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In der Vorrunde ab nach Hause?

Die Fußball-WM in Katar wirft ihre menschenverachtenden Schatten voraus. Und Regierungen der Demokratien, die FIFA, die nationalen Sportverbände und die Medien verhalten sich, wie bei der Olympiade Hitlers 1936. Gute Miene zum bösen Spiel ist angesagt, um so mehr als der Westen, Deutschland und Europa Katar wegen der Flüssiggaslieferungen zur Kompensation von Putins Aggressorengas brauchen. Allein die Diskussion um die Regenbogen-Kapitänsbinden, wie sie Manuel Neuer und andere tragen, hat deutlich gemacht, dass hier ein ganz foules Spiel droht.

Vordergründig ging es in den letzten Tagen um die Frage, ob und welche Kapitänsbinde Neuer und Co. in Katar tragen werden. Die Regenbogenbinde, die viele Spielführer*innen seit der letzten WM tragen, empfinden die katarischen Diktatoren als Zumutung, weil sie ihr frauenfeindliches, homophobes und LGBTQ-hassendes Weltbild aufrechterhalten wollen. Die Regierungen, FIFA und die Fußballfunktionäre helfen ihnen dabei. Längst ist klar, dass sich an der Menschenrechtslage der Arbeitssklaven, die die Stadien für die WM errichtet haben und weiterhin im Auftrag des rassistischen, frauenfeindlichen und despotischen Regimes schuften müssen, keine wesentliche Besserung ihrer Lage erfahren haben. Katar unterstützt weiterhin islamistische Organisationen und möchte sich mit der WM von den Vorwürfen der Korruption und Menschenrechtsverletzungen freikaufen.

Regierungen und Fußball ohne Rückgrat

Die für die WM qualifizierten Mannschaften werden nun, wenn sich nichts mehr ändert, dadurch dass z.B. der DFB seine ohnehin nicht besonders konkurrenzfähige Mannschaft zurückzöge, die WM-Spiele in klimatisierten Stadionblasen stattfinden, die in der Lage sind, aus 50 Grad Celsius 21 Grad Innentemperatur zu machen. Mit welchem Energieaufwand und CO2-Ausstoß, darüber schweigen sich die Kataris aus. Allein das ist angesichts der Klimakrise ein Skandal. Was wollen sich die FIFA-Funktionäre noch alles von ihren zweifelhaften Gastgebern bieten lassen? Frauen ausgeschlossen aus den Stadien oder in besonderen Blocks zusammengefasst? Frauen zweierlei Rechts – Fans aus dem Westen auf den Tribünen und Katarinnen in Nikab oder Burka – und wenn ja wo?

Keinen Arsch in der Hose

Nein, die FIFA und der DFB sind korrupt, aber nicht machtlos. Sie hätten die Möglichkeit, mit diesem Regime ganz anders umzuspringen. Nicht nur internationale Menschenrechtsstandards und damit auch das Recht der Kapitäne, jede Form von Armbinde zu tragen, durchzusetzen. Sie könnten auch durchsetzen, dass Frauen gleichberechtigt an den Spielen als Zuschauerinnen teilnehmen. Sie müssten nur den Arsch in der Hose haben, zu drohen, die Propagandashow der Kataris zu boykottieren.  Sie könnten, wenn sie wollten, die Bedingungen diktieren, unter denen diese WM stattfindet, denn die Kataris brauchen die WM, die WM braucht nicht die Kataris – die WM könnte notfalls 2023 in Europa stattfinden.

Macht ein schnelles Ende

Das ganze Gewürge im Vorfeld, die sich windenden Funktionäre, die sich verbiegenden Politiker*innen – ich wünsche mir, dass sich die Spieler ein Herz in die Hand nehmen und dem Spuk auf die Weise ein Ende machen, die sie wirklich beeinflussen können: Jungs, zieht Eure Armbinden an, Jungs, redet, wie Euch der Schnabel gewachsen ist und deckt Widersprüche auf. Und macht, wenn es sein muss, ein schnelles politisches Ende. Ein bewusstes Ausscheiden in der Vorrunde ist keine Schande, wenn sie politisch begründet wird. Und Ihr seid reich genug, dass Ihr es Euch um der Menschenrechte willen leisten könnt!

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Fussballkranke wie ich haben bisher den guten Vorsatz, ebendiese Vorrunde gar nicht erst zu ignorieren – wie z.B. die ewig langweilige “Gruppenphase” der europäischen “Champions League”. Aber eigentlich möchte ich auf diesen Film hinweisen:
    https://www.ardmediathek.de/video/dokumentation-und-reportage/geld-macht-katar/
    “Geld.Macht.Katar” ist tatsächlich eine gute Arbeit, in diesem Link an einem Stück 72 min. So eine Art “Kapitänsbinde” der ARD, die legitimieren muss, warum sie sehr sehr viele Millionen für die Veranstaltung bezahlt.

  2. Peter Lessmann-Kieseyer

    Welch eine Farce, diese Fußball-WM in Katar! Nach der Vorrunde nach Hause? Ich meine: erst gar nicht hinfahren. Seien wir doch ehrlich, von diesen stockkonservativen und korrupten Funktionären der FIFA ist nichts zu erwarten – und die Regenbogen-Kapitänsbinden werden sie auch noch kassieren. Weil sie meinen, politisch neutral zu sein, manövrieren sie sich höchstpolitisch in die Ecke der Menschenfeinde und sie lernen nicht dazu:

    Schon vergessen, die WM in Argentinien 1976? Die Fifa und auch der DFB hofieren eine brutale Militärjunta. Nur das „schöne“ Fest nicht stören, während gleichzeitig Tausende von Kritikern der Militärjunta ermordet wurden. Erinnert sich noch jemand heute an die Namen Elisabeth Käsemann und Klaus Zieschank? Entführt, gefoltert, ermordet – und deutsche Fussballfunktionäre, aber auch Politiker schweigen und krümmen keinen Finger.

    Und heute? Die Menschenrechtslage in Katar habe sich verbessert, beschwichtigt der deutsche Kanzler. Auch er will das schöne Fest im Wüstensand nicht stören, auf keinen Fall. Denn wir brauchen schliesslich das Gas.

    • Martin Böttger

      Argentinien war 1978. Aber sonst ist alles richtig.

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