Wolfgang Schäuble ist derzeit der beliebteste deutsche Politiker. Für alle, die ein klein wenig von Volkswirtschaftslehre und ihrer internationalen Diskussion verstehen, ist das ein Rätsel und wird es wohl für immer bleiben.

Für Hoffnung ist es nie zu spät. Nach dieser Devise arbeitet die taz-Redakteurin Ulrike Herrmann, die jüngst darauf hinwies, dass das deutsche Kapital, dank seiner von Schäuble gestützten und propagierten wahnwitzigen Exportweltmeisterschaftsgier im Ausland zuletzt 1 Billion Euro verbrannt hat. Weg ist es. Wir müssen nicht traurig sein, es gibt sowieso zuviel Geld, nicht bei Ihnen oder mir, nur in den Büchern von denen, die so viel davon verwalten, dass sie den Überblick verlieren.
Was “wir” davon haben, das sehen wir in unseren Städten. Die NRW-Landesregierung feierte gerade ihren kommunalen “Stärkungspakt”, mit dem sie Finanzen zwischen armen und bitterarmen Städten umverteilt hat. In Bonn klagen wir “nur” um vergammelte Schulen und geschlossene Schwimmbäder. Aber wenn wir ins Ruhrgebiet schauen, das einerseits Mittel aus dem “Stärkungspakt” erhielt, wenn es andererseits besonders radikal seine kommunalen Haushalte zusammenstrich, dann sehen wir, was dabei rausgekommen ist: eine Region, die ökonomisch und sozial brutal in eine Sackgasse und dort vor die Wand gelaufen ist. Der größte Ballungsraum Deutschlands ist abgehängt. Das lustigste Beispiel dafür war jüngst das Schicksal der Auswärtsfans von Union Berlin: nach verlorenem Elfmeterschiessen kamen sie nicht mehr zum Hauptbahnhof. Es fuhr nämlich nichts mehr. Ohne Auto ist dort frühabends alles zuende. U-Bahn sanieren? Keine Ahnung, wie das gehen soll. Haha, das Problem haben sie sogar im reichen München.
Danke Herr Schäuble.

Keine Ahnung, ob mehr Geld für das Ruhrgebiet Besserung geschaffen hätte. Denn immer noch wandert Intelligenz nach erfolgreicher Hochschulausbildung ab. Entsprechend das Niveau der Kommunalpolitiker, nunja, das ist allgemein schlimm, also keine regionale Besonderheit. Siehe U-Bahnbau. Sigmar Gabriel ist Vorsitzender der Partei, die einst im Ruhrgebiet ihre sichersten Wahlkreise hatte, im Norden von Essen und Duisburg. Günter Schluckebier (der hiess wirklich so) und Peter Reuschenbach hatten Ergebnisse nah an 70%. Das sind heute AfD-Hochburgen. War es das, was bei der Sparpolitik rauskommen sollte?

Jetzt, wo das sowas von vorvorgestern ist, versucht sich Gabriel in China als Autokanzler. Er soll die deutschen Autokonzerne retten, die vor Schreck erbleichen und erstarren, weil die chinesische Regierung in den nächsten Jahren Quoten für Elektromobilität festlegen will. Das ist eine schreckliche Überraschung für den industriellen Kern Deutschlands: die Erde dreht sich tatsächlich weiter. Wie konnte es dazu kommen?

Die deutsche Außenwirtschafts- und Haushaltspolitik ist so vernagelt, dass sie die strategischen Ränder ihres Imperiums selbst abstösst. Nach Griechenland macht es Schäuble jetzt bisweilen höchstpersönlich mit Portugal. In Washington,London und Paris weiss man nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll. Sicher ist, dass man in Beijing ein Schmunzeln nicht wird vermeiden können.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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