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Wo ist eigentlich Heiko Maas ? (III)

Die Situation in Syrien schreit nach diplomatischen und flüchtlingspolitischen Initiativen. Die Flüchtlinge, die Erdogan mit Bussen an die Südgrenze der EU karren liess, wurden zu Geiseln genommen, ohne dass die EU irgendwelche Mittel dagegen ergreift. Sie wurden aus sicheren Flüchtlingsunterkünften von einem skrupellosen Regime als Geiseln missbraucht und in die Irre geführt. Die Kriegssituation in Idlib – hunderte km weiter südlich – bedeutet, dass hunderttausende Zivilpersonen gefährdet sind, weil Zehntausende von islamistischen Terroristen, die sich in die Region zurückgezogen haben, sich verständlicherweise der Verfolgung entziehen möchten. Schätzungen zufolge leben Zehntausende Rebellenkämpfer und Dschihadisten in dieser Provinz.

Die stärkste Gruppe ist Hajat Tahrir al-Scham, die aus dem Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front hervorging. Andere Milizen schlossen sich unter dem Dach der “Nationalen Befreiungsfront” zusammen. Allesamt fanatisierte Islamisten, die Jugendliche in ihren Reihen haben, schon Kinder an der Waffe ausbilden, und auch nicht zögern, Selbstmordattentäter auszubilden. Darunter sind Islamisten, Überläufer der Armee und ehemalige bewaffnete Oppositionelle. All diese werden von Saudi-Arabien, Quatar, den Vereinigten arabischen Emiraten, Ägypten und vor allem von Erdogan vor Ort unterstützt. Darüber hinaus hat Erdogan dafür gesorgt, dass zehntausend IS-Kämpfer und ihre Familien, die von der kurdischen YPG in Flüchtlingslagern interniert wurden, sich inzwischen wieder auf freiem Fuß befinden. Das Problem ist also, dass es sich bei Idlib um eine Region mit hunderttausenden zivilen Flüchtlingen und zehntausenden islamistischen Terroristen handelt.

Die oberste Aufgabe nach Herstellen eines Waffenstillstandes wäre also, zum einen humanitäre Hilfe für die Zivilpersonen und ein Festsetzen und eine Festnahme der Terroristen zu ermöglichen, um sie vor Gericht zu stellen und über ihr weiteres Schicksal zu entscheiden. Aber dies findet bisher nicht statt. Stattdessen gibt es einen Waffenstillstand zwischen Erdogan und Putin, bei dem die UNO als neutrale Institution außen vor bleibt. Martin Böttger hat die richtige Frage gestellt, wo eigentlich der amtierende Außenminister Maas bleibt. Der hat dann Freitag Nachmittag die Ergebnisse des EU-Gipfels der Außenminister referiert, die mehr als bescheiden sind. Im Deutschlandfunk erklärte er, warum mehr als 100 Millionen Euro Soforthilfe beim Treffen nicht herausgekommen ist und man ansonsten die Abschottung und Asylrechts”aussetzung” weiter unterstützt. Und warum er im UN-Sicherheitsrat nicht einmal probiert, eine Lösung herbeizuführen.

Da taucht nicht zum ersten Mal die Frage auf, ob wir eigentlich noch einen Außenminister oder einen Amtsversager Maas haben. Warum bringt ein Außenminister des Sicherheitsratsmitglieds Deutschland nicht die aktuelle Lage im UNO-Sicherheitsrat zur Sprache? Im Sicherheitsrat,  der als einziger eine Schutzzone in Idlib beschließen könnte, die dann von neutralen UNO-Truppen zu sichern wäre. Das wäre verbindlicher, als wenn Erdogan und Putin irgendwas vereinbaren, an das sich Assad und die islamistischen Terrorbanden nach Gutdünken halten oder nicht. Maas erklärt die Erfolglosigkeit der Bemühungen mit der ewigen Blockade der anderen. Wie wäre es, wenn ganz andere Gründe, die er einfach nicht benennt, den Ausschlag geben?

Betrachten wir es einmal bewusst spekulativ vom Ziel her: Eine UNO-Schutzzone wäre die einzig wirkungsvolle Möglichkeit, die islamistischen Terroristen zu entwaffnen und ihre Anführer vor den internationalen Gerichtshof in den Haag zu stellen. Eine rechtsstaatliche und mit dem Völkerrecht vereinbare Lösung. Die aber einige Beteiligte fürchten müssen, wie der Teufel das Weihwasser.  Denn das könnten weder Erdogan, noch die USA, noch Saudi-Arabien und Quatar wollen. Weil bei diesen Verfahren möglicherweise ans Licht käme, wer diese Freischärler ausgebildet, ideologisch geschult, bezahlt, mit Waffen ausgerüstet und losgelassen hat. In einem solchen Verfahren würden zwangsläufig Dokumente, Satellitenbilder der USA und Russlands, sowie die “Tornado”-Aufklärungsdaten der Bundeswehrflüge beigezogen. Weder die Freischärler und Terroristen, die ihre Mörser mit Vorliebe in Schulhöfen aufstellen und sich in Kindergärten und Krankenhäusern verschanzen, noch die Truppen von Assad, die dieselben bombardieren, würden danach ungeschoren davon kommen.  Letzteres wäre auch nicht im Interesse Russlands.

Da also offensichtlich eine UN-Lösung zwar der Zivilbevölkerung Frieden bringen könnte, aber genau den Dreck aufwirbeln würde, den alle Seiten in diesem Krieg am Stecken haben, wird klar, warum es sie vermutlich nicht geben wird. Gleichwohl könnte Deutschland als Noch-Sicherheitsratsmitglied wenigstens versuchen, diese Interessenlagen offenzulegen und zumindest Europa aus diesem schmutzigen Interessenkonflikt heraus zu halten. Deutschland stünde nicht allein, gehören doch auch temporär Belgien sowie Frankreich als ständiges Mitglied drei EU-Mitglieder dem Sicherheitsrat an. Aber dafür müsste vor allem die Achse Bonn-Paris noch funktionieren. Die aber hat die GroKo und der Ausfall Maas durch Kooperationsverweigerung mit Macron brechen lassen. Angela Merkel hat genug zu tun mit ihrer eigenen Partei. Da ist verständlich, dass sie nicht noch für den Ausfall im Auswärtigen Amt kompensatorische Maßnahmen trifft. Das ist fatal für Deutschland, fatal für die EU in der Flüchtlingskrise und letztlich auch ein Totalausfall für die SPD.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Helmut Lorscheid

    Stimmt, wo Du es schreibst, der Heiko Dings ist ja immer noch Außenminister. Ist wahrscheinlich viel in Saarbrücken, da merkt ihn kieiner, aber da kennt man ihn. Die Saarländer sind immer stolz auf ihre Bundespolitiker. Jedenfalls diesen hier nenne ich immer “Außenminister Leeres Hemd” Da habe ich mich an indianischen Namen orientiert. Springener Hirsch wäre mir aber zu vital gewesen. “Leeres Hemd” diese liebevolle Beschreibung zeigt auch seine ganze Relevanz auf. Der kleine Mann fällt nicht nur nicht auf, er spielt auch kene Rolle und was er sagt, ist egal. Umsetzen tut der ohnehin nichts. Eigentlich braucht den keiner, aber es sagt ihm leider niemand. Der ist mehr so eine Art “Minister-Komparse”. Kleindarsteller.

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