In Deutschland herrscht Unverständnis vor, warum “die Araber” uns “gute Deutsche” nicht verstehen, sondern sich lieber mit Verbrechern wie Putin, Xi und Erdogan gemein machen. Naja, es sind nicht “die Araber”, sondern nur ihre feudalen Repräsentanten (Frauen kaum dabei). Und wir sind ja auch nicht “die Deutschen”, sondern in diesem Fall nur die Führung des DFB sowie unsere gewählte Bundesregierung, die uns beide gewöhnlich nicht nach unserer Meinung zu fragen pflegen. Wenn die Genannten also schlecht miteinander klarkommen, betrifft uns das nur, wenn sie Krieg anfangen und/oder wir im Winter frieren müssen. Nicht umsonst hiess es nach 1990 in Graffitis: “Ausländer, lasst uns mit diesen Deutschen nicht allein!”

Zur Qatar-WM gilt jetzt: der DFB ist längst zuhause und hat Krise. Das kennt die Bundesregierung schon als Normalzustand. Jetzt spielen noch vier ums Weltmeisterwerden. Ein Extradienst-Autor, der aber lieber nicht öffentlich dafür einstehen will, äusserte mir einen nicht fernliegenden Verdacht: nachdem schon die ganze WM zu kaufen war, Qatars Team aber fussballerisch nicht gut genug, kauft es Spiele für Marokko (z.B. gegen die enttäuschenden Portugiesen), um innerhalb der panarabischen Welt an Deutungsmacht zu gewinnen – gegen die saudische Konkurrenz, die die übernächste WM bei der Fifa kaufen will. Die Nächste ist in Mexiko/USA/Kanada. Nach den Saudis oder noch davor ist dann gewiss auch China dran. Qatar muss seine Chance also jetzt ausschöpfen. Das kann es doch nicht den Zufällen des Fussballs überlassen.

Und wir guten Deutschen kämpfen und krähen einsam und allein für die “Achtung der Menschenrechte” (ausser an den Grenzen der EU, in deutschen Billiglohnbranchen, oder 25% all der Kinder in Armutsfamilien in unserem reichen Land) – und immer weniger hören auf uns. Weil sie sowieso nicht glauben, dass es uns ernsthaft ernst ist. It’s the economy, stupid!

Wie kommichdrauf? Der mutmasslich grösste Fussballer der Weltgeschichte war nie Torschützenkönig oder Weltmeister. Er hat sich tatsächlich Risiken ausgesetzt, während “seine” Regierung von blutrünstigen Militärdiktatoren besetzt war. Seine Mannschaft spielte 1982 den schönsten Fussball, den die Welt je gesehen hat, und schied vorzeitig gegen den späteren Weltmeister Italien 2:3 aus (3 x Paolo Rossi, auch schon tot). Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira bekam nun von Will Magee (Übersetzung von Astrid Zimmermann)/Jacobin ein kleines Denkmal gesetzt: Die WM braucht den Spirit von Sócrates – Der brasilianische Fußballer Sócrates war überzeugter Kommunist. Er nutzte den Sport, um der Militärdiktatur die Stirn zu bieten. Die WM in Katar hätte einen solchen Kampfgeist bitter nötig.”

Sócrates wurde immerhin 7 Jahre älter als Garrincha, der sich in ähnlich tragischer Weise totgesoffen hat (Helmut Rahn, der deutsche Held von 1954, ebenfalls!). Aber lieber das, als so ein verkorkstes Faschisten-Maskottchen zu geben, wie der frauenmisshandelnde und steuerbetrügende Neymar.

Das 2:3 gegen Italien werde ich lebenslang erinnern. Alle meine WM-glotzenden Freunde waren zum Rolling-Stones-Konzert in Köln und verpassten – Magee zitiert Sócrates Mitspieler Falcao – »eines der größten Spiele in der Geschichte des Fußballs«. Im Finale demütigte Italien dann die DFB-Rumpelfussballer mit 3:1. Von diesem Spiel bleibt mir Bruno Contis Flanke zum 3:1 und der jubelnde Antifaschist Sandro Pertini lebenslang in Erinnerung.

So schön konnte Fussball sein.

Die irren Sauds

Nur wenige können es sich vorstellen. Aber die sklavenhaltenden Al-Thanis in Qatar sind eine modernisierte und gemässigte Ausgabe der wahabitischen Sauds im ungleich grösseren, reicheren und mächtigeren (und mörderischeren) Saudi-Arabien. Der Jemen-Krieg allein reicht für diese Bewertung schon aus. Aber es kommt noch mehr.

Lesen Sie mal, was Mark Harris/Technology Review (heise-online) zusammengestellt hat: Saudi-Arabien: Wie das Mega-Stadtprojekt ‘The Line’ vorankommt – Das Bauprojekt ‘The Line’ soll 170 Kilometer lang werden: Satellitenaufnahmen zeigen den Fortschritt der gigantischen Stadt in der Wüste Saudi-Arabiens.”

Sowas passiert, wenn “die da oben machen, was sie wollen”. Sie sind imstande, Leben auf diesem Planeten für immer zu beenden. Mit der – guten! – Ausrede “Iran” werden sie sich Atomwaffen verschaffen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net