Habecks Wehleid / Berühmte Irrlichter / Antisemitismus
Warum eine Schlagzeile in English? Weil ich bei “Schlachten” zu sehr an fliessendes Blut und Tönnies denken muss. Das englische “Battle” hat einen grösseren Deutungsumfang. Es geht nur um publizistische Strategien, nicht ums Totmachen.
So muss ich heute mein Umdenken über Robert Habeck melden. Unabhängig von politischen Differenzen habe ich seine nun schon recht langjährige PR-Arbeit für die Grünen und sich selbst für hochprofessionell gehalten. Mit seinem Zeit-Interview (Paywall, aber von einem guten Freund mir zugänglich gemacht) muss ich das revidieren.
Zum ersten Mal erinnert mich Habeck an meinen alten Freund Michael Vesper. Er gestattet Jana Hensel und Tina Hildebrandt ein Interview, das sich wie nicht gegengelesen geriert, als scheinbarer tiefer Blick in sein Inneres. Wohin doch recht zahlreiche heterosexuell orientierte Frauen immer gerne einen intensiven Blick werfen. Das ist sehr, sehr Yellowpress. Ich nehme im Freundinnenkreis (Männer nicht mitgemeint) wahr, dass Herr Habeck damit seine grosse weibliche Fangemeinde spaltet: in eine Mitleidsfraktion und in feministische Männerkritikerinnen, denen er beweist, dass wir doch alle gleich sind. Ist das etwa auch Kalkül? Als Mobilisierung von Baerbock-Sympathien? Das wäre arg um die Ecke gedacht. Habe ich Habecks PR-Beratung also immer noch unterschätzt? Baerbock ihrerseits kann sich, selbst wenn sie wollte, aber sie will es nicht, vor Lobpreisungen aus Fraktionen des ganz grossen Kapitals nicht mehr rechtzeitig in Deckung bringen. Ein kleiner Vernunft-Zwischenruf zu diesem Durcheinander hier bei Volkan Agar/taz.
#allesdichtmachen
Eine PR-Aktion von einem toten Briefkasten, dem es gelungen ist, maximale Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch was machen eigentlich die Agenturen bekannter, und überwiegend fähiger Schauspieler*innen den ganzen Tag? Können sie nur Castings vermitteln, oder gelegentlich auch denken?
Dazu müsste gehören, aber ja klar auch und gerne profilierende, abweichende Meinungen zu artikulieren, insbesondere dann, wenn sie im veröffentlichten Raum unterrepräsentiert sind. Gute Idee sogar. Aber ebenso darauf zu achten, damit nicht am gleichen Jägergartenzaun zu landen, hinter dem Deutschlands Neofaschisten lärmen. Dafür, dachte ich, sind Agenturen da, ihre Klient*inn*en davor zu schützen. Frau Makatsch hats dann, einige Stunden zu spät, selbst merken müssen.
Eine Freundin machte mich auf eine Meldung von Georg Restle in einem asozialen Netzwerk aufmerksam: “Nicht jeder, der einen neuen Untertanengeist aufs Korn nimmt, ist ein ‘Querdenker’ oder ‘nimmt Tausende Tote in Kauf’. Wir sollten aufhören, uns gegenseitig in Ecken zu treiben, aus denen keiner mehr rauskommt.” Es müsste in der Tat mehr Hirn regnen …
Antisemitismus-Debatte
Als solche Regenmacher betätigen sich Micha Brumlik und Gert Krell/FR, die sich mit der bisherigen Kritik an der “Jerusalem Declaration zum Antisemitismus” auseinandersetzen. Alte weisse Männer sind nicht alle gleich. Was würden wir ohne solche machen?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net