Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Harzburger Front 2023

Alfred Hugenberg war in der Weimarer Republik so etwas wie ein früher Elon Musk. Er war hochintelligent, mit Rüstung, Montanindustrie und Zeitungen steinreich gewordener Verleger und bekämpfte die Weimarer Demokratie von Anfang an. Als Parteichef der rechtsnationalen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) schmiedete er 1931 eine Allianz mit den Nationalsozialisten der NSDAP, dem “Stahlhelm” Kampfbund ehemaliger reaktionärer Frontsoldaten und weiterer reaktionärer Verbände. Gemeinsam trafen sich am 13.Oktober 1931 in Bad Harzburg mehr als 10.000 Funktionäre – daher der Name – und verabredeten sich zum gemeinsamen Sturz der Weimarer Demokratie. Hugenbergs Ziel war, unter dem Mäntelchen des Bürgertums rechtes Gedankengut zu verbreiten und Allianzen mit ganz rechts außen zu schmieden. Sein aktueller Nachfolger in diesem Bestreben heisst Maaßen und war mal Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Dieser Hans-Georg Maaßen ist von einem rechten Sektiererkreis der CDU/CSU, der selbsternannten “Werteunion” nun zu ihrem Vorsitzenden gewählt worden. Dass dies gerade jetzt geschehen ist, verwundert nicht. Haben doch der Parteivorsitzende Merz und die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Prien sich klar von Maaßens Thesen distanziert und deutlich gemacht, dass es für ihn keinen Platz in der Union mehr gibt. Aber Maaßsen, der ja schon die AfD zu seinen Amtszeiten darin beraten hat, wie man am besten unterschwelligen Rassismus, Hetze gegen Minderheiten und Fake News so äußert und verpackt, dass sie nicht sofort und offensichtlich unter Strafgesetze fallen oder eindeutig dem Extremismus zuzuordnen sind, hat sich offensichtlich vorgenommen an der Grenze zwischen Konservatismus und Rechtspopulismus als Schlüsselfigur zu agieren.

Hans-Georg Maaßen auf dem Marsch durch die Institutionen

Er scheint sich damit zu einer Art Steve Bannon der Rechten in Deutschland zu entwickeln. Und er scheint Helfershelfer und Komplizen dabei zu haben, die ihn eben in dieser “Werte-Union” unterstützen. Kein Wunder, denn Maaßen ist ein erfahrener rechter Maulwurf im demokratischen Rechtsstaat. Lange bevor er sich im Amt des Geheimdienstchefs immer offener mit rechten Thesen outete, wirkte er als furchtbarer Jurist. In seiner Dissertation über die “Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht” 1997 beschreibt er Bedrohungsszenarien, die den Parolen von AfD und Rechtspopulisten gleichen. Rassistische Begriffe wie “Asyltourismus” sind darin zu finden – eine Verfassungsrichterin bescheinigte der Arbeit laut der “Süddeutschen Zeitung” eine gewisse Schlampigkeit. Mit dieser Dissertation wurde er unter Otto Schily im Bundesinnenministerium Referatsleiter Ausländerrecht und bearbeitete 2002 den Fall Murat Kurnaz.

Menschenrechtswidrig im Folterlager belassen

Der in Bremen geborene Deutschtürke war nach 9/11 nach Pakistan in eine Koranschule gereist und auf dem Rückweg von den Amerikanern zunächst nach Afghanistan entführt und in Guantanamo Bay gefoltert, wo seine Folterer nach wenigen Monaten von seiner Unschuld überzeugt waren und ihn nach Hause abschieben wollten. Das verhinderte Maaßen, indem er gutachtete, dessen Aufenthaltserlaubnis sei gesetzlich “erloschen”, weil “er sich länger als sechs Monate im Ausland” aufgehalten hatte. Dass Kurnaz gegen seinen Willen und rechtswidrig in eine gesetzlose Enklave ohne jede Rechtsstaatlichkeit entführt worden war, focht Maaßen nicht an. Kurnaz kam erst vier Jahre später auf Initiative von Angela Merkel frei und nach Deutschland zurück.

Gegen Pressefreiheit und Whistleblower

2015 bezichtigte Maaßen das Politikportal netzpolitik.org,, Markus Beckedahl und einen Kollegen des Landesverrats – ein ähnlicher Fall wie die “Spiegel-Affäre” von Franz-Josef Strauß 1962. Generalbundesanwalt Range, der Maaßens Anzeige umgesetzt hatte, kostete die Affäre sein Amt, Maaßen saß Rücktrittsforderungen mit Schützenhilfe seines Chefs Horst Seehofer aus. 2016 beschuldigte er im NSA- Untersuchungsausschuss den Whistleblower Edward Snowden, “mit hoher Wahrscheinlichkeit russicher Agent” zu sein. Ein übles Revanchefoul, nachdem dieser drei Jahre zuvor offenbart hatte, dass auch der Verfassungsschutz illegal US-Spionagesoftware einsetzte, was Maaßen zugeben musste.

Im Fall Amri gelogen, Hetzjagden geleugnet

Im Fall des Attentäters auf dem Breitscheidplatz 2016 behauptete Maaßen, keine V-Person in der Nähe von Anis Amri platziert zu haben. Nach Recherchen von RBB, Berliner MoPo und “Kontraste” wurde berichtet, dass das BfV sehr wohl einen Spitzel in unmittelbarer Nähe platziert hatte. Den Gipfel stellte seine Interpretation eines Videos dar, bei dem Rechtsextremisten in Chemnitz ausländisch aussehende Menschen jagten. In der BILD-Zeitung zweifelte er die Authentizitität des Videos an, das durch alle Nachrichten gelaufen war. All das reichte nicht aus, um seinem Treiben ein Ende zu bereiten. Stattdessen beförderte ihn Horst Seehofer die Treppe hinauf zum Staatssekretär, Besoldungsgruppe B11 etwa 15.000 € monatlich. Er ist deshalb bestens ausgestattet und kann mit einer bedingungslosen Grundsicherung von ca. 70% gegen die Demokratie zu Felde ziehen, die ihn dafür üppig alimentiert.

Maaßen wird der Union noch richtig Freude bereiten

Maaßen hat in seiner gesamten Laufbahn deutlich gemacht, dass er subversiv Machtstellungen auszunutzen gedenkt. Für ihn ist es ein politisches Ziel, die  – wenn es sie überhaupt gibt – Grenzen zwischen  Konservatismus zu Populismus bis hin zu rechtsextremer Ideologie des “Flügels” der AfD möglichst zu verwischen und zu diffusen Übergängen zu machen. Er träumt offensichtlich den Traum von der “Bürgerfront” von der Mitte der CDU/CSU, die er nach rechts bewegen will bis zum Rechtsextremismus, um diesen bündnis- und politikfähig zu machen. Kemmerich in Thüringen lässt grüßen. Dass er sich nicht freiwillig aus der CDU hinausbewegen wird, darauf würde ich hohe Wetten abschließen. Zu gut ist ihm Thilo Sarrazin vor Augen, dem das SPD-Ausschlussverfahren Popularität und unverdiente Verkaufsauflagen für seine dümmlichen Elaborate beschert hat. Er wäre bescheuert, wenn er darauf verzichten würde. Er ist gefährlich – aber dumm ist er nicht.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    Eine Frage wird meines Erachtens in der Diskussion über Hans-Georg Maaßen zu wenig geführt. Nämlich die, wes Geistes jene Politiker sind, die solche Typen groß werden lassen. Bei Maaßen war es Otto Schily, unter dessen Regentschaft Maaßen im BMI Karriere machte. So wurde Maaßen 2003 Leiter des Referats Ausländerrecht in Schilys BMI.

    • Roland Appel

      Völlig richtig – z.B. habe ich mich gefragt, warum nicht jemand bei der Einstellung in so ein Ministerium in die Diss. schaut. Aber vielleicht hat es ja einer und dem war Massens rassistisches Denken hochwillkommen. Und auch Seehofers Wegloben nach oben hat ja System. ‘Deshalb haben wir mit unseren Steuern jahrzehntelang die Pensionen von Altnazis wie Globke und Gehlen bezahlen düefen.

  2. Martin Böttger

    Ein grösseres PR-Geschenk als das sog. “Ultimatum” hätte der CDU-Vorstand dem Kerl nicht machen können. Das wissen selbst die Allerdümmsten seit dem Sarrazin-Verfahren der SPD. Entsprechend hat der DLF ihm heute den Teppich ausgerollt. Würg.
    Warum tun die das? Bei vorgeblicher verbaler Abgrenzung wird die AfD (Umfragewerte um 15%) ins diskursakzeptable Spektrum zurückgeholt. Vorbild: Signora Meloni.
    https://www.deutschlandfunk.de/mehr-erdgas-weniger-migranten-italien-schliesst-deal-mit-libyen-dlf-bbff80bf-100.html

© 2024 Beueler-Extradienst | Impressum | Datenschutz

Theme von Anders NorénHoch ↑