Beueler-Extradienst

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Sportfernsehen von Abwechslung bis Zumutung – Hauptsache teuer!

Mir war langweilig. Ich habe am verregneten Wochenende mal lang Glotze geguckt und überall durchgezappt – natürlich nur bei den Öffentlich-Rechtlichen, denn den anderen Mist tue ich mir mit Ausnahme von Formel 1 – RTL nicht an – und musste leider mal wieder feststellen, wo unsere Fernsehgebühren versickert sind: Bei den mafiösen Organisationen von DFL und dem internationalen Leichtathletikverband. Aber gestern geschah ein großer Durchbruch: Borussia Mönchengladbach steht auf dem ersten Tabellenplatz der Bundesliga. Gratuliere, Martin! Weil ich hier ja nicht über Fußball schreiben darf, nutze ich Martin Böttgers Pause brutal und hinterhältig aus.

Ich sehe es wirklich als Abwechslung, dass nach 6 Jahren Pause die Heimatstadt von Harald Frentzen und Nico Hülkenberg mal wieder Tabellenführer ist. Natürlich nur, weil nicht zuletzt der 1.FC Köln so großzügig war, zu verlieren und ihnen 3 Punkte zu schenken, aber ich gestehe, dass ich mit Freude und Genugtuung wahrnehme, dass nicht die Konzerne Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig da vorn stehen und hoffe, dass das noch länger so bleibt. Von diesem erfreulichen Ergebnis komme ich gleich auf die In-Vitro-Leichtathletikweltmeisterschaften – ein Retortenereignis des Sportkapitalismus besonderer Qualität: Rücksichtslos, geldgeil und sexistisch wie die Männer auf der Funktionärs- und Ehrentribüne.

Auf Kosten der Athlet*inn*en und zu nichts nutze: Außer den größenwahnsinnigen Funktionären des Leichtathletikverbandes, die es wohl an Korruption und Geldgier mit dem IOC aufnehmen möchten. Sie gefährden ohne Rücksicht auf massenhafte Kreislaufkollapse und vielleicht dauerhafte Schäden die Gesundheit der Athlet*inn*en, indem sie sie abwechselnd Wüstenhitze – und Nachtkälte sowie den unendlich fossile Energie verschwendenden klimatisierten Sportstätten aussetzen. Keine Zuschauer außer ein paar Hundert Hardcore-Fans und einige wenige despotische Ölbonzen sowie einige tausend zwangsrekrutierte Passanten, Bauarbeiter und sonstige Mietsklaven – eine sportliche Farce. Hut ab vor den trotzdem erfolgreichen Athlet*inn*en, die trotzdem an den Start gingen. Ein sexistischer Skandal, Kameras in den Startblöcken, die Frauen und Männer in den Schritt filmten – der Veranstaltungsort und die Durchführung eine einzige Zumutung!

Aber Millionen aus den Öffentlich-Rechtlichen Etats wurden ausgegeben, um diesen Schwachsinn hier zeigen zu können. Ich konnte am Freitagabend die Krimis im ZDF deshalb nicht sehen. Am Samstag nölte Doha die ARD zu und am Sonntag wieder das ZDF. Dies und der Fußball führen dazu, dass die ÖR-Programme von Wiederholungen und Billigsendungen strotzen: Endlose Wiederholungen von “In aller Freundschaft”, ganztägige Zoosendungen in endlosen Wiederholungen in allen 3. Programmen, (solche Langweiler haben 1970 in USA schon Apollo 13 aus dem Programm verdrängt, bis es zur Katastrophe kam), Talkshows, Landschaftssendungen und selbst auf Phoenix und ARTE nur noch Wiederholungen. Harmlos, langweilig, desinformativ. Weil kein Geld mehr für Journalismus übrig ist. Was ist der Hintergrund an den Vorgängen um die Ukraine?

Wieso kann Erdogan unter den (geschlossenen) Augen der Weltöffentlichkeit schon wieder ein Gemetzel an den YPG-Kurden vorbereiten, jenen Helden, die die Jeziden gerettet und den IS für den Westen am Boden niedergekämpft haben? Warum klärt niemand die Hintergründe auf, wie Erdogan die Gunst der Stunde und “Milde” Seehofers auszunutzen gedenkt? Wieso recherchiert kein Team von Auslandskorrespondenten von ARD und ZDF der US-Politik hinterher? Welches sind die Ursachen der Proteste im Irak? Welche Themen besprechen Verdi und IG Metall inhaltlich? Es scheint, es sei kein Geld übrig bei ARD und ZDF, um eine solide journalistische Aufklärungsarbeit zu gewährleisten. Tja, DFL und Leichtathletik haben halt nicht mehr viel vom Etat übrig gelassen. Ach ja und der Rest geht in den ZDF Fernsehgarten…

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Martin Böttger

    FC-Fans sollten nicht dem Irrglauben anhängen, ich sei nicht mehr handlungsfähig! Lest die Tabelle, die lügt nicht.
    Ich empfehle zum Weiterlesen der angesprochenen Themen:
    USA/Ukraine: https://jungle.world/artikel/2019/40/korruption-und-feindschaft
    Irak-Proteste: https://www.heise.de/tp/features/Irak-Proteste-eskalieren-4546646.html
    Erdogan gegen Kurd*inn*en: https://www.heise.de/tp/features/Von-Afrin-bis-nach-Deir-ez-Zor-Der-tuerkisch-sunnitische-Guertel-4546587.html
    Nächsten Sonntag spart übrigens die ARD eine Tatort-Erstausstrahlung ein, obwohl sie doch Geld spart, weil RTL die teuren Länderspiele gekauft hat. Die ARD, die sonst den Sonntagabend quotenstrategisch beherrscht, rollt dafür den Roten Teppich aus und legt sich mit einer Wiederholung auf den Rücken – für ein Spiel gegen Estland.

  2. Der Maschinist

    Mein lieber Herr Gesangsverein… Roland: Das du selbst im fortgeschrittenem Alter noch nicht genug davon hast, anderen Männern dabei zuzuschauen wie sie mit vollkommen sinnloser Geschwindigkeit im Kreis herumfahren, sei dir nachgesehen. Ich war auch mal jünger und das eine Highlight des Jahres war der damals vom ÖR-TV übertragene Grand-Prix von Deutschland. Das war dann lange auch das einzige Rennen, was es in voller Länge live zu sehen gab. So habe ich den Unfall Niki Laudas auch nie vergessen. Damals war ich 11 Jahre alt… und schon damals wusste ich, das Walter Röhrl vermutlich der bessere Autofahrer war… doch darum ging es dir ja nicht.

    Doch dass du Niko Hülkenberg (Emmerich) nach Mönchengladbach verortet hast, dass könnte möglicherweise zu nachbarschaftlichen Zerwürfnissen am Niederrhein führen und sollte richtiggestellt werden. Vermutlich hast du ihn schlicht mit Nick Heidfeld verwechselt.

    Eigentlich hätte ich bei deiner berechtigten “Würdigung” öffentlich-rechtlichen Versagens und der sportpolitischen Hintergründe der internationalen Sportverbände und ihrer Wettkampf-Vergaben an Oligarchen und Regime für welche Menschenrechte sicher kein Wettbewerbsfaktor sind, wirklich nicht erwartet, wie unkritisch du den auch ökologisch nicht weniger haarsträubenden PS-Zirkus vor genau den selben Hintergründen tatsächlich als “Alternative” anführst…

    https://www.faz.net/aktuell/sport/formel-1/das-formel-1-rennen-in-sotschi-ist-putins-prestigeprojekt-14990645.html

    Kai Ebel stammt übrigens auch aus Mönchengladbach… das macht es wirklich nicht besser!

    (PS.: Schön das Martin sich seine Handlungsfähigkeit bewahrt hat!)

  3. Roland Appel

    Naja Emmerich oder Mönchengladbach – das sind doch bürgerliche Katagorien! Aber Du hast recht ich hab die beiden velwechsert. K.E. erwähne ich mit Rücksicht auf die arme Stadt nicht.

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