Mediathekperlen

Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau. Die starke Frau hinter dem “Erwin Pelzig” verkörpernden Frank-Markus Barwasser, was ja eigentlich auch kein schlechter Kabarettistenname ist, die starke Frau ist Eva Schötteldreier. Was die beiden in der Staffel “Beim Pelzig auf der Bank” vor die Kamera gebracht haben, ist beste, und dazu topaktuelle, Staatsbürger*innen*kunde. Topgecastete Gesprächsgäste, exzellente Gesprächsführung, kurzweilig geschnitten, schöne Bilder eines schönen Landes. Ich fühlte mich an den Franz Beckenbauer der WM 2006 erinnert, der die Schönheit unseres Landes vom Hubschrauber aus verherrlichte. “Pelzig” zeigt es vom Lastenrad aus. Auch in den kleinen Feinheiten eine aussergewöhnlich liebevolle Arbeit. Das ist so nicht oft zu sehen.

Davon wurde ich überrascht. Ich hatte nicht mit dieser Qualität gerechnet. Gefreut dagegen habe ich mich auf die neue Staffel mit dem Therapeuten-Ekel Kranitz.

Um die Vorfreude anzustacheln wird zunächst die erste Staffel wiederholt. Sie war bereits ein fetter Mediathekerfolg. Gestern gabs linear zunächst ein Wiedersehen mit Lisa Hagmeister und Charly Hübner. Beim Kranitz-Erfinder Jan Georg Schütte stehen die Spitzenschauspieler*innen regelmässig Schlange, weil er sich zum König der Improvisation, beste Beziehungen zur ARD-Degeto inklusive, gemausert hat. Bei seiner Arbeitsweise müssen die Stars kein Drehbuch ab-, sondern dürfen im Sinne des Wortes mit ihren eigenen fachlichen Ideen mitspielen. Das löst bei ihnen offensichtlich Begeisterung aus. Und die überträgt sich auf die Zuschauer*innen. Auf mich jedenfalls. Und viele andere gucken es auch.

Schütte selbst macht es ebenso diebischen Spass, ein total abgewichstes Therapeuten-Arschloch zu spielen. So kann mann das deutsche Gesundheitswesen auch kommentieren. In der gespielten “Wirklichkeit” ist er gar kein aus-, sondern nur ein eingebildeter Therapeut, der sich für seinen Hauptberuf als Immobilienhai was dazuverdient. Ein Ausbeuter menschlicher Nöte, in jeder Hinsicht. Als Zuschauer*in nehmen wir die Schadenfreude mit, dass wir selbst nun wirklich nicht so schlimm sind, wie die. Und es auch bei weitem nicht so schlimm, sondern um einiges besser, haben. Ich jedenfalls.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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