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Nehmt ihm dieses Spielzeug weg!

Elon Musk hat heute einen Tweet abgesetzt, der ihn gänzlich disqualifiziert: Es sollten doch in den besetzten Gebieten Donbas, Mariupol und so weiter unter UN-Aufsicht neue Referenden abgehalten werden. Je nach dem, wie die  ausgehen, so Musk, sollten die Russen abziehen oder bleiben – die restliche Ukraine solle neutral werden. Soweit, so naiv, zumal völlig unklar ist, wer da wo wie abstimmen sollte, haben doch inzwischen viele Ukrainer verständlicherweise die besetzten Gebiete verlassen. Typisch Musk: was schert mich Diplomatie, UN, Regeln der internationalen Institutionen, Regierungen, internationale Verträge und Abkommen? Er ist ein notorisch Gesetze brechender Pirat.

So handelt er auch als Unternehmer. Kein einziger TESLA dürfte auf europäischen Straßen fahren und zugelassen werden, sofern die Vielzahl der Kameras, mit denen  seine Autos ausgestattet sind, nicht ausgeschaltet werden. Nach jahrelangen Kämpfen der Bürger in Brandenburg um das Grundwasser unter seiner Fabrik, die im Wasserschutzgebiet (!) gebaut werden durfte, obwohl Automobilproduktion erfahrungsgemäß mit Lackresten, Dünnsäure, Schwermetallen und anderen hochgiftigen Rückständen einhergeht, hat er nun eine wilde Mülldeponie auf dem Firmengelände errichtet. Diese Mülldeponie geriet am vergangenen Wochenende in Brand, was außer dem Fernsehsender RBB praktisch kein Presseecho fand.

Kritiker mit Geld zuscheißen

Seine Methode ist seit jeher, sich den staatsbürgerlichen Pflichten wie Steuern, den kalifornischen Umweltgesetzen und den Coronaregeln zu entziehen. Wo er auf Widerstand trifft und Ignoranz nicht reicht, verfährt er nach demselben Grundsatz, den Mario Adorf als Generaldirektor Haffenloher in “Kir Royal” formulierte. Er hat die Landesregierung Brandenburg auf seine Seite gebracht, den Umweltminister Axel Vogel und den Bundeskanzler. Er verseucht das erdnahe Weltall mit seinen Internetsatelliten und schert sich nicht um internationale Weltraumabkommen, schießt eine seiner Schrottkisten ins All – sinnfrei – nur weil er es kann.

Hin und her um Medienmacht

Mit seinen Ambitionen, den weltumspannenden Kurznachrichtendienst Twitter zu kaufen, hat er schon vor Monaten ein weiteres Tabu gebrochen. Musk, von dem bekannt ist, dass er der gleichen libertären, asozialen Milliardärsclique angehört, wie Peter Thiel, das böse alter Ego hinter Marc Zuckerberg, Jeff Bezos, Donald Trump  und viele andere antidemokratische Spinner in den Vereinigten Staaten, deren Ziel es unter anderem ist, gemeinsam mit den rechtsradikalen Trump-Anhängern in den Einzelstaaten das Wahlrecht auszuhöhlen und letztlich die Verfassung und ihre Freiheitsrechte zu kippen. Was Musk mit Twitter machen wird, wenn es ihm in die Hände fällt, ist ziemlich offensichtlich. Der abgeschaltete Donald Trump, der seine rassistischen und frauenfeindlichen Hasstiraden und Wirklichkeitsverdrehungen jetzt auf seinem defizitären Privatnetz “Truth  Social” absondern muss, wird seine permanenten Beleidigungen und Verleumdungen vermutlich wieder auf Twitter absondern können, wenn Musk es wirklich übernimmt.

Reanimation für den Trump-Faschismus

Zwei wichtige Prinzipien werden Musk womöglich  in die Hände spielen: zum einen die Rückgratlosigkeit der US-Demokraten und anderer demokratischer Regierungen, eine derartige Monopolbildung von Produktivkapital und Medienmacht nicht durch entsprechende Gesetze konsequent zu unterbinden oder wenigstens zu erschweren. Zum anderen die Selbstzerstörungsbereitschaft der demokratischen, klassischen Medien, ob öffentlich-rechtlich oder privat, die Twitter behandeln und zitieren, als wäre es dpa, AFP oder Reuters, obwohl es genau das Gegenteil ist. Denn der Verkauf von Twitter an Musk markiert letztlich eine ähnliche relevante Schlüsselfrage für die Zukunft der Demokratie in den USA und darüber hinaus, wie die straf- und zivilrechtlichen Prozesse gegen den betrügerischen Populisten Trump.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

2 Kommentare

  1. A.Holberg

    Ich bin bei Gott (oder wem auch immer) kein Fan von Elon Musk – um es zurückhaltend auszudrücken. Aber das kann nicht bedeuten, dass ich Alles, was er sagt, wegen dem, was er ansonsten ist oder sein mag, zurückweise. So bin ich etwa auch nicht genötigt, die Erde zu einer Scheibe zu erklären, sobald die AfD oder die “Grünen” sie zur Kugel erklären. Was nun die Ausführungen von R.Apel zum Thema nationales Selbstbestimmungsrecht, Separation udgl. – hier im Fall der ethnischen Russen in der Ukraine – anbelangt, sehe ich keinen Grund, die Position Musk’s abzulehnen, wenngleich sie natürlich aktuell unrealistisch ist. Selbstverständlich sollte es jedem, der die Demokratie im Wortsinn ernst nimmt, d.h. die Herrschaft der Menschen/des Volks über sich selbst, jedenfalls solange sie nicht zur Unterdrückung der Mitmenschen/anderen Völkern genutzt wird, klar sein, dass die ethnischen Ukrainer das Recht (nicht die Pflicht!) auf einen eigenen Staat getrennt von Österreich-Ungarn, Polen oder Russland – und auch der UdSSR hatten und haben. Aber dieses Recht haben nicht minder auch die ethnischen Russen darauf, innerhalb oder außerhalb des Staates Ukraine zu leben. Das “Völkerrecht” hat damit überhaupt nichts zu tun, regelt es doch lediglich die Beziehungen bestehender Staaten – gleich wie diese entstanden sind – untereinander. Im Übrigen sei auch daran erinnert, dass es seitdem es Staaten gibt, Sezessionen, gescheiterte und gelungene, gibt, so etwa im Fall Kosovo mit aktiver Unterstützung des “Werte”-Westens, der Krim, Nordzyperns, Eritreas, des Südsudans, aber auch die Bestrebungen der Kurden, Schotten oder Katalanen. Dass Musks richtige Forderung, dass entsprechende Referenden unter neutraler – hier der UNO – Kontrolle die Voraussetzung dafür sein sollten, dass sie international anerkannt werden, in der Realität nur dann umsetzbar sind, wenn die bestehenden Staaten, von denen man ja weiß, dass sie allzuoft ohne jede Befragung der Bevölkerung zustande gekommen sind, solche Referenden ermöglichen, ist leider offensichtlich. Dass die jüngsten Referenden in den seit eh und je ethnisch russischen Regionen der übrigens als Ergebnis der Oktoberrevolution gegründeten Ukraine diese Voraussetzung nicht erfüllen können, schon weil die nationalistische Rechtsregierung in Kiew natürlich zur Durchführung “ordentlicher” Referenden ebenso wenig bereit ist wie Spaniens “sozialistische” Regierung im Fall Kataloniens, ist klar. Wer lässt sich schon freiwillig, das, was er sich einst unter welchen Umständen auch immer unter den Nagel gerissen, wegnehmen. Ebenso klar dürfte aber sein, dass nichts darauf hindeutet, dass die Mehrheit der Bevölkerung in diesen Regionen, seit spätestens 2014 von ukrainischen Chauvinisten nicht nur kulturell und politisch, sondern sogar blutig unterdrückt, auch in einer international überwachten Abstimmung für die Trennung von der Ukraine gestimmt hätte.

  2. Roland Appel

    Es geht bie diesem Krieg wie immer um Macht und Kontrolle von Kapital, Grund und Boden, dem, was darunter liegt und dem, was produziert wird. Und um einen Landzugang Russlands zur Krim. Das ganze ethnische geschwurbel ist ein rassischer Vorwand, auf den vernunftbegabte Menschen nicht reinfallen sollten.

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