Der Januar ist fast vorbei und die meisten der Leser*innen des Extradienst befinden sich, ganz wie ich, in der komfortablen Situation uns über so existenzielle Fragen wie “Fernsehunterhaltung” überhaupt Gedanken machen zu können. Wobei, ist es eigentlich noch zutreffend von “Fernsehen” zu sprechen, wenn es sich in diesem Beitrag ausschließlich um “Streaming” und das Angebot der öffentlich-rechtlichen Mediatheken handelt? Rundfunkrechtlich ist es das wohl. Und so bleibe auch ich dabei. Ob es sich auch um “Unterhaltung” handelt, entscheiden Sie!
Weil auch der Herausgeber seine Beiträge zunehmend aggregiert und für sie zusammenfasst – und ich das ziemlich gut finde – folgt hier also das “Best-Of-Januar-Mediathekperlen”… Die Reihenfolge ist zufällig und völlig willkürlich – suchen sie sich einfach etwas heraus – und sagen sie bitte “Bescheid” wenn etwas fehlt!
Australische Zeitreise
Ein besonderes Geschenk – das ich mir sogar gewünscht habe, seit ich die Serie im Sommer ’22 schon bei der BBC sehen durfte: Ich will ehrlich sein, an “The Newsroom” (USA 2011-2014) von Aaron Sorkin (ua. “West Wing”) kommt auch diese Serie aus Australien nicht ganz heran. Ging es doch bei dem Drama mit Jeff Daniels seinerzeit um nicht weniger als die Ehrenrettung des Journalismus und der 4-Gewalt in den USA. Doch haben die Australier*innen um Anna Torv und Robert Taylor sich einen Extrapunkt erspielen können, weil sie ihre Meta Serie über eine Nachrichtenredaktion als Period Drama in den Achtzigern (und Themen wie Aids, Tschernobyl, Challenger Absturz…) angesiedelt haben. Und das haben sie mal wirklich richtig gut gemacht. (Ich kann das beurteilen, ich war dabei! 🙃)
Keine Überraschung, dass es wieder ARTE ist, das diese feine Serie am 02.02. in’s deutsche TV bringt! Ich hoffe inständig, dass sie dort soviel Publikumszuspruch finden möge, dass wir auch die 2.Staffel bekommen, die in DownUnder gerade in der Produktion ist.
“Die Newsreader” – Serie bei ARTE bis 09/05/2023
Jarmusch in Jersey
“Ghost Dog” von Jim Jarmusch ist für mich – und das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – das Highlight der Woche, auch wenn es erst Montag ist. Denn was Forest Whitaker als der letzte der Samurai hier anbietet, das habe ich nicht erwartet, als der Film 1999 in die Kinos kam, und das haut mich auch heute noch um. Und die Erwartungen waren schon hoch, denn wenn Jarmusch sich mit Wim Wenders Kameramann Robby Müller verbündet und nach (ausgerechnet) Jersey City, NJ, der abgefuckten kleinen Schwester von NYC, geht, um einen Film zu drehen, dann enthält das schon genug um mich in ekstatische Vorfreude zu versetzen. Und daran hat sich in den letzten 24 Jahren rein gar nichts geändert!
Ghost Dog – Der Weg des Samurai – bei ARTE bis 28.02.2023
Die Neunziger in Hamburg und Berlin
Ein Film aus meiner liebsten Gattung: Ein Hamburg-Film! Ein Film über das Jungsein in einer Großstadt. Drei Männer, eine Frau. Der wirkliche Star ist ein altes Ford Granada Coupe(!) und natürlich die schönste Stadt der Welt.
Ganz wie “Das Leben ist eine Baustelle” (1997) (Mediathek bis zum 15.02.) vorher als DER exemplarische Berlin Film der 90er stand, ist “Absolute Giganten” (1999) sein exaktes Hamburger Gegenstück (beide X-Filme, produziert, ua. von Tom Tykwer). Keine Lovestory hier, ausser der zum puren Leben. Was für ein wunderbarer, kleiner, schmutziger Edelstein.
Frank Giering, Florian Lukas, Antoine Monot und vor allem auch Julia Hummer kannten wir damals noch nicht. Regisseur und Autor Sebastian Schipper hat längst seinen Weg in die erste Reihe des deutschen TV und Films gemacht. Wie schön ist es, nochmal einen Film lang wieder jung zu sein und einfach nochmal eine Nacht mit der Crew durchzumachen.
Natürlich ist das hier vollkommen subjektiver sentimentaler Scheiss. Aber, Leute, so bin ich eben, und mit gegen Ende 50 Jahren auf dem Tacho darf ich das auch!
“Absolute Giganten” – verfügbar in der ARD Mediathek bis 01.03.2023
“Das Leben ist eine Baustelle” – ARD Mediathek bis zum 15.02.2023
Und gleich nochmal Hamburg… und gleich nochmal genial – mit scharfe Soße!
“Dieses Land braucht (…) mehr solcher Komödien wie „Kebab Connection“, die das Gerede vom „Scheitern der Integration“ als Quatsch mit Soße entlarven. Oder kann sich jemand eine deutsche Innenstadt ohne Dönerbude vorstellen?”
Das Zitat habe ich ausgeliehen, denn die bis zum äussersten liebevolle taz Kritik von Daniel Bax, steht auch 18 Jahre später noch wie eine 1. Und bei (fast) allem wo Fatih Akin (Drehbuch) drinsteckt, hänge ich vor der Mattscheibe und habe Freude daran, am Leben zu sein. Regie: Anno Saul (2005)
Wenn sie das auch wollen, dann geben sie sich das einfach selbst in der Mediathek: Denis Moschitto, Nora Tschirner, Güven Kıraç, Hasan Ali Mete, Fahri Yardım, Sibel Kekilli, Kida Khodr Ramadan(!) und viele mehr. In der schönsten Stadt Deutschlands! (Wer dabei an was anderes als an Hamburg denkt, hat mein Mitgefühl aber leider einfach keine Ahnung.)
“Kebab Connection” – in der ARD Mediathek bis 22.02.2023
(K)Ein Frauenfilm mit Frauen von Frauen für alle
Da ich ein lebenslanger Fan von Drew Barrymore bin, bin ich viel Leid gewohnt. Denn in ihrer 40 jährigen Karriere hat sie wohl in mehr mittelschlechten Filmen spielen müssen, als ein Mensch sich freiwillig ansehen wollte. Da mach’ ich auch nix dran. Da muss ich eben durch. Denn ab und zu entschädigt sie mich doch für all die verloren Stunden und hinterlässt mich ebenso belohnt und glücklich.
Hier kämpft sie mit erheblichem Schmalzpotential: Eine Geschichte über die Freundschaft zweier Frauen, in der eine von beiden unheilbar an Krebs erkrankt. “Oh weh! “Love Story” (1970) anyone? Oder “Beaches” (1988)? Das war schlimm! Und, was soll ich sagen… es kam mindestens so schlimm und doch so viel besser.
Denn “Miss you already” (Regie: Catherine Hardwicke, UK, 2015) ist unglaublich gut gespielt und geschrieben und ist so kraftvoll, dass es mir tatsächlich zur Herausforderung wurde, beim Zuschauen die Tränen zurückzuhalten. Der Film ist durch und durch melodramatisch, doch er ist auch rau und komisch. Die Unmittelbarkeit der Schauspielerei fesselt einfach. Toni Collette (About A Boy) ist in jeder Szene ein Gewitter aus Wut, Gift und Leidenschaft. Richtig intensives Zeug! Und Barrymore gleicht es derartig mit Ruhe und wortlosem Mitgefühl aus, dass es selbst mir die Seele wärmt.
Das, so fürchte ich, muss ich mir leider nochmal ansehen.
“Im Himmel trägt man hohe Schuhe“ – in der ARD Mediathek bis 25.02.2023
Für Social-Media-Menschen…
ist das hier (k)eine kleine intellektuelle Herausforderung. Denn der Debut Film von Julia Langhof ist schon vom Ansatz ein Identifikationsding für alle, für die das Internet eine Erweiterung der Möglichkeit zum Ausdruck ihrer Persönlichkeit darstellt. Nun bin ich selbst schon 40 Jahre nicht mehr 17, aber so weit weg bin ich von Karl, dem Protagonisten, auch noch nicht, als dass ich dieses Coming-Of-Age Drama in der Informationsgesellschaft nicht mehr kapiere.
Ich hätte auf Teile der Geschichte auch verzichten können. Die Zeichnung der Familie, Freunde und ihrer Konflikte war im Grunde schon genug, einen eingebauten Politik/Bauskandal hätte es eigentlich gar nicht gebraucht. Aber da wo Karl mit seiner realen und virtuellen, echten und elektronischen, Bezugspersonen und Follower*innen interagiert, da geht der Film ziemlich gut und ziemlich nah. Die großartige Handkamera von Michal Grabowski und die glaubwürdigen Darsteller*innen tun den Rest.
Seit heute steht der Film (2017) für eine Woche in der ARD Mediathek, nächste Woche zieht er wieder weiter zu #ARTE – das koproduziert hat – und wo er 2021 zuletzt im Kinofestival gelaufen ist.
Mit Jonas Dassler, Lucie Hollmann, Eva Nürnberg, Karl Alexander Seidel, Marie Lou Sellem, PeterJordan
“LOMO – The Language of Many Others“ – verfügbar in der ARD Mediathek bis 07.02.2023
Zuletzt…
Ein Dokumentarfilm über das demokratischste Sitzmöbel des Planeten – den sie sowohl aus formellen als auch inhaltlichen Gründen nicht verpassen wollen. Er ist tatsächlich so gut!
(Nein! Es ist keine Bierbank!)
Mehr über den Film von Hauke Wendler beim Salzgeber Filmverleih.
“Monobloc” – in der ARD Mediathek bis zum 01.02.2024
Schreibe einen Kommentar