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Rüstungsriese – Bildungszwerg

100 Milliarden Sonderverschuldung für die Bundeswehr – im vergangenen Jahr bedurfte es weniger Stunden, bis sie vom Bundeskabinett beschlossen und damit eine Spezialreserve für die Rüstungsindustrie geschaffen wurde. Fast jeden Tag toben die Rüstungslobbyisten, wie die FDP-Abgeordnete Strack-Zimmermann oder der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, durch die Talkshows und wiederholen gebetsmühlenartig, die für die Rüstungsindustrie reservierten Gelder würden dort nicht schnell genug ankommen. Die Student*inn*en im Land, die durch die Energiepreiskrise an den Rand der Existenzkrise getrieben werden erwähnen sie mit keinem Wort.

Es ist diesen Politiker*inne*n offensichtlich egal, wo und von wem und unter welchen Bedingungen die Fachkräfte ausgebildet werden, die unsere Wirtschaft so dringend braucht und händeringend sucht. Ein Drittel der gesamten Studierendenschaft ist nach Auskunft der Studierendenvertretungen akut von Armut bedroht. Da ist es völlig unverständlich, wieso zum einen die Auszahlung des ohnehin nur einer kleinen Zahl von Studierenden zustehenden BAföG stockt, weil die elektronischen Antragswege so lausig funktionieren, dass viele Unterlagen, die Studis z.B. über die Einkommenssituation ihrer Eltern beibringen müssen, in den Studentenwerken wieder ausgedruckt und manuell bearbeitet werden müssen. IT-Wüste Deutschland! Dabei gehen die Studierenden, von denen viele während Corona ihre Nebenjobs verloren haben, einige ihr Studium deshalb aufgeben mussten, ohnehin finanziell am Krückstock.

Studis finanziell auf dem Schlauch

Noch viel gravierender wirkt sich aber aus, dass die von der Bundesregierung bereits Ende September 2022 beschlossene Energiehilfe für Student*innen von 200 Euro bisher nicht ausgezahlt werden kann, weil es angeblich keinen Auszahlungsweg und keine Software für die elektronische Beantragung gibt. Nun soll mit viel Bürokratie und Kosten ein neues elektronisches Antragsverfahren geschaffen werden, über das dann die Auszahlung erfolgt. Denn, so das Argument der Bürokraten, der Bund habe ja keine direkte Stelle, um Auszahlungen zu veranlassen. Zum einen stimmt das nicht, denn der Bund verfügt mit den Hauptzollämtern, die auch z.B. BAföG-Rückzahlungen anmahnen oder KfZ-Steuer kassieren, sehr wohl über eine bundeseigene Zahlungsverwaltung.

Bürokratie und IT-Fixierung

Völlig absurd wird es jedoch, wenn behauptet wird, man müsse nun ein gesondertes elektronisches Antragsverfahren einführen, da der Bund ja nicht wisse, wer die Studierenden seien. Das muss er auch gar nicht wissen. Um sicher zu sein, dass das Geld auch bei Studierenden ankommt, braucht er nur die Studierendenwerke, die den Semesterbeitrag einziehen, in die Abwicklung im Wege der Amtshilfe bitten. Es gibt nämlich praktisch keine Uni oder Fachhochschule, bei der die Studierenden nicht Semesterbeiträge zahlen müssen, die weit über den 200 € Energiebeihilfe liegen. Warum also nicht den Studis beim derzeit einzuziehenden Semesterbeitrag für das Sommersemester pauschal 200 € erlassen (oder zurückzahlen)  und diese von den Studierendenwerken beim Bund in Rechnung zu stellen und schnell zu erstatten? Warum nicht eine einfache Lösung zur Vermeidung eines Millionen Euro teuren Bürokratie- und Computeraufwandes, bei dem die Begünstigten viel zu lange leer ausgehen? Vermutlich allemal kostengünstiger als irgendwelche Befürchtungen der üblichen Bedenkenträger, die 200 € könnten dadurch vielleicht auch ein paar Seniorstudenten oder solchen, die nur proforma eingeschrieben sind, zugute kommen. So what!

Hauptsache üppig beraten

Aber wahrscheinlich haben die “üblichen Verdächtigen” Berater wie T-Systems, SAP, KPMG, EY oder wen man sonst so auf den Fluren der Ministerien oder Verwaltungen trifft,  (zumeist junge Männer in blauen Anzügen mit Notebooktasche) der Finanzverwaltung schon schillerndste Angebote gemacht, die dauern und Millionen kosten, weil private Dienstleister ja alles besser können, als die Verwaltung – und die Studis frieren oder gehen pleite. Dass die IT den Aufgaben folgt und nicht umgekehrt, haben die Verantwortlichen wohl noch nicht begriffen. Ist halt alles noch “Neuland” – nach wie vor, wie damals bei Merkel.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Rolf Sachsse

    Als 2006/08 in mehreren Bundesländern Studiengebühren eingeführt wurden, ging das viel schneller; teilweise dauerte es zwischen Landtagsbeschluss und direktem Einzug bei Studierenden bzw. Studienwilligen keine sechs Wochen. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive.

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