– Eye in the Sky  (2015) –

Dieser britische “Kriegsfilm” erscheint formell als modernes aber konventionelles Kriegsdrama. Die vagen moralischen Linien und der unmenschliche Zynismus des politischen und militärischen Apparates existieren noch, aber hier sind alle Verantwortlichen Tausende von Kilometern vom Kreuzfeuer und seinen Opfern entfernt. Der Drohnenkrieg als Videospiel, geführt aus Konferenzräumen und einem Stahlcontainer irgendwo in Nevadas Wüste, tief im amerikanischen Hinterland.

Die schwierigen – eigentlich unmöglichen – moralischen Entscheidungen müssen jedoch nach wie vor getroffen werden. Die Botschaft des Films ist eindeutig: Auch dieser Krieg, egal wie High-Tech er daherkommen mag, untergräbt immer unsere Menschlichkeit. Die Abstraktion des Krieges ist unmöglich. Schon der Versuch der Abstraktion einer moralischen Verantwortung für die Opfer ist ein Kriegsverbrechen.

Dr. Peter Rudolf (Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik – SWP, eines Think-Tanks von Bundesregierung und Bundestag), hat die Dimensionen des Dillemas schon 2014 in einem Beitrag beleuchtet, der ebenso als Beipackzettel zu diesem Film hätte erscheinen können. Er kommt zu dem Schluss:

[Es…] hat sich ein bürokratisierter Tötungsapparat entwickelt, dessen Entscheidungen weithin frei von politischer und unabhängiger rechtlicher Kontrolle sind. Die Ziellisten werden weder im Voraus noch im Nachhinein unabhängig überprüft; die Kriterien bleiben weitgehend geheim, die Entscheidungen fallen in einem Zirkel öffentlich nicht rechenschaftspflichtiger Entscheidungsträger, ohne dass zumindest im Nachhinein eine unabhängige Überprüfung erfolgt. Die USA sind zum Vorreiter einer Praxis geworden, die zu Recht weithin moralisches Unbehagen weckt.

Quelle: “Töten durch Drohnen. Zur problematischen Praxis des amerikanischen Drohnenkriegs” von Dr. Peter Rudolf (Ethik und Militär | Ausgabe 2014/1. 92. PDF)

Frau Kramp-Karrenbauer teilt dieses Unbehagen offensichtlich nicht (und vermutlich hat sie auch keine Zeit für einen Kino/Fernsehabend), steht sie doch, ganz in der Tradition von Ursula von der Leyen und der meisten ihrer Amtsvorgänger, in der ersten Reihe derer, die sich im Chor mit der Rüstungsindustrie für ein (bewaffnetes) europäisches Drohnenprogramm stark machen. Auch weil diese Sachfrage im Wahl-O-Mat keine Berücksichtigung fand, gibt dieser Film ihnen möglicherweise auch eine, im Wesentlichen wohl gefühlsbasierte, nichtsdesdotrotz nicht weniger wichtige Wahlentscheidunghilfe.

Erstklassig besetzt ist das Stück von Gavin Hood (Regie), angeführt von Helen Mirren, die mit verstörender Freude die Süße der Macht als Anführerin der perversen Operation genießt, sowie dem großen Alan Rickman, der hier in seiner leider letzten Rolle hinter seinem zurückhaltenden Spiel einen General zeigt, der sich von seiner Menschlichkeit distanzieren muss um unter diesen Bedingungen die militärische “Operation” führen zu können. Aaron Paul und Phoebe Fox verkörpern die ausführenden “Pilot:innen” der Drohnenoperation und gleichsam die “eigenen” ethischen Opfer dieser Perversion moderner Kriegsführung.

Keine Held:innen. Kein Happy-End.

“Eye in the Sky” – (FSK ab 16) in der ARD-Mediathek verfügbar nur bis zum 14.09.2021

Über Der Maschinist:

Der Maschinist ist einer der letzten Boomer, lebt und arbeitet in einem tiefen Keller irgendwo im südwestlichen Münsterland. Früher hat er als Bergmann, Taxifahrer, Regaleinräumer im Möbelhaus und ca. 4 Wochen gegen Zeilengeld für die WAZ-Lokalredaktion in seiner Geburtsstadt gearbeitet. Seit über 30 Jahren macht er "was mit IT". Im Extradienst schreibt er unter Pseudonym, weil er gerne mit dem Google-Algorithmus spielt. Mit dem Herausgeber ist er verwandt aber nicht verschwägert.