Beueler-Extradienst

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Ewige Amigo-Strukturen ändern!

Mindestens zwei Bundestagsbgeordnete der CDU/CSU haben illegal und illegitim an Masken verdient. Zu einem Zeitpunkt, als FFP 2-Masken praktisch nicht zu bekommen waren.  10,50 € sollte das Stück kosten, von einem Schweizer Händler und die Töchter der CSU-Amigos, Georg Tandler und Franz Josef Strauß, Andrea Tandler und Monika Hohlmeier waren in die Geschäfte verstrickt. NRW kaufte zu dieser Zeit eine Charge Masken für 1,15 € pro Stück, anschließend die Tandler-Masken für € 9,90 pro Stück. Verdient haben außerdem die Abgeordneten Nüßlein und Löbel, die für die Vermittlungen jeweils 650.000 und 200.000 € kassierten. Philipp Amthor war 2019 durch seine Tätigkeit für eine Dubiose US-IT-Firma, die engste Kontakte zur rechten US-Szene und Ex-Verfassungs”schützer” Maaßen hatte, aufgefallen – weil er für seine Lobbydienste nicht mit Bargeld, aber mit einem  ähnlich schweren Aktienpaket belohnt worden war. Und dann gibt es da noch bisher drei bekannte CDU-Abgeordnete, die auf der Soldliste der Regierung von Aserbaidschan stehen sollen, die die Meinungsfreiheit unterdrückt, Lesben und Schwule willkürlich verhaftet, und laut Amnesty International auch mordet. Einer aus Thüringen ist am Donnerstagabend unter dem Absingen von Unschulds-Arien zurückgetreten. Leben wir in der Bananenrepublik Deutschland?
Lobbyismus ist legitim, Bestechlichkeit eine Straftat
Von Beginn an der Geschichte der Bundesrepublik hat es derartige Affären gegeben. Einer Ihrer Begründer war zweifellos Franz-Josef Strauß, der für die Beschaffung des Schützenpanzers HS 30 und des F 104 Starfighter die Hand aufgehalten hat. Jürgen W. Möllemann war jahrzehntelang in Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien und anderen Ländern verstrickt, für die er kassierte – um nur zwei Namen zu nennen. Um keine falschen Schlüsse aufkommen zu lassen: Ich habe nichts dagegen, dass sich Abgeordnete auch für Interessen von Unternehmen einsetzen. Das ist sogar ihre Aufgabe, für die sie gewählt sind. Ich selbst bin, damals Fraktionsvorsitzender der Grünen NRW, als bei der Firma Karmann in NRW einige hundert Arbeitsplätze in Gefahr waren, zu Jürgen Hubbert, Chef von Mercedes-Benz  gefahren und mit der Versicherung zurückgekommen, dass Daimler die Cabrio-Dächer der Sportwagen weiter bei Karmann bauen ließe. Und natürlich habe ich mich als Bonner Abgeordneter für die ansässige Firma Solarworld eingesetzt. Aber ich dachte immer, ich bekomme deshalb Diäten, weil ich genau diesen Job mache und um dabei unabhängig zu bleiben und frei von Interessen zu entscheiden.

DNA der CDU/CSU

Die erwischten Herren Abgeordneten haben einfach ihr Amt mißbraucht und sich bestechen lassen. Da hilft meines Erachtens auch nicht der Hinweis des Abgeordneten Nüßlein, es sei ja “nur” seine Firma, eine GmbH, gewesen, die die Rechnung über 600.000 Euro gestellt und kassiert habe. Ich habe auch nichts dagegen, wenn Abgeordnete für Unternehmen Türen in der Politik öffnen. Das gehört zu ihrer Stellenbeschreibung als Volksvertreter. Aber dafür bekommen sie Diäten, alle die gleichen, und es ist ein Unding, sich dafür extra bezahlen zu lassen. Das ist Bestechlichkeit. Dass die CDU/CSU nun so tut, als ob das die Fraktion völlig überrascht habe, ist schlichtweg unglaubwürdig. Es gehört traditionell zur DNA der CDU/CSU, Politik und Geschäfte miteinander zu verquicken. Bei der FDP ist das in vielen Fällen nicht anders. (Übrigens: im Sprachtest für Ausländer lautet eine der Multiple-Choice-Antworten auf die Frage nach der Bedeutung des Kürzels CDU: Club Deutscher Unternehmer! [WITZIG])

Diäten verdoppeln, alle Nebentätigkeiten verbieten

Lobbyismus ist realpolitisch nicht verbietbar, aber diese Art von Geschäfte von Abgeordneten müssen aufhören. Und das werden sie nur, wenn Nebentätigkeiten grundsätzlich verboten werden. Dafür sollten meines Erachtens die Diäten ruhig verdoppelt werden – die Politiker*innen sind für das, was sie in der Regel leisten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, viel zu schlecht bezahlt. Und es ist ein populistisches und antidemokratisches Vorurteil, sich über die “Kosten der Parlamente” zu mokieren. Oder darüber, wieviele Abgeordnete es gibt, oder was Wahlen kosten. Das ist purer Populismus. Diktaturen sind weitaus teurer, weil sie Grundrechte, Freiheit und Menschenleben kosten. Auch Verwaltungen und Beamte kosten ein Vielfaches der Parlamente – und sie sind den Abgeordneten, zu deren Aufgaben auch die Kontrolle der Exekutive gehört, haushoch überlegen, was Informationsvorsprung, Lobbyeinfluss und Bürgerferne anbelangt.

An Abgeordneten zu “sparen” wirkt sich zum einen auf die Qualität derer aus, die sich diese Jobs antun.  Denn wer als Handwerksmeister*in, Kleinunternehmer*in oder Anwält*in gut verdient, überlegt es sich heute drei oder viermal, sich ein Parlamentsmandat anzutun. Deshalb reproduziert sich das Parlament immer mehr selbst, werden aus geschmeidigen Mitarbeiter*innen und mittelmäßigen Assistent*innen Abgeordnete. Zum anderen geht es neben der Attraktivität des Berufsbildes um die Sicherung wirklicher Unabhängigkeit. Die Unabhängigkeit von Entscheidungen der Abgeordneten hängt entscheidend davon ab, wie stark und materiell abgesichert ihre Position ist. Es ist populär, nichtsdestowenig populistisch, zu beklagen, Abgeordnete würden sich an zu hohen Diäten bereichern. Dabei wird vergessen, dass es heute längst darum geht,  dass sie den Verlockungen, sich zu bereichern, widerstehen. Zu niedrige Diäten fördern geradezu den Typ Berufspolitiker, der vom Parlament lebt, weil er oder sie sich nach zwei, drei Legislaturperioden einen Start in einen anderen Beruf finanziell gar nicht mehr leisten kann. Oder auf Lobbygelder und Versorgungsposten angewiesen ist.

Die Unabhängigkeit von Abgeordneten stärken

Direkt gewählte Abgeordnete handeln freier und selbstbewusster, als über Landeslisten mandatierte. Mein Lieblingsbeispiel ist Hans-Christian Ströbele, der unbeugsam gegen Kriegseinsätze und für Bürgerrechte – auch gegen seine Partei in der Regierung abstimmte, weil er seinen Wahlkreis direkt gewann.  Die Berliner “Realo”-Grünen hätten ihn da längst nicht mehr auf die Landesliste gesetzt. Das gilt auch für den subtilen Parteieinfluss. Nahezu alle Parteien fordern von ihren Abgeordneten sogenannte “freiwillige Spenden”. Wie “freiwillig” diese Spenden sind, wird deutlich, wenn in Finanzberichten der Parteien die Beträge aufgelistet sind, die “freiwillig” gespendet worden sind, oder gar – wie im Falle der Grünen NRW – die angeblichen “Schulden” bei Listenaufstellungen für die Parlamente parteiöffentlich per Aushang als Pranger fungierten, um damit Stimmung zu machen und die Listenreihenfolge zu beeinflussen. Von den Betroffenen redet niemand öffentlich, alle aber fluchen hinter vorgehaltener Hand darüber – aus Furcht vor dem nächsten Parteitag. Solche Praktiken gibt es in unterschiedlicher Ausprägung in allen Parteien, obwohl dies aufgrund der Unabhängigkeit und Gewissensfreiheit der Abgeordneten nach Artikel 38 Grundgesetz verfassungswidrig ist.

Lobbyregister und Transparenz von Berater*innen

Des weiteren bedarf es dringend eines aktuell geführten Lobbyregisters und der Verpflichtung des Bundestages zur Veröffentlichung der Namen aller Personen aus Verbänden und Organisationen, Lobbyisten und Berater*innen, denen im Auftrag von Fraktionen oder Abgeordneten dauerhaft Hausausweise ausgestellt wurden. Das fordere ich ausdrücklich als langjähriger Lobbyist und Berater. Gegen ein Verbot der Nebentätigkeit von Abgeordneten wird gerne eingewandt: Ja, da wird ja kein Unternehmer, Handwerksmeister, Arzt oder Anwalt mehr für ein Parlament kandidieren. Ich halte dies für vorgeschoben. Die meisten Selbständigen der Rechts- Beratungs- oder Heilberufe, des Handwerks oder Eigentümer*innen von Unternehmen können sich sehr wohl für die Mandatsdauer Vertreter*innen in Kanzleien, Praxen oder Unternehmen holen, können ihre Anteile Familienmitgliedern übertragen. Hier könnte vielleicht gesetzlich nachgeholfen werden, geregelt auf Zeit wie etwa die Beurlaubung und Rückkehr von Angestellten im öffentlichen Dienst oder der Wirtschaft. Oder Treuhänder zu finden, die die Unternehmen im Sinne der beurlaubten Abgeordneten führen und darüber wachen, dass keine Geschäfte gemacht werden, bei denen, wie im Falle Nüßlein, Gewinne infolge von Abgeordnetentätigkeit erzielt werden.

Verspäteter, folgenloser Aktionismus

CDU und CSU wären nicht so bemüht, alle möglichen Aktionismen zu entfalten, wie die aktuell diskutierten “Selbstauskünfte” von Abgeordneten über Nebentätigkeiten, die in Zusammenhang mit ihrem Mandat stehen, stünden nicht Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vor der Tür. Wenn es Brinkhaus ernst wäre, die Verhältnisse wirklich zu ändern, gäbe es keine Schlupflöcher wie das, das die Liste des CDU-Fraktionsvorsitzenden lässt, indem auf den Zusammenhang mit der thematischen Zuständigkeit und der wirtschaftlichen Tätigkeit abgestellt wird. Der inzwischen vom Mandat zurückgetretene Abgeordnete Löbel etwa, Mitglied im Auswärtigen Ausschuß und zuständig für Rüstungskontrolle und Abrüstung, wäre von den Sanktionen der “Selbstauskünfte” gar nicht zwingend erfasst gewesen, weil er nicht im Gesundheitsausschuß oder damit verwandten Ausschüssen tätig war. Philipp Amthor wurde gerade erst auf Platz 1 der Landesliste Mecklenburg-Vorpommern zur Bundestagswahl gesetzt. Der Schaden, den diese Abgeordneten am ohnehin angeschlagenen Ansehen des Parlaments in der Corona-Krise angerichtet haben, ist noch gar nicht zu ermessen. Er betrifft nicht nur CDU und CSU, sondern letztlich das ganze Parlament und seine Glaubwürdigkeit und Integrität. Deshalb bedarf es einer gründlichen Aufarbeitung und tiefgreifender Veränderungen.

Endlich mehr Transparenz – auch für die Exekutive

Deshalb kommt es jetzt darauf an, durch eine grundsätzliche und billigem Populismus entgegen gerichtete Diskussion im Bundestag und in der Gesellschaft die Grundlagen zu schaffen, endlich Transparenz in die Lobbytätigkeiten von Abgeordneten, aber auch und vor allem der Regierung herzustellen. Denn Regierungspraxis ist es inzwischen immer häufiger, dass die Lobbyisten bereits lange, bevor ein Gesetz ins Parlament kommt, den Fachreferenten der Ministerien die Formulierungen von Referentenentwürfen in die Feder diktieren. Egal ob schon vor Jahren bei den EU-Grenzwerten für Abgase durch die Autokonzerne oder 2020 beim “Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen”, mit dem sich die bundeseigene Bundesdruckerei GmbH per Gesetz zum Monopolisten der Biometriebildaufnahme  machen lassen wollte.  Oder in der aktuellen Novelle zur “Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen” des Umweltministeriums: Während etwa ein Drittel der Feinstaubbelastungen in Städten inzwischen auf veraltete Holzheizungen zurückgeht, wäre es unabdingbar, diese durch Filter und Katalysatoren zu reinigen. Stattdessen sieht die Verordnung des BMU lediglich eine Erhöhung von Schornsteinen zur Verdünnung der Immissionen vor – hier haben wohl gleich mehrere Lobbyist*innen, von den Heizungsherstellern über “Haus und Grund” bis zu den Wohnkonzernen der zuständigen Referatsleitung auf dem Schoß gesessen.

 

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    Erst Möllemann? Was war denn mit Heinz-*Herbert* *Karry* . Im Wikipedia-Eintrag heißt es über ihn : Er war jedoch immer auch ein umstrittener Minister, der wiederholt in Wirtschaftsskandale verwickelt gewesen war, so in den Verkauf einer Waffenfabrik in das Krisengebiet des Nahen Ostens. 1981 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts von Schmiergeldzahlungen. Karry wurde in die Hoden geschossen, was bei einigen Nachrichtendiensten, u.a. dem MOSSAD eine Hinrichtungsart für Verräter sein soll. Das weder RAF noch revolutionäre Zellen etwas mit seiner Ermordung zu tun haben, ist genaus so klar wie bei Alfred Herrhausen, Karl Heinz Beckurts, Gero von Braunmühl und Detlev Karten Rohwedder.

  2. Roland Appel

    Lieber Helmut, EINSPRUCH! Heinz-Herbert Karry war sicher eine schillernde Persönlichkeit, aber er gehört in seiner Widersprüchlichkeit nicht in die Reihe korrupter FDPler, in die Du ihn stellst. Er war einerseits Radikaldemokrat, strikt gegen Berufsverbote, Verfechter der Gesamtschule (“1918 wurde das Dreiklassenwahlrecht abgeschafft, es wird Zeit, dass das Dreiklassen-Schulsystem abgeschafft wird” – Karry Originalton im Landtag) und hat die linken Jungdemokraten immer gegen alle Rechten in der FDP und die Julis beschützt. Er war Jude und wurde deswegen schon in den 50er Jahren diskriminiert und angefeindet. Der Mord an ihm war bestialisch und wenn auch bestimmt nicht durch die, denen die offizielle Version die Täterschaft bis heute angetragen wird – bis heute ungeklärt. HHK hat immer Personenschutz abgelehnt – das wussten wohl die Falschen. Im Buch “Grundrechte verwirklichen-Freiheit erkämpfen” habe ich seine Politik und seine Persönlichkeit näher beschrieben. Das ist überhaupt keine Exkulpierung, er war ein Wirtschaftsminister seinerZeit inclusive kleiner Tricksereien und Parteispenden – aber er verdient es einfach nicht, zu den korruptesten FDPlern gezählt zu werden – zumal der “Wikipedia” Eintrag keine belastbaren Quellen nennt.
    Namen wie Mende, Zoglmann, Kienbaum, Gattermann, Hans Friedrichs, Martin Bangemann und Karrys Nachfolger Richard Wurbs und ja, Walter Scheel, der als Ex-Bundespräsident in der Schweiz dubiose Geschäfte gemacht hat, gehören da ganz nach vorn.

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