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Steuerquote manipuliert

Am 13. Juli war der diesjährige „Steuerzahlergedenktag“. So meint es jedenfalls der Bund der Steuerzahler Deutschland e. V., ein eingetragener Verein und beim Deutschen Bundestag als Lobbyorganisation registriert. Als seine Ziele nennt er die Senkung von Steuern und Abgaben sowie die Verringerung von Bürokratie, Steuerverschwendung und Staatsverschuldung. Rund 70 % seiner Mitglieder sind Unternehmen, vor allem aus dem Mittelstand.
Alljährlich berechnet der Bund der Steuerzahler eine sogenannte „Einkommensbelastungsquote“ und leitet daraus den „Steuerzahlergedenktag“ ab. Dazu rechnet er vor, dass die durchschnittlichen Steuerzahler/innen bis zu diesem Tag ausschließlich für Abgaben an den Staat gearbeitet hätten. 2021 lag die Quote bei 52,9 %, und Gedenktag war der 13. Juli (im Vorjahr 52,1 % am 9. Juli).
Bemerkenswert und nicht nachvollziehbar ist, dass der Bund der Steuerzahler auch die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung in seine Staatsquote einbezieht. Ihm geht es offenbar darum, die Steuer- und Abgabenlast hochzurechnen und daraus Forderungen nach Steuersenkungen abzuleiten. Die Sozialabgaben sind jedoch gewiss keine Steuern oder Gebühren zur Finanzierung des Staates. Ihnen stehen finanzielle Gegenleistungen wie Rentenzahlungen, Übernahme von Krankheits- und Pflegekosten oder Arbeitslosengeld gegenüber. Dennoch wirft der Steuerzahlerbund Steuern, Abgaben und Beiträge in einen Topf und zieht daraus Schlussfolgerungen, deren Aussagekraft nahezu Null ist.

Streicht man die Sozialabgaben aus obiger Berechnung, so ergebt sich ein völlig anderes Bild: Die Belastungsquote beträgt dann nur noch 21,5 %. Darin sind nicht nur Lohn- und Einkommensteuer enthalten, sondern auch die Mehrwertsteuer, alle Energiesteuern, die Grundsteuer und alle in den Preisen auf den Verbraucher überwälzten Steuern. Der „Steuerzahlergedenktag“ fällt bei dieser Rechnung auf den 21. März. 21,5 % Steuern sind dem Steuerzahlerbund jedoch offenbar nicht spektakulär genug.

Heftige Kritik kam vor zwei Jahren von der SPD, sie blieb aber ohne Wirkung. Der Steuerzahlerbund führe in die Irre, hieß es da, weil der Tag je nach individueller Steuerlast ganz unterschiedlich zu errechnen ist, er gehe darüber hinweg, dass Kapitaleinkünfte dank der pauschalen Abgeltungsteuer von 25 Prozent bevorzugt sind, und berücksichtige nicht, um wie viel günstiger die Rechnung ohne die massive Steuerhinterziehung und die „Steuergestaltung“ insbesondere großer und globaler Unternehmen ausfallen könnte.

Allerdings hat der Bund der Steuerzahler dazugelernt. Vor einigen Jahren nannte er seine Einkommensbelastungsquote noch Steuerquote und bezog nicht nur die Sozialabgaben ein, sondern auch Abfall-, Abwasser- und Straßenreinigungsgebühren sowie die Kosten des Wasserbezugs, also Zahlungen, mit denen konkrete Gegenleistungen gekauft werden. Wahrscheinlich ist ihm diese statistische Manipulation zu heiß geworden.
Hinweis der Redaktion: zwei Kluge, ein Gedanke. Schauen Sie ergänzend Küppersbusch TV (Video 8 min) mit einigen ergänzenden Informationen.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.

Ein Kommentar

  1. Martin Böttger

    Eine treffenderer Name der Lobbyorganisation wäre: “Bund zur Vermeidung des Steuernzahlens”. Dafür bietet er seinen solventen Mitgliedern gewiss zahlreiche Serviceangebote. Ein vergleichbarer Fall sind die “Familienunternehmer”: “Wir sind die Wirtschaft! … Wir nehmen Einfluss! … Wir sind für Sie da! … Wir nutzen Chancen!” So ehrlich sind die dann doch. Ihre “Partner”: Deutsche Bank, Haftpflichtverband der Deutschen Industrie, KPMG, Family Business Network, European Family Businesses. Friedrich Merz findet die ganz toll. Alles klar?

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