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Spahns Resterampe

Alle Welt erregt sich über den Mangel an Impfstoff. Nun stellt sich heraus: An jedem Impftag bleibt ein Rest der knappen, schnell verderblichen Ware übrig, der anderentags nicht mehr zu gebrauchen ist. Dieser Missstand empört vor allem Menschen, die auf die Impfung warten. – Es ist das erste Kapitel des Skandals.

Regel vergessen

Statt die Impfungen so zu organisieren, dass kein verderblicher Rest anfällt, wurde er in neun Bundesländern zweckentfremdet. Es wurden mit den Resten Personen aus Gruppen geimpft, die nach der Verordnung des Bundes noch gar nicht an der Reihe sind. – Das ist das zweite Kapitel des Skandals.

Es kam zustande, weil die Verordnung von Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) keinen Passus enthält, der regelt, wie die Impfzentren mit überschüssigem Impfstoff umgehen sollen. Dabei war im Vorhinein klar, dass Reste anfallen konnten. – Das ist das dritte Kapitel des Skandals.

Aus dem Blick verloren

Spahn hat offenbar geschlampt – wieder einmal. 2020 war er als Vorsitzender der Konferenz der EU-Gesundheitsminister daran beteiligt, dass Europa zum Impfstart so wenig Impfstoff parat hat.

Nun stellt sich heraus: Spahn verlor nicht nur die Produktion und den Bezug der Impfstoffe aus dem Blick. Der Minister sorgt auch bei der Verteilung für Probleme, diesmal mit einer löchrigen Verordnung.
Keine Reue empfunden
Das Spahn-Loch wurde für Impfungen außerhalb der festgelegten Reihenfolge genutzt, bei Managern, Polizisten, Feuerwehrleuten, einem Bischof und vielen Kommunalpolitikern. Ausgerechnet jene, die dafür sorgen sollen, dass der Impfstoff ordnungsgemäß verwendet wird, missbrauchten ihn: Landräte, Bürgermeister, Oberbürgermeister. – Das ist das vierte Kapitel des Skandals.

Vielen Übeltätern ist kein Grund zu schäbig, ihr Vergehen zu rechtfertigen. Einige haben sich kleinlaut entschuldigt. Andere scheinen daran nicht zu denken und keine Reue zu empfinden. – Das ist das fünfte Kapitel des Skandals.

Handlungsbedarf eingeräumt

Seit Wochen häufen sich Meldungen über diesen Missbrauch. Spahn duckte sich weg, so als hoffte er, der Skandal könnte bei den Gesundheitsministern der Länder landen. – Das ist das sechste Kapitel des Skandals.

Seit das Handelsblatt die Missbrauchsfälle auflistete, lässt sich der Missbrauch nicht mehr übersehen. Nun räumt auch der Minister Handlungsbedarf ein. Er will sein Versäumnis nachbessern, Sanktionen gegen Vordrängler prüfen und mit den Ländern bereden, wie der Umgang mit Impfresten verbindlich zu regeln wäre. – Das ist das siebte Kapitel des Skandals.

Auf Bestellung geliefert

Um sein Versäumnis zu beheben, braucht Spahn keine große Staatsaktion. Er müsste seinen Blick nur den Bundesländern zuwenden, die mit den Impfstoffen vernünftig umgehen. Ihre Impfzentren führen Wartelisten von Impfberechtigten. Sie kommen zum Zuge, wenn Impfstoffe am Ende des Tages überbleiben.

Mancherorts ist man auch so klug, Impfreste gar nicht erst zu erzeugen. Dort wird nur 90 Prozent des Bedarfs an Impfstoff vorgehalten. Der Rest wird auf Bestellung hergestellt und geliefert, wenn klar ist, wie viele Dosen tatsächlich noch gebraucht werden.

An Korruption gedacht

Fragen sich die Mandatsträger noch, was die Bürger über diese Vorgänge denken mögen? Während die Gewählten sich selbst bedienen, hocken ihre Wähler seit Wochen in Lockdown und müssen noch Monate warten, bis sie mit ihrer Impfung an der Reihe sind.

Kann man solchen Bürgern verübeln, dass ihnen beim Impfstoffmissbrauch der Mandatsträger unwillkürlich die Stichwörter „Selbstbedienung“, „Korruption“ und „Mafia“ einfallen?

Für Bestechung zugänglich

Wer sich am Impfstoff rechtswidrig bedient, setzt sich dem Verdacht aus, auch für Bestechung zugänglich zu sein. Ob die Vordrängler das bedacht haben? Belangt wurde bisher keiner. – Das ist das achte Kapitel des Skandals.

Die Länge des Lockdowns sorgt für zunehmenden Unmut. Entfacht haben ihn die Ministerpräsidenten, die im Herbst 2020 den Lockdown hinauszögerten und dem Land mit der trägen Reaktion die lange zweite Coronawelle bescherten.

Den Namen merken

Der Unmut wuchs, als klar wurde, dass Politiker für den Impfstart zu wenig Impfstoff besorgt hatten. Der Unmut nahm noch zu, als die Senioren und ihre Angehörigen merkten, dass viele Bundesländer die Impftermine stümperhaft organisiert hatten.

Nun hat Unmut den nächsten Höhepunkt erreicht: Politiker, die gewählt wurden, um dem Gemeinwohl dienen, bedienten sich selbst. – Hilflos ausgeliefert sind die Bürger solchen Politikern nicht. Demnächst wird es wieder Wahlen geben. Wie viele Wähler werden wohl nach der Devise vorgehen: den Namen merken und dann abwählen?

Über Ulrich Horn (Gastautor):

Begonnen hat Ulrich Horn in den 70er Jahren als freier Mitarbeiter in verschiedenen Lokalredaktionen des Ruhrgebiets. Von 1989 bis 2003 war er als Landeskorrespondent der WAZ in Düsseldorf. Bis 2008 war er dann als politischer Reporter in der Essener WAZ-Zentralredaktion tätig. Dort hat er schon in den 80er Jahren als Redakteur für Innenpolitik gearbeitet. 2009 ist er aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden. Seine Beiträge im Extradienst sind Crossposts aus seinem Blog "Post von Horn". Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe an dieser Stelle.

2 Kommentare

  1. Gernot G. Herrmann

    Das ist ein völlig überflüssiger Artikel – vom Neid induziert. Um das beschriebene Übel “Missbrauch überzähliger Impfdosen” zu bekämpfen, werden jetzt allerorts Ethikkomissionen gebildet. Wenn in Zukunft vier Impfdosen um 17:40 nicht verimpft sind, das Impfzentrum aber um 18:00 Uhr schließt, gehen diese Dosen an die Ethikkommission, die innerhalb der nächsten 72 Stunden zusammmentritt und innerhalb der darauf folgenden 72 Stunden entscheidet. Währenddessen wiehert die ganze Zeit der Amtsschimmel und inspiriert Ulrich Horn zu einem neuen Artikel. Aber, man gönnt sich ja sonst nix.

    • Ulrich Horn

      Ich verstehe Ihren Kommentar nicht. Helfen Sie mir. Worauf sollte ich neidisch sein? Und was hat es mit den Ethikkommissionen auf sich, die jetzt allerorts gebildet werden?

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