Am 3. Juli hatte der Extradienst über die Milliardenzahlungen und -klagen multinationaler Konzerne gegen Staaten berichtet. Grundlage für solche Forderungen sind Investitions- und Freihandelsabkommen mit privaten Schiedsgerichten, bei denen die Unternehmen Schadensersatz wegen (angeblicher) Gefährdung ihrer Investitionen und Gewinnerwartungen geltend machen können.
Nun hat es eine historische Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegeben, die solche Forderungen innerhalb der EU unterbindet. Schon 2018 hatte der EUGH festgestellt, dass solche Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten unzulässig sind, da die EU über ein funktionierendes Rechtssystem verfügt. Nun folgte Urteil Nr. 2: Es betrifft die Energiecharta, eine besondere Form eines Investitionsschutzabkommens. Nunmehr sind auch deren Schiedsverfahren zwischen Investoren und Mitgliedstaaten der EU illegal.
Anlass des Urteils war, dass die Republik Moldau aufgrund einer Klage eines ukrainischen Energiekonzerns von einem Energiecharta-Schiedsgericht zu einem Schadensersatz von 46,5 Mio. US-$ verurteilt worden und dagegen vor den EUGH gezogen war. Mit der neuen Entscheidung wurde auch der Klage von RWE und Uniper gegen die Niederlande gegen den Kohleausstieg die Grundlage entzogen. Zwar können die Schiedsgerichte das EUGH-Urteil ignorieren (was sie wohl auch tun werden), doch wird innerhalb der EU keine Vollstreckung mehr stattfinden.
Jene 1,4 Mrd. € Schadensersatz, die der schwedische Energiekonzern Vattenfall von Deutschland wegen des Ausstiegs aus der Atomenergie erhalten hat, müssten heute nicht mehr gezahlt werden. Auch die Milliardenzahlungen an die deutschen Stromversorger wegen des Atom- und Braunkohleausstiegs würden wohl geringer ausfallen, wenn im Hintergrund nicht mehr eine Klagedrohung steht. Es wird Zeit, aus der Energiecharta auszusteigen.
Nachtrag:
Die Ukraine und Moldau sind nicht Mitglied der EU. Dennoch hat der EuGH sich in diesem Verfahren als zuständig angesehen, weil die EU Vertragsmitglied der Energiecharta ist und diese daher Teil des Europarechts ist.