Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Stürzende Männer

mit Update nachmittags
Reichelt, Tönnies, Stegemann, Rose
Viele was-mit-Medien-Leute grübeln, was beim sich-das-Maul-zerreissen über den Springer-Milizionär Julian Reichelt (Video 8 min) nun gerecht und ungerecht, sachlich und unsachlich sei. Wer diese Debatte in den Krieg der Geschlechter einordnet, kann gerne und noch lange weitergrübeln. Ich biete eine einfachere Erklärung. Jetzt ist März. Die ivw-Staistik über verkaufte Auflagen im 1. Quartal kann noch etwas dauern. Vielleicht ungefähr so lange, wie die gegenwärtig laufende Springer-interne Compliance-Untersuchung über Reichelt.
Sein Kampfauftrag war und ist, die sogenannte Zeitung Bild vor dem abkacken zu retten. Denn diese Marke ist das, was die Eigentümer*innen von Springer, also Frau Springer, Herrn Döpfner und den US-Investmentfond KKR reich macht, und das Kapital ins Haus schafft, das für den – bisher leidlich erfolgreichen – Umstieg des Verlagskonzerns auf digitale Einnahmequellen erforderlich ist. Reichelts bisweilen erratische Militanz hat dabei wenig geholfen und viel geschadet. Vor allem der verkauften Auflage von Bild. Bei der nächsten Veröffentlichung der ivw-Zahlen könnte sie (die “harte”: Abos + Einzelverkäufe) erstmals unter eine Million fallen. Hinweis für Jüngere: Anfang der 90er lag sie bei 5 Mio.
Ihre Relevanz hat die sogenannte Zeitung nur dadurch behalten, dass andere “seriösere” Medien, sei es aus Neid über den Verkaufserfolg, sei es weil sie genau so reaktionär gesonnen sind, sie als Agendasetter nutzten und respektierten. Diesem Rest an Relevanz hat Herr Reichelt objektiv ebenfalls mehr Schaden als Nutzen zugefügt. Frau Springer ist schon länger nicht amüsiert. Wenn Männerfreund und Nordkorea-Experte Döpfner ihn nicht mehr halten kann, wird er sich eine “neue Herausforderung” suchen müssen.
Es wäre ein kleiner Fortschritt für die demokratische Öffentlichkeit, und ein grosser Fortschritt für alle, die mit dem Kerl Umgang haben mussten.
Was es für die bedeutet, die gerne seine Nähe suchten – einige sehen Sie hier am Beginn von Böhmermanns ZDF-Show – dürfen Sie als Wähler*in selbst fantasieren.
Tönnies
Zu den Verkaufsabsichten des Tönnies-Clans gibt es eine informative Analyse von Jonas Jansen/FAZ.
Bernd Stegemann
Wie tief kann einer fallen? Der Dramaturg Bernd Stegemann galt mal als “Denker” der gescheiterten “Aufstehen”-Bewegung. Nun muss er sich beim Springerblatt Welt als Frauenhasser gegen Frau Stokowski offenbart haben. Wie Thanner einst zu Schimanski sagte: “Du stolperst noch mal über deinen Schwanz.”
Rose
Ich schreibe lieber vor dem “Topspiel des Abends”. Die schlechteste Mannschaft der Saison gegen die schlechteste Mannschaft der letzten sechs Wochen – sowas kann mann (die DFL) wahrlich nur dem doofen ZDF verkaufen. Marco Rose hat seinem Werk als Fussballlehrer bei Borussia Mönchengladbach selbst den Stecker gezogen, und trudelt nun im Wortsinne im Leerlauf aus. Der Verein könnte es überleben. Aber Rose wird vermutlich selbst grübeln, wie er aus der selbst gegrabenen Grube herauskommt. Im Vorjahr hat er die gleiche Mannschaft 8 Wochen an die Spitze der Liga gecoacht, und bringt es fertig, sie jetzt noch in Abstiegsgefahr zu trainieren (7 Punkte von den sicheren 40 entfernt). Wenn er damit fertig ist, wird ihn der BVB dankend als Cotrainer nach Leipzig oder Salzburg weiterleiten. Hat Rangnick eigentlich schon einen Co? S04 schaden erregt jedes schwarz-gelbe Herz.
Update nachmittags: zum Gelsenkirchener Elend hier eine realistische Beschreibung von Stefan Laurin/Jungle World. Den von ihm erwähnten “Schalker Markt” habe ich selbst bei diversen “Tour de Ruhrs” in den 80ern besichtigt. Den gibt es gar nicht wirklich. Der ist ein Medien-Fake.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. klemens roloff

    Ein Fleischkonzernchef, ein „Bild“-Journalist, ein Fußballtrainer – wer seit einiger Zeit den Beueler Extradienst liest, weiß, dass man bzw. frau um solche Figuren ein großen Bogen machen sollte. Doch jetzt wird auch ein Mann vom Theater in die unrühmliche Liste „Stürzender Männer“ aufgenommen: Bernd Stegemann.

    Ich kannte diesen Menschen, der als Hochschullehrer und als Dramaturg beim Berliner Ensemble tätig ist, bislang nicht. Bis vor vier Wochen: Da lud ihn am 20. Februar die Redaktion von WDR 3 „Gespräch am Samstag“ zu einem Interview ein, und ich hörte mir die Sendung (38 min) an. Anlass war das Erscheinen von „Die Öffentlichkeit und ihre Feinde“, in dem der Autor, Bernd Stegemann, sich über Sinn und Unsinn von Political Correctness und Grenzen der Meinungsfreiheit äußert. Das tat er – sehr klug und belesen argumentierend – auch im Interview mit WDR 3, und ich fand, dies sei ein Buch, das man/frau bei Gelegenheit lesen sollte.

    Nun hat auch die Tageszeitung „Die Welt“ Stegemann am 19. März 2021 Gelegenheit gegeben, sein Buch vorzustellen. Das Blatt, das für sein großes Herz für linke Themen bekannt ist, übertitelt denn auch den Stegemann-Beitrag verschmitzt mit „Woke ist das neue Links – Die Doppelmoral der Disneyland-Linken“. Aufmerksamkeit erregte der Beitrag noch am selben Tag beim Deutschlandfunk, der ihn sogleich in seine Kulturpresseschau aufnahm und den Kolleg*innen der Welt mit der warnenden Überschrift sekundierte: „Linke Denker beschäftigen sich mit den falschen Dingen“.

    Der Deutschlandfunk wird bekanntlich auch beim Beueler Extradienst gern gehört. Und so musste denn dort dessen Sidekick auf besonders fruchtbaren Boden fallen, in dem die – vom Extradienst geschätzte – „Spiegel“-Kolumnistin Margarete Stokowski erwähnt wird; Stegemann habe sie in seinem „Welt“-Beitrag „verhöhnt“. Tja, so sind sie, die Was-mit-Medien-Leute: Man kennt sich, man zitiert sich, man ist gern nachtragend.

    Hier der Link zum WDR 3 Gespräch am Samstag. 20.02.2021. 38:16 Min: https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-gespraech-am-samstag/audio-dramaturg-bernd-stegemann-zu-debattenkultur-100.html

    Auch Theaterleute, die Bernd Stegemann sicherlich schon länger kennen, haben das Erscheinen seines neuen Buches kritisch vermerkt:
    https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=19212:stegeman&catid=897&Itemid=100190

    Und auch die „Süddeutsche“ nimmt sich am 19.3.2021 des Berliner Dramaturgen und Theaterwissenschaftlers an: https://www.sueddeutsche.de/kultur/bernd-stegemann-oeffentlichkeit-und-ihre-feinde-woke-1.5236042?reduced=true – leider hinter Paywall versteckt.

    • Martin Böttger

      Danke für diese belesenen Hinweise.

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