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26 Prozent als Mehrheit?

Im Zusammenhang mit einer Recherche für Telepolis zu den von Mehr Demokratie e.V. organisierten Bürgerräten, habe ich mir die Biografie einiger Bundestagsabgeordneter näher angeschaut und dabei einen Blick auf Wahlkreis-Ergebnisse geworfen. U.a., weil sich einer der nächsten Bürgerräte mit der Wahlrechtsreform befassen soll.
Bürgerräte sind eine per Zufall, nämlich Auslosung, zustande gekommene Gruppe von 160 Personen, die sich mit Themen befassen, die ihnen vom Ältestenrat des Bundestags vorgegeben wurden. In der vergangenen Woche tagte einer dieser Bürgerräte zum Thema “Die Rolle Deutschlands in der Welt”, 2019 gab schon mal einen zur “Demokratie”.
Fest steht, diese 160 Personen im Bürgerrat sind weitaus näher an der Bevölkerung, als dies ein Bundestag jemals schaffen würde. Dort gab es keine Teilnehmer, die, wie viele insbesondere junge Bundestagsabgeordnete von der Politik leben – und nicht für die Politik. Diese Menschen im Alter von 16 bis 90 stellten tatsächlich einen Querschnitt der Bevölkerung dar.
Wie erwähnt, mehr darüber demnächst in Telepolis. Zu den Wahlergebnissen, interessant, weil ja eine Wahlrechtsreform aussteht, und wir in diesem Jahr wieder einen Bundestag wählen. Ich habe mich mit den Erststimmen befasst und meine Meinung geändert. Denn bisher dachte ich, auf die direkt gewählten Abgeordneten könne man nicht verzichten, schließlich haben sie ja als einzige das persönliche Votum der Wahlberechtigten erhalten. Das, so meine bisherige Überzeugung, könne man doch nicht umgehen.
Wenn ich mir aber anschaue, dass etwa in Berlin Kandidaten mit deutlich unter 30 Prozent Stimmenanteil in den Bundestag gewählt wurden, kommen mir ernsthafte Zweifel. 30 Prozent bedeuten doch, dass eine deutliche Mehrheit von 70 % diesen Menschen nicht im Bundestag sehen wollte. Die jetzige Wehrbeauftragte Eva Högl erhielt in ihrem (075) Berlin Mitte gerade mal 23,5 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug 73,2 %. Eva Högl erhielt 35.036 Stimmen, selbst die Zahl der Nichtwähler war höher, sie betrug 55.294, war also deutlich höher als die der Högl-Wähler.
Im früheren “Ströbele”-Wahlkreis Kreuzberg (083) Friedrichshain-Kreuzberg kam Canan Bayram (Grüne) mit 26,3 % ins Parlament, in Zahlen 45.055 Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 77,6%, bei 50.138 Nichtwählern
Ich finde, das sollte bei der hoffentlich bald stattfindenden Wahlrechtsreform beachtet werden. Ich meine auch, das neue Wahlrecht sollte nicht vom Bundestag allein – dieser “Betroffenenversammlung” – ausgearbeitet werden.

3 Kommentare

  1. Heiner Jüttner

    Die Aussage, dass jemand, der bei der Wahl 30 % Stimmen erhält, von 70 der Wähler/innen nicht im Bundestag gesehen werden möchte, ist falsch. Dies Ergebnis besagt nur, dass 70 % lieber eine andere Person im Bundestag gesehen hätten. Die einen den X, die anderen den Y und die Dritten den Z. Erinnert Euch mal an den Straßenfußball in unserer Jugend, wenn zwei Mannschaften gewählt wurden: Wer beim ersten und zweiten Durchgang nicht genommen wurde, war vielleicht beim dritten Mal willkommen.

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