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Vasallenstaat

Das Ausmaß von Putins strategischem Versagen ist episch

Der linksliberale britische Guardian listet lakonisch die Hauptpunkte von Putins strategischem Versagen auf. Normalerweise müsste das mehrfach ausreichen, um einen politischen Führer in die Wüste zu schicken. Es gibt kaum eine politische Klasse – es sei denn, sie ist auf Selbstmord gebürstet, die einem „Chef“ so etwas längerfristig durchgehen lässt. Folgende Konsequenzen von Putins Politik für sein Land sollte man sich notieren:

Die Ukraine, eine zerbrechliche Demokratie, die von politischen Fehden und endemischer Korruption geplagt ist, hat sich als Nation zusammengeschlossen und dem Aggressor getrotzt.

Das Nato-Bündnis, das von Putin für die Verursachung des Konflikts verantwortlich gemacht und von seinem Verehrer Donald Trump verunglimpft wird, ist stärker denn je.

Die europäischen Verteidigungsausgaben schießen in die Höhe.

Die neutralen Schweden und Finnland drängeln sich um den Beitritt.

In krassem Gegensatz dazu haben die schlechten Leistungen der einst angesehenen Moskauer Streitkräfte, ihre Peinlichkeiten auf dem Schlachtfeld, ihre logistischen Alpträume und ihre schwache Führung den Mythos der russischen Supermacht zum Platzen gebracht. Diese Seifenblase ist nun endgültig geplatzt.

Russlands Wirtschaft ist am Ausbluten. Und trotz der westlichen Sorgen über die Propagandaoffensive des Kremls in Afrika und Asien ist das Land international weitgehend isoliert.

Im März verurteilten 141 von 193 Ländern in einer UN-Abstimmung die Invasion.

Die meisten der übrigen Länder enthielten sich der Stimme.

Letzte Woche überstimmte die UN-Vollversammlung Moskau und erlaubte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenskij, eine virtuelle Rede zu halten, in der er einen Weg zum Frieden skizzierte. Er erhielt stehende Ovationen – und die Initiative.

Sogar Putin musste aufhorchen, als China, das bisher zwischen den Stühlen saß, seine “Besorgnis” über den Schaden, den er anrichtet, zum Ausdruck brachte. Narendra Modi, Indiens Premierminister, schimpfte ihn aus: “Das heutige Zeitalter ist kein Zeitalter des Krieges”.

Der Krieg verschiebt das Machtgleichgewicht grundlegend zu Pekings Gunsten. “Diese Asymmetrie wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken, da Putins Regime für sein Überleben auf Peking angewiesen ist”, schrieb der Analyst Alexander Gabuev. Putin verwandle Russland in einen „Vasallenstaat.“

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Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.

2 Kommentare

  1. JanSolo

    Beim ersten Punkt fehlt nach ‘geschlossen’: “, seine Opposition (Politiker u Journalisten) eliminiert, verboten oder sogar getoetet, und fuehrt eine Todesliste der ‘Staatsfeinde’ im Ausland.”

    Was aus der ‘starken’ Nato wird, werden wir sehen, wenn der naechste Trump ins Weisse Haus zieht.

    Hohe Verteidigungsausgaben bei einer zusamenbrechenden Krankenversorgung (NHS) und einer verarmenden Bevoelkerung – der Kapitalismus eilt von Sieg zu Sieg.

    Die russische Armee erobert in drei Monaten eine Flaeche Grossbritanniens.

    Letztes Jahr stimmte die UNO gegen den Faschismus im 20. Jahrhundert, bis auf Deutschland (Stimmenthaltung) und Ukraine u Amerika (dagegen).

    Ich vermute mal, der Guardian hat Angst vor seiner Regierung (auch nach der Durchsuchung der Redaktion in der Snowden-Affaire), sonst wuerde er diese duemmliche Kriegspropaganda nicht drucken.

  2. Martin Böttger

    Der Nato-Kritik stimme ich zu. Auch ohne Trump sind, Orban, Meloni, Erdogan und die “Schwedendemokraten” schon da. An Reinhards Darstellung ist aber richtig, dass das Putinregime diese unappetitliche Truppe näher zusammengeschoben hat.
    Zum Guardian würde ich unterstellen, dass es dort genauso verschiedene Meinungen gibt wie hier. Ich fürchte, was die leisten, ist besser, als alles, was deutsche Zeitungsverlage zustande bringen. Am besten selbst nachlesen:
    https://www.theguardian.com/international
    Der Freitag bringt regelmässig deutsche Übersetzungen einzelner Texte, die Herr Augstein nur leider häufig digital einmauern lässt:
    https://www.freitag.de/autoren/the-guardian

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