Georg Fülberth, alter Kämpe einer mit materialistischen Instrumenten ausgestatteten Politischen Wissenschaft, und ähnlich blitzgescheit, versucht sich an dem gleichen Thema wie jüngst Albrecht von Lucke – nur mit noch weniger Auswegen. Auf für mich schockierende Weise verzichtet er auf eine Fähigkeit, die er nachweislich besitzt, und die qualifizierter Politikwissenschaft eigen ist: Prozessdenken. Oder hat die Junge Welt solchen Verzicht bei ihrem Manuskriptauftrag verlangt? Fülberths Szenario läuft am Ende auf eine Deutschland beherrschende CDU/AfD-Koalition hinaus. So kann es kommen, es ist nicht die unwahrscheinlichste aller Varianten. Aber warum verzichtet er auf die Option der Entfaltung gesellschaftlicher Bewegungen, von der in diesem Jahre eine sehr Besondere eine sehr besondere und überraschende Entwicklung gezeigt hat? Wenn denn tatsächlich Realo-Grüne das Kanzleramt erobern sollten – warum sollten sie sich davon nicht beeindruckt zeigen? Die CDU tuts doch auch, Teile von ihr, aber die feindlichen imgrunde noch mehr. Eine Mehrheit der heutigen Grünen-Mitglieder würde glatt behaupten, dass sie sich dafür besonders sensibel zeigen würden. Woraus soll sich ein Sieg von Befürworter*inne*n von Überfällen durch die Bundeswehr im Ausland ergeben? Wer ausser der kleinen Minderheit von Milliardär*inn*en und Millionär*inn*en, denen zufällig auch die meisten Medien gehören, soll denn für die Beibehaltung sozialer Ungerechtigkeit kämpfen – und was machen die Andern? Ist das statisch?

Bleiben Sie weg von funk.net

Vorbehalt: wenn der Spiegel etwas schreibt, ist der Verdacht gross, dass der Geschichte ein Spin hinzugefügt wurde, der sie für den Spiegel erst richtig rund macht. Da aber Zitate eingesetzt werden, könnte ein wahrer Kern übrig bleiben. Denn, dass in den Anstalten von ARD und ZDF quoten- und ranking-fixierte Geister regieren, kann ich bestätigen, und ist keine Neuigkeit. Wenn der dortige Nachwuchs das in seiner Ausbildung frisst und nachäfft, spricht das nicht für souveränes Denken und Ich-Stärke, sondern muss eher Sorgen machen. Diese Art von “Führung” ist durch Algorithmen ersetzbar. Ich gestehe, ich war gelegentlich auf Angeboten von funk.net, und ojeh, habe sie damit in Gefahr gebracht, weil ich den Altersschnitt hochgerissen habe. Wir Alten haben da nix zu suchen und müssen uns in die Dritten verpissen, mit denen – so ist es von den Programmdirektionen vorgesehen – wir dann gemeinsam sterbengehen.
Die Grundsatzfrage ist: brauchen wir öffentlich-rechtliche Medien (gerade jetzt)? Wenn Sie meinen: nein – tun sie nichts, dann kommt es auch so. Wenn Sie meinen: Ja – weil sie unsere Verfassung vor ihren Feind*inn*en schützen wollen, dann müssen Sie mehr tun als nur Hören und Gucken und den Rest einem Amt dieses Namens überlassen. Gehen Sie Ihren Pflichten als Bürger*in aktiver nach. Nichts muss kommen, vieles kann.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net