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Gegen das NRW-Versammlungsgesetz

Eine sehr bunte, fröhliche und abwechslungsreiche Demonstration vereinte über 50 Organisationen und Gruppen gegen das neue Versammlungsgesetz der CDU/FDP Landesregierung von NRW in Düsseldorf. Es beteiligten sich neben Bürgerrechtsorganisationen wie dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwalts-Verein, Klimaschützer*inne*n, Kurdischen Organisationen, ein Bündnis linker und grüner Jugendorganisationen (u.a.Solid, Grüne Jugend, Falken und Bund-Jugend) sowie Mitglieder der Linken, der DKP und kleinerer linker Gruppen. Während nur zwei verdi-Fahnen und keinerlei Fahnen anderer DGB-Gewerkschaften zu sehen waren, waren die FAU-Anhänger reichlich vertreten. Ältere Menschen mit Fahnen der Grünen oder der SPD waren nicht zu sehen. Politische Prominenz fehlte gänzlich.
Für mich, der ich in den bisherigen 65 Jahren meines Lebens noch nie ein Fußballstadion betreten und auch noch nie eine Sportschau gesehen habe (und auch weiterhin nicht beabsichtige) – war es sehr beeindruckend, die jeweils über hundert Personen starken Blocks der Ultras von Fortuna Düsseldorf und des 1. FC Köln vor und während dieser Demonstration zu erleben. Eine enorme Kraft, Fröhlichkeit und Konsequenz, die sich dort jeweils manifestierte. Die beiden Fan-Blocks nahmen oberhalb der abschüssig gelegenen Rheinwiese in Düsseldorf-Oberkassel in einem Abstand von fast einem Kilometer Entfernung von einander Aufstellung, bevor sie singend und Parolen rufend durch mehrere Blocks politischer Organisationen von einander getrennt, ihren Platz in dem sich formierenden Demonstrationszug einnahmen.

Anti-Reul Transparente wieder verwendbar

Die Kölner in roter, die Düsseldorfer in weißer Kleidung, den Farben vom 1. FC Köln und der Fortuna Düsseldorf. Der Aufzug der beiden Fanblocks erinnerte mich an monumentale Filme etwa über mittelalterliche Schlachten oder Indianerfilme, wo gegnerische Truppen sich zunächst sammeln, bevor sie gegeneinander stürmten. In Düsseldorf zogen sie singend und musizierend auf die Rheinwiese, wo sie getrennt durch mehrere Blocks politischer Gruppen, diese Demonstration gegen das neue Versammlungsgesetz enorm bereicherten. Besonders die Kölner hatten massiv aufgerüstet – sie kamen mit Spruchschildern und Riesentransparenten. Zumindest ein Teil davon war bereits vor ein paar Jahren für die Demonstration gegen das damals neue NRW-Polizeigesetz hergestellt worden. Fixiert auf den NRW-Innenminister Reul passten sie auch für diese Demo gegen das Versammlungsgesetz, das in der jetzigen Form sicher keine Verfassungsklage überstehen wird. Aber zunächst wird es wahrscheinlich im Herbst diesen Jahres verabschiedet.

Die Fans fürchten, dass mit dem neuen Gesetz praktisch “jeder Fanmarsch vom Bahnhof zum Station zu einer Straftat wird.” In einer Erklärung der Kölner “Südkurve” heißt es: “Im Zentrum unserer Kritik steht dabei der §18 VersG-E NRW, das sogenannte Militanzverbot. Demnach soll es zukünftig verboten sein, ‘eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder sonstige öffentliche Veranstaltung unter freiem Himmel zu veranstalten, zu leiten oder an ihr teilzunehmen, wenn diese infolge des äußeren Erscheinungsbildes1. durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken2. durch ein paramilitärisches Auftreten oder3. in vergleichbarer Weise Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt'” Die Antwort der Fußballbegeisterten: “Köln-Verbot für die CDU” und “Mer hann unser eijene Kopp und den nehme mer überall met hin” Ein weiterer Kölner Spruch lautete: “Reul macht die Welt, wie es der Polizei gefällt.”

In einer Erklärung der Fortuna-Fans heißt es: “Sogar die Anmeldung einer Versammlung wird zukünftig erschwert, sollte das neue Versammlungsgesetz eingeführt werden. Bereits 48 Stunden vor Beginn einer Versammlung muss diese schriftlich bei der Versammlungsbehörde angemeldet werden. Zwar sind Spontanversammlungen weiterhin möglich, jedoch müssen auch diese „spätestens mit der Bekanntgabe“ angemeldet werden. Des Weiteren kann die Polizei sogar Namenslisten der eingesetzten Ordner*innen einfordern. Ob formale Hürden auch für einen Fanmarsch gilt, bleibt abzuwarten, würde uns aber erneut nicht überraschen.”

Die Fans waren ausgelassen und friedlich. Auch die Kurden hatten den üblichen Streit um dieses oder jenes Plakat und Transparent gleich vermieden. Die weit über 8.000 Teilnehmer der Demonstration zogen mit viel Musik und klugen Sprüchen von Düsseldorf-Oberkassel aus über eine der Rheinbrücken in die Düsseldorfer Innenstadt. Begleitet von einer Polizei die top ausgerüstet war für jeden Bürgerkrieg, unpassend zum Anlass. Aber erkennbar mit dem klaren Auftrag, die Demonstration aufzumischen. Als eine Rechtfertigung für die Gewaltattacken einiger Schläger in Uniform und mit Pensionsanspruch, lieferten besonders dumme Demo-Teilnehmer, die sich im Antifa-Block bewegten, mit dem Zünden sogenannter “Bengalos” einen der bei den Scharfmachern im Landesinnenministerium beliebten Anlässe.

Andere Begründungen konstruierte die Polizei selbst. Während sie ungefragt mehrfach darauf hinwies, die Demonstranten würden von den Videofahrzeugen der Polizei während der Demonstration nicht erfasst, lieferten viele Polizeibeamte mit kleineren Videogeräten sicherlich genügend scharfe Bilder von einzelnen Demonstranten. Zusätzlich waren Hubschrauber im Einsatz. Mehrfach drangen Polizeibeamte in den Antifa-Block ein, um einzelne Personen – weshalb auch immer – festzunehmen. Nach Angaben der Demo-Sanitäter gab es über 100 verletzte Demonstranten, von denen fünf ins Krankenhaus mußten. Ihre Festnahme erfolgt teilweise in der weiteren Umgebung, noch während die Demonstranten sich auf dem Weg in Richtung Innenstadt – mit dem Ziel Landtag – befanden.

Dafür, dass der Demozug den Landtag nie erreichen würde, sorgten die Beamten. Bei Rangeleien wurde auch ein Fotograf verletzt, der für dpa tätig war, sowie weitere Journalisten. Auch ein Mitarbeiter des Pressestelle des Landesinnenministerums wurde angeblich von Polizeibeamten angegriffen. Über die leicht verletzten Journalisten wurde fortan mehr berichtet als über die Inhalte und Ziele der Demo.
Immer wieder führten Provokationen der Beamten zu kleinen Rangeleien und verzögerten den Demonstrationszug, weil dessen Leitung eine Aufspaltung des Zuges durch die Polizei verhindern wollte.
AntiFa stundenlang eingekesselt
Dies gelang bis ca. 18.00 Uhr. Da drangen hoch gerüstete Polizeibeamte auf der, von festungsartigen Bauten der Commerzbank und ähnlich zwielichtiger Institute umbauten Breitestraße in die Demonstration ein und spalteten sie. Das geschah kurz nach der Kreuzung Breitestraße/Benrather Straße. An der nächstfolgenden Kreuzung Bastionstraße hatte die Polizei längst vor Eintreffen der Demonstranten alles vorbereitet, um die Demo an dieser Stelle zu beenden. Die Bastionstraße war planvoll mit Mannschaftstransportern versperrt. Der Antifa-Block wurde von der übrigen Demonstration abgespalten und ein Kessel um die rund einhundert Personen gebildet. Eine starke, aus drei Reihen von Polizeibeamten gebildete Sperre verhinderte den Kontakt zu den Eingeschlossenen und jegliches Weiterkommen der Demonstration.
Normale Anwohner gibt es dort keine und die Banken sind samstags geschlossen.

Dort kann die Polizei unbeobachtet agieren, was sie an dieser Stelle nach Aussage lokaler Journalisten dort auch besonders gerne macht. Meine Düsseldorfer Kollegen wußten von allerlei unschönen Szenen zu berichten, etwa vom Niederknüppeln der Teilnehmer einer kurdischen Demonstration.

Über hundert Demonstranten befanden sich in dem Polizeikessel, der bis 23.00 Uhr anhielt. Als Begründung dienten “verschiedene Straftaten, die aus diesem Block heraus während des bisherigen Demonstrationsgeschehens polizeilich registriert worden” seien. Dazu gehörte das Zünden der Bengalos, was ich persönlich nachvollziehen kann. Mir raubten diese Dinger die Atemluft, ebenso wie das im vorherigen Verlauf zeitweise eingesetzte Pfefferspray der Polizei. Andere Vorwürfe betrafen die polizeilich angeordneten medizinischen Masken und die Tatsache, dass Transparente auch an den Seiten des Zuges getragen wurden und somit das Fotografieren und Filmen der Demonstrationsteilnehmer durch die Polizei erschwerten. Coronaschutz als Straftat dürfte selbst polizeiliebende Richter kaum überzeugen. Mit den Bengalos spielten polizeiliche Provokateure innerhalb der Demonstration oder aber besonders dumme Demonstranten dem Landesinnenminister in die Hände.

Sechs Stunden ohne Toiletten

Die im Kessel Eingeschlossenen konnten über sechs Stunden nicht zur Toilette und bekamen bei zeitweise 30 Grad Außentemperatur stundenlang kein Wasser. Erst spät am Abend konnten Sanitäter Wasserflaschen und ein paar Kekse verteilen.
Mit ihrem Vorgehen verhinderte die Polizei die sonst möglichen Berichte über eine von Anfang bis Ende friedliche Demonstration. Sie wäre mit ihren über 8000 Menschen ein wunderbares Signal gewesen gegen dieses demokratiefeindliche Gesetz.
Die Veranstalter kommentieren die Vorgänge in einer ersten Erklärung so: “Unsere ruhige, bunte Demonstration in Düsseldorf mit 8.000 Teilnehmer:innen wurde gewaltsam auseinander getrieben und mit übermäßigen Repressionen den ganzen Tag begleitet. Die Polizei in Düsseldorf hält seit Stunden Menschen im Kessel in der Düsseldorfer Innenstadt fest, lange Zeit ohne Wasser bei bis zu 30 Grad und ohne Zugang zu einer Toilette. Grund der Maßnahme sei die Vermummung einzelner Demonstrationsblöcke durch das Tragen von medizinischen Masken und das zu hohe Tragen von Transparenten. Auf Basis dieser Vorwürfe werden Grundrechte massiv eingeschränkt und der Rechtsstaat ausgehöhlt. Und die Polizei geht noch weiter: im gesamten Stadtgebiet finden unverhältnismäßig gewaltvolle Festnahmen statt, wobei den Betroffenen der Zugang zu AnwältInnen und Sanitäterinnen verweigert wurde trotz massiven Verletzungen. Rund 100 TeilnehmerInnen wurden durch die massiven Maßnahmen der Polizei verletzt. Zudem wird bereits seit Beginn der Demonstration überall gefilmt, auch ein polizeilicher Hubschrauber war im Einsatz.”

Eine der Sprecherinnen des Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen! Grundrechte erhalten!“, Lola Münch resümierte:„Heute hat die Polizei bereits deutlich ihre Macht demonstriert. Wir müssen Sorge vor dem zukünftigen Missbrauch dieser Macht haben, wenn das Versammlungsgesetz der Landesregierung in NRW beschlossen wird. Damit entsteht ein Machtzuwachs, dessen Ausmaß wir uns nicht ausmalen wollen.“

www.nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de

2 Kommentare

  1. Reiner

    Ja man muß sagen das wir das kennen fleißig fleißig für ein neues 33zig..
    Wer jetzt noch Schwarz Gelb wählt.
    Weiß nicht was er tut.
    Aber wer wußte das schon so genau 1933.
    Traurig traurig.

    • Martin Böttger

      Mit 1933 hat das wenig zu tun. Mit 2021 sehr viel. Solche hinkenden Vergleiche sind nicht hilfreich, für niemanden.

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