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“Orwell” praktisch

Das AfD-Förderprogramm der deutschen Rechten, und wie wir doofen Linksliberalen drauf reinfallen

Ich definiere mich selbst als Linksliberalen. Über nichts rege ich mich mehr auf, als über die Doofheit der “eigenen” Leute. Wer soll denn den Fortschritt erkämpfen, letztendlich menschliches Leben auf diesem Planeten erhalten, wenn nicht “wir”? Dieses “Wir” wird derzeit in der real existierenden BRD zerbröselt, und es gibt eine journalistische Miniatur des DLF, an der es sich verdeutlicht. Ich hatte sie hier kurz gewürdigt, in einem Absatz zur Jungen Welt. Hier der Beitrag im Original, um den es geht, nur als Audio 7 min., und beim DLF gut verborgen.

Warum verborgen? Der DLF nennt es “Debatte”, wenn ihm das Drecksblatt “Bild” ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Das kennzeichnet bereits die Grenzpfähle des gegenwärtig veröffentlichten und vermachteten deutschen Diskurses. Ich nehme dem “Aktuelles”-Chef des DLF Friedbert Meurer seine performte Zerkrnirschung subjektiv ab. Sein Entsetzen über das Vorgehen der Springermedien teile ich. Sein Motiv ist jedoch anders. Er denkt: warum “ich”? Ich mache doch schon so viel für die Verständlichmachtung deutscher Politik, und dann kommen die um die Ecke, und es reicht ihnen noch nicht. “Die”, das ist dem Herrn Meurer nicht ausreichend klar, sind die bürgerlichen deutschen Rechten, die noch nie Berührungsangst mit Faschismus hatten.

Seine und die Reaktion seines Senders, der die Zerknirschung prominenter platziert, als den Beitrag des angegriffenen Mitarbeiters Alexander Moritz, ist paradigmatisch für die desolate redaktionelle Verfassung deutscher Leitmedien. Für die ist das Ansehen in ihrem selbsreferentiellen Mikrokosmos wichtiger, als das bei ihrem Publikum. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Der eigene Marktwert bei einem möglichen Transfer zu einem besser zahlenden Medium wird gefährdet. Fussballspieler kennen das. Wer von der herrschenden Meinung/Stimmung Abweichendes vortragen will, muss es sich sehr gut überlegen, braucht eine gefestigte innere Unabhängigkeit. Es gibt diese Leute, noch.

Womöglich muss mann es schon als “mutig” oder “tapfer” loben, dass der DLF seinen Sachsen-Korrespondenten nicht von den Kanonen des Springerkonzerns abschiessen liess, anders als der MDR. Aber dort war der Betreffende Matondo Castlo nur ein “freier” Mitarbeiter. Und schwarz.

In seiner Belegschaft hat der Ressortchef Meurer jede Menge Konservative, die kennt er gut und lange, weil sie seinen Sender immer beherrscht haben, und jede Menge linksliberaler Nachwuchskräfte, die die Ukraine vor dem bösen Putin retten wollen. Mit den Konservativen zusammen bilden sie eine satte Mehrheit. Ältere Freunde von Friedens- und Entspannungspolitik finden in diesem Gefüge immer engere Spielräume vor. Sie setzen sich zudem dem Risiko aus, von dieser Mehrheit neuerdings als “rechts” gelabelt zu werden, weil sie nicht kämpferisch genug das Gute in der Ukraine gegen das Böse verteidigen wollen.

Viele Freund*inn*e*n von Frieden und Entspannung laufen in exakt diese Rolle rein. In ihrer scheinbaren Schmerzfreiheit. Sie wollen doch auch nur das Gute: Frieden, Waffenstillstand, Leben retten. Menschenfreund*inn*e*n guten Willens vereinigen. So lassen sie passieren, was angeblich keine*r will. Angeblich. Denn es stimmt nicht. Es gibt Gegner. Es gibt Menschenfeinde. Sie formieren die rechten Rassist*inn*en zur “Friedenspartei”. Es fehlt nicht viel, und deutsche Faschos brennen nicht nur Flüchtlingsunterkünfte nieder – der Boden wird erneut bereitet, von den bravesten deutschen Bürgermeistern und Landkreistagsdirektoren – und demonstrieren gleichzeitig für “Frieden”.

Wenig ist in diesem Zusammenhang dümmer, als linke Schmerzfreiheit gegen Rechts. Das ist der zentrale Kritikpunkt von Dieter Hummel und Roland Appel. Das Richtige wollen reicht politisch nicht aus. Ohne Analyse und Strategie geht das nicht. Wenn ein Aufruf nur das Gute will, und Faschisten ihn unterzeichnen, und frau/man das zulässt, ist für Frieden und Menschenfreundlichkeit ein fatales Eigentor geschossen. Den Kriegstreibern wird das Diffamieren so leicht gemacht. Das muss nicht sein, und ist sehr, sehr ärgerlich.

Es gibt einen Unterschied zwischen Links und Rechts, der gerne als veraltet veralbert wird. Es ist das Menschenbild. Gibt es fundamntaleres? Rechts sind Menschenfeinde; sie bestehen auf Ungleichheit, auf “gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit”. Diese Gruppen werden willkürlich zu opportunistisch gewählten propagandistischen Zwecken ausgewählt. Linke bestehen auf der Gleichheit, auf materiellen Zugang zu sozialen, kollektiven und individuellen Menschen- und Bürger*innen*rechten für alle. Der Unterschied ist nicht so schwer zu verstehen und zu erklären.

Demzufolge sind die, die Flüchtlinge verjagen, fernhalten und killen wollen, genauso rechts, wie solche, die das Gute glauben mit dem Mittel militärischer (oder auch polizeilicher) Gewalt durchsetzen zu können. Links sind die, die Menschen retten statt gefährden wollen. Und sich bisweilen zuviel, aber auch zurecht, darüber streiten, wie das am besten zu machen ist. Z.B. dort, wo Faschismus schon herrscht, und Gewalt als Notwehr nötig sein kann. Dieser notwendige Streit der Linken ist historisch schon immer eine Schwäche gegenüber den Rechten mit ihrer Liebe zur klaren, eindeutigen Herrschaft und Unterwerfung. Es lässt sich auch so fassen: die Linken unterscheiden den Menschen vom Tier.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Dr. Michael Rentzsch

    Guten Abend,

    Wahrscheinlich habe ich in diesem Artikel nicht alles verstanden – aber ich kenne immerhin Friedbert Meuer vom DLF – denn ich habe dem DLF ca. 1000 Mails geschrieben – und bin infolgedessen nun dort gesperrt. Herr Meuerer – das ist lobend zu erwähnen antwortete mir auf ca. jede 20. Mail ( weil ich ihn stets in cc oder bcc setzte) – der Stil seiner Antworten ist aber stets der Gleiche: “Eigentlich sind wir gut” – und was nicht gut ist wird konsequent ausgeblendet und bleibt unkommentiert. Und SO sind ja auch unsere Mainstream-Medien. Egal ob man nun AfD-Anhänger ist oder nicht – mich stört die Dummheit mit der die Auseinandersetzung geführt wird. Man redet 24/7 über seinen Erzfeind – aber niemals mit ihm – demzufolge reibt man sich nicht an Fakten sondern an Ideologie. Hinzu kommt beim DLF das unsägliche Gender-Gaga. Ich höre den Sender seit 1966 und ich muss sagen: Die Empfangsqualität hat sich kontinuierlich verbessert, die Quaität der Inhalt läuft genau entgegengesetzt.

    Beste Grüße, Michael Rentzsch

  2. Dr.

    Nachtrag

    Nun habe ich erst begriffen , dass Freund*inn*e*n keine ironische Bezeichnung war (Stichwort: Gender-Gaga) sondern wohl auch von diesem
    Blog als “wichtig” angesehen wird – da möchte ich dann meinen vorherigen Kommentar fast schon wieder zurückziehen. Mit Gender-Gagaisten spreche ich nicht , rede ich nicht und vermeide jeglichen Kontakt – es sind für mich Mörder – Sprachmörder – wenn ich da was falsch verstanden haben sollte – bitte melden, ich würde mich sehr gerne irren.

  3. Martin Böttger

    Ich “gendere” wie ich will, und rate das auch jeder Anderen (Männer mitgemeint). Wenn ich dadurch für Sie zum “Mörder” werde, tut es mir für Sie leid. Mich juckt das nicht.

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