von Rainer Bohnet

“America first, Deutschland zuerst”. Die Parolen der Nationalisten sind plump, aggressiv und gefährlich. Denn sie zielen auf die niederen Instinkte der Menschen und generieren Ängste und irrationale Ablehnungen gegenüber Migranten, anderen Ländern und deren Problemen.
Was ist der Hintergrund solcher Kampagnen und warum sind sie so erfolgreich?

Donald Trump hat mit nationalistischen Parolen die Wahl zum US-Präsidenten gewonnen. Und in Deutschland zog die AfD mit 90 Abgeordneten in den Deutschen Bundestag ein. Sie liegt derzeit in aktuellen Umfragen sogar knapp vor der SPD. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich Deutschland, Europa und die Welt fundamental verändern. Die politische und gesellschaftliche Lage ist fragil und äußerst komplex. Damit sind viele Menschen überfordert. Sie haben das Gefühl, dass die Gemütlichkeit und Sicherheit ihres Lebens in Gefahr sind, weil Migranten und Flüchtlinge in ihr “Wohnzimmer” drängen. Diese belasten die Sozialsysteme, nutzen diese schamlos aus, besetzen Arbeitsplätze und fordern Wohnraum. Es ist eine seltsame, angstvolle Situation, die ohne klaren Kopf das gesamte Dasein ins Wanken bringt. Das ist die Gefühlslage vieler Menschen, vor allem solcher, die zum unteren Drittel der Gesellschaft zählen. Vor allem das sogenannte Prekariat ist in höchstem Maße gefährdet sich zu radikalisieren oder zu resignieren.

Die AfD und andere rechtspopulistische Parteien nutzen diese Fragilität ganz gezielt aus. Sie vermitteln einfache Ziele, suggerieren simple Lösungen für komplexe Probleme, stellen die “Eingeborenen” auf eine höhere gesellschaftliche Ebene, stigmatisieren das Fremde und radikalisieren nebenbei Sprache und Rhetorik. Diese Kaltschnäuzigkeit ist neu und erhält durch die modernen Medien eine enorme Verbreitungsgeschwindigkeit. Deshalb ist die Digitalisierung ein Instrument, das u.U. demokratiegefährdend wirken kann. Den Nationalisten ist das natürlich egal. Denn Demokratie beinhaltet offene Entscheidungsprozesse und über diesen steht das universelle Menschenrecht der uneingeschränkten Würde und des Respekts. Und das ist den Nationalisten zuwider.

Die etablierten Parteien haben große Schwierigkeiten, sich auf diese Lage adäquat einzustellen. So hat die SPD ihre einstigen Hochburgen im Ruhrgebiet weitgehend aufgegeben und kämpft verzweifelt um ihr Überleben, die Grünen zielen auf die Intellektuellen des gehobenen Mittelstands, die CDU scheint mit Mühe die einzige Volkspartei zu sein, während die FDP und die Linken größte Mühe haben ihre Wählerinnen und Wähler bei Laune zu halten.

Ein politischer Akteur kommt bisher zu kurz. Nämlich die Zivilgesellschaft, die in keiner anderen Gesellschaftsform als der Demokratie ohne Parteien und völlig unabhängig agieren kann. Selbst der Einzelne kann das Heft des Handelns in die Hand nehmen und Nichtregierungsorganisation wie die Gewerkschaften kämpfen ebenfalls aufopferungsvoll für Toleranz und Respekt. Da diese Akteure unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen, haben sie ein starkes Mandat, sich gegen die Nationalisten zu stellen, aber natürlich auch die Nöte und Ängste der Schwachen aufzugreifen und sich für sie einzusetzen. Parteien und Gruppierungen, die die universellen Menschenrechte und die Erfolge der Wohlstandsgesellschaft ausschließlich für hier Geborene fordern, müssen aus den Parlamenten verschwinden. Denn sie stellen sich außerhalb dessen, was wir seit 1949 mühsam erstritten haben.

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