eine Nachschulung statt. Egal wie alt man wird und egal, welche sigfikanten Änderung von Verkehrsregeln in Kraft treten. So stelle ich z.B. immer wieder fest, dass das ordnungsgemäße Verhalten in Kreiseln offenbar viele Autofahrer überfordert. Die dortige Vorfahrtsregelung und die kreiselspezifischen Blinkvorgänge werden häufig ignoriert und dass es “echte” und “unechte” Kreisel gibt, erschließt sich vielen autofahrenden Zeitgenossen auch nicht. Kein Wunder, denn Kreisel waren in Westdeutschland jahrzehntelang weitgehend tabu, bevor sie vor einigen Jahren eine Renaissance erlebten. Deshalb ist zu vermuten, dass der Kreisel in der Fahrschule oftmals keine Rolle spielte.

Noch schwerer wiegen gesundheitliche Einschränkungen. Denn die aktive Teilnahme am Verkehrsgeschehen erfordert ein gewisses Reaktionsvermögen. Und das lässt bekanntlich im hohen Alter nach. Aber auch schwere Erkrankungen wie z.B. Gedächtnisschwund, sollten eigentlich diagnostiziert werden und zum zwangsweisen Führerscheinentzug führen.

Deshalb halte ich es für sinnvoll, alle 10 Jahre eine kurze Gesundheitsüberprüfung für jeden Autofahrer anzuordnen, die problemlos mit einer Nachschulung über geänderte Verkehrsvorschriften verbunden werden kann. Jeder Mensch, der seinen Führerschein zwangsweise verliert, sollte ein kostenfreies ÖPNV-Ticket für seine Heimatstadt erhalten.

Warum scheut sich die Politik, so etwas einzuführen? Weil Deutschland ein Autoland ist und jede gesetzliche Restriktion als Beschneidung der individuellen Freiheit gilt. Die Gesundheit der Menschen ist allerdings höher zu werten als die individuelle Automobilität. So hat bereits das Verwaltungsgericht Stuttgart in seiner denkwürdigen Entscheidung pro Dieselfahrverbote argumentiert.

Über Rainer Bohnet:

2 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Das mit den Kreisverkehren ist sicher richtig beobachtet.
    Zwei Dinge zur Ergänzung:
    1. die technische Vorrichtung eines Blinkers zur Anzeige einer beabsichtigten Richtung hat sich über die Jahrzehnte technisch nicht fundamental verändert. Warum wird er dann nicht benutzt?
    2. Autofahrerer*inn*n, die aus dem dunklen Auto ins helle Draussen blicken, fehlt offensichtlich jedes Vorstellungsvermögen dafür, dass sie umgekehrt aus dem hellen Draussen hinter der spiegelnden Frontscheibe nicht zu sehen sind. Sie Gestikulieren also völlig vergeblich in ihrem Kasten wild herum und schimpfen über die Idioten da draussen – die haben einfach nur Furcht von der Waffe Auto erlegt zu werden.
    Eine Genugtuung gibt es: in ihrem Kasten werden sie völlig verrückt, weil aus allen Richtungen Fahrräder kommen, deren Fahrer*innen genauso verschieden sind und fahren, wie die in den Autos. Das gab es früher nicht. Das spricht fürs Fahrenlassen in Bus und Bahn, und später im selbstfahrenden E-Auto 😉

  2. Roland Appel

    Lieber Rainer, bei aller Liebe glaube ich, dass Du einem typischen Irrtum angeblicher Rationalität aufsitzt und zudem aus einer ziemlich arroganten Metropolenperspektive urteilst. Als ich 1996 meinen ersten C-Klasse Mercedes erwarb, Diesel mit 150 PS und viel Kombiplatz wegen Tochter, wunderte ich mich, dass der in der Kasko und Haftpflicht nur die Hälfte meines vorherigen 90 PS-Golf kostete. Mein Versicherungsvertreter belehrte mich, dass das so sei, weil die C-Klasse ein Opa-Auto sei. Mein Vater fuhr auch den Vorgänger MB 190 mit 78 Jahren bis zu seinem Tode. Er nahm zwar manchmal einen Bordstein mit dem Hinterrad mit, aber er fuhr unfallfrei und ohne Auto wären meine Eltern in der schwäbischen Vorstadt auch mit kostemlosem ÖPNV-Ticket in sozialer Isolation vollkommen verratzt gewesen. Bei mir in Bornheim wäre das für viele Alte nicht anders. Du führst eine Diskussion, die in England und in anderen europäischen Ländern undenkbar wäre: Als Motorradfahrer habe ich in ganz Europa erlebt, dass Menschen sich viel weniger an Regeln halten, ohne Unfälle zu bauen, die mitdenken und den Anderen im anderen Fahrzeug wahrnehmen und einfach langsam fahren. Englische Kreisverkehre sind das sicherste, was es auf der Welt gibt, aber auch dort gilt Vorsicht und Rücksicht und niemand fährt so schnell, wie wir auf dem Festland. Sicher: Es gibt Ausnahmen, völlig desorientierte Einzelfälle hinterm Steuer, Geisterfahrer – aber die Statistik spricht eindeutig gegen Deine These von den gefährlichen Alten am Steuer.

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