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So läuft das nicht

Der WDR wrackt den Dortmund-“Tatort” ab

“Barnaby” machte gestern im ZDF so eine Bemerkung: “Die vielen Tatorte machen mich nervös.” Feines Understatement der deutschen Synchronfirma, sonntags um 22.15 h. Das traf meine Stimmung. Das Beste des Dortmund-Tatortes war noch, dass in die – wieder mal depressiv-nervende – Filmmusik irgendwann die Doors eingespielt wurden. Wenn die Musik nervt, trägt der Film nicht. Lag es an der Story (Drehbuch Jörg Hartmann und Jürgen Werner)? Aus meiner Sicht ist es nicht das einzelne Drehbuch, sondern die lange Depressions-Linie, die den Dortmund-Tatort in die Sackgasse fährt. Und viele Mitwirkende merken das längst.

Das Dortmunder Team war einst “mein” Topteam in den stark unterschiedlichen ARD-Tatorten. Sie liefen den Kölnern und noch mehr den Münsteranern den Rang ab, weil sie Dynamik hatten, weil sich unter ihnen was abspielte, und keineswegs in jeder Folge das Gleiche (wie im in Klamauk umgekippten Münster). Sie entwickelten sich. Das war stark. Die Spitze war erreicht, als sie den Dortmunder OB endlich gegen sich aufbrachten. Das ist noch höher zu bewerten als ein Grimme-Preis.

In seinen besseren Zeiten beschäftigte der WDR mal Dramaturgen, die die Werke, für die sie arbeiteten, liebten, die sich darum kümmerten, wie um ein eigenes Kind. Die Regisseur*inn*e*n und Autor*inn*en nicht ausbremsten, sondern unterstützten, mit eigenen Ideen und konstruktiven Hinweisen. Martin Wiebel war mal so einer, und sicher auch Gebhard Henke in seinen jungen Jahren, als ihn die Produzentenmacht noch nicht übermannt hatte – “Mord mit Aussicht” war sein letztes gutes Werk, das Original, nicht die Kopie.

Es ist immer ein schlechtes Zeichen für solche Reihen, wenn starke Mitspieler*innen vorzeitig aussteigen. Im Kölner Tatort waren das die starken Anna Loos und Tessa Mittelstaedt, die sich früh unterfordert und von der Stoffentwicklung unzureichend berücksichtigt fühlten – zurecht. In Dortmund war die fantastische Aylin Tezel die Erste,, die die Abstempelung auf eine immer wiederkehrende Klischeerolle fürchtete. Ihr folgte die starke Anna Schudt. Die Abstempelung des Restteams auf ausnahmslos gescheiterte Depressive, gibt auch ihr Recht. Die starken Schauspieler*innen Jörg Hartmann, Stefanie Reinsperger, Rick Okon tun mir leid. Diese Achtlosigkeit durch die Produzenten haben sie nicht verdient.

Der Sender steuert das Ding geradewegs vor die Wand. Vielleicht Absicht? Es sieht aus wie Kostensenkung nach Buhrow-Art.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

4 Kommentare

  1. w.nissing

    “sondern die lange Depressions-Linie, die den Dortmund-Tatort in die Sackgasse fährt. Und viele Mitwirkende merken das längst.”
    mmmh, also ich habe diese Folge und den Schluß eher als Abwendung der depri verstanden und das Faber jetzt seine Vergangenheit (Mutter) endlich überwunden hat. Okay bleibt noch der “Tod” von A Schudt zu überwinden und auch die malaise mit der drogensüchtigen Partnerin scheint ja zu einem Schluß zu kommen.
    Mal schauen ob da ein Neuanfang draus entsteht. Ich halte J Hartmann für zu intelligent das so weiter deprimässig zu spielen….. Wie sagte der Bayer : schaunmermal 🙂

  2. Andreas Jürgens

    @martin.boettgerDer Dortmunder Tatort bestätigt doch das gerade öffentliche Bild der DO Polizei. Da Arbeiten Psychos und Halbkriminelle die selber das Gesetz beugen. 🤣🤣🤣

  3. Der Maschinist

    Ich fand den Tatort der Fortschreibung von Böhnischs dramatischen Tod in der Folge zuvor äußerst “angemessen”… Zumal das wirklich ein sehr gewaltsamer “Exit” der Kommissarin war. So was muss Traumata hinterlassen. Da kommt mir die Kritik an “den Depressiven” etwas deplatziert vor. Außerdem gefiel mir dieses Mal wieder die Authentizität der Drehorte und insbesondere die Besetzung sehr gut… Der “Vatter” von Faber war schon wirklich ganz nah’ dran am Original.

    Ja, es stimmt sicherlich, dass die Parallelgeschichten der RAF-Mutter bzw. der Junkie-Ehefrau etwas “über” waren. Doch um darüber abschließend zu urteilen, müssen wir sehen, was das Team daraus macht. Nicht jedem liegt die horizontale Erzählweise der Dortmunder Geschichten. Doch ist dieses Team das einzige im Tatort, welches eine solche wirklich konsequent weiterentwickelt. Wegen mir, soll Jörg Hartmann gerne weitere Drehbücher schreiben! – Tatsächlich wäre es “der Serie” wohl bekömmlich, wenn es einen kontinuierlichen Writers-Room geben könnte und dort mehrere Bücher zugleich entwickelt würden.

    • Martin Böttger

      “Über” – sarichdoch.

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