Beueler-Extradienst

Meldungen & Meinungen aus Beuel und der Welt

Mediathekperlen im Februar…

Eigentlich wollte ich die nächste Übersicht meiner persönlichen Mediathekperlen erst wieder gegen Ende des Monats schreiben. Doch sprachen zwei Dinge dagegen: Die Fülle des neuen Materials und die manchmal nur sehr kurzen Laufzeiten in den Mediatheken. Ersteres spricht ganz unzweifelhaft für die Qualität. Ob letzteres mal anders, hoffentlich sogar besser wird… die Fachmenschen im Medienjournalismus sind da eher skeptisch… das lesen sie aber schon an anderer Stelle im Extradienst. Hier geht es nur um Inhalte, Fiktion zumeist. Aber auch um was zum feiern… Entscheiden und wählen sie selbst! (Wie immer: Die Reihenfolge der Hinweise ist rein zufällig und unsortiert.)


Coming Home: Franka Potente

Immer, wenn Schauspieler*innen, die wir so gut kennen, wie Frau Potente, auf die andere Seite der Kamera wechseln, ergibt sich eine besondere künstlerische Chance – und für sie immer auch ein besonderes Risiko.

Ich war sehr gespannt auf den Film, gerade auch weil er in den USA spielt, statt in Deutschland. Denn so ergibt sich noch einmal ein anderer sozialer und kultureller Kontext – Wim Wenders, zum Beispiel, hat fast sein halbes Leben der Suche nach dem “amerikanischen Film” gewidmet. Und ich wurde in keinster Weise enttäuscht. Im Grunde bin ich froh, dass Frau Potente sich für “Arthouse” statt “Hollywood” entschieden hat. Ganz sicher ein Film einer Schauspielerin – die es versteht ihren Kolleg*innen viel Raum zu geben und Zeit… Jake McLaughlin war eine Entdeckung für mich. Und Kathy Bates – Hallo? – nur eine weitere ihrer einen ganzen Film prägenden Nebenrolle… und für die Regisseurin sicher eine sichere Bank!

Was den soziokulturellen Kontext angeht, nehme ich allerdings alles zurück. Der Film hätte wirklich überall spielen können. USA, Norwegen oder, was weiß ich… im Münsterland..? Weil er die alte und universelle Geschichte von Schuld, Sühne und Vergebung erzählt. Potente ist selbst schon lange “angekommen” in Amerika. Aber ihr Easter-Egg (ein Gruß an die alte Heimat) hat mir unendlich viel Freude gemacht… Erst fast überhaupt keine Filmmusik, und dann die effing DONOTS – in einem amerikanischen Film? Ja wie geil ist das denn?

Bei mir liegt der Film jetzt auf der Festplatte. Das schaue ich mir sicher noch ein, zwei, mal an!

Home | ARD Mediathek – bis 03.04.2023


Was wäre wenn der Mensch, den man liebt, immer der selbe ist?

Von Dominik Graf, dem Großmeister des deutschen Kriminalfilms, hat wahrscheinlich kein Mensch einen so poetischen, liebevollen, mysteriösen und, ja, übersinnlichen Film über die Liebe, bzw. das “Verlieben” erwartet, wie das, was diese Woche gegen den DFB-Pokal der Fußballmänner antreten musste.

Über die wundervolle Verena Altenberger und all den widerwärtigen misogynen Sexismus den sie erfahren musste, als sie sich (für einen ganz anderen Film) die Haare hat schneiden lassen, wurden längst schon genug Worte verloren. Ihrer Darstellung der älteren Christina hier, hat ihre äußerliche Erscheinung mir nochmal eine Dimension von Verletzlichkeit, Unmittelbarkeit und Nähe aufgeschlossen, die, so denke ich, keine*n Zuschauer*in unberührt lassen wird.

Ich habe den Film jetzt schon 2x gesehen, das ging einfach nicht anders. Einer von denen, die ganz lange bleiben. Auf der Festplatte und im Kopf.

Gesicht der Erinnerung – ARD Mediathek bis 08.05.2023


Bei der Produktion dieses Films kamen keine Tiere zu Schaden!

Echt jetzt… hier musste ich erst mal nachschlagen ob diese ziemlich einmalige Produktion (2018) tatsächlich aus dem (deutschen) ARD Degeto Haus stammt und nicht etwa von Helmut Zenker und Peter Patzak aus dem glücklichen Nachbarland Österreich. Glücklich sind die Menschen dort, weil brilliante TV Satire zwischen Wien, Salzburg und Innsbruck einfach die größere und ältere Tradition hat, als etwa ausgerechnet in Wolfsburg, Niedersachsen – dem fiktiven Ort der Geschichte.

Aber, doch und eben: Bei aller Tradition dann traut sich das deutsche Fernsehen ja noch immer nicht wirklich. Also etwa diese glücklich machende Komödie auf den 20:15 Sendeplatz zu stellen… denn so was hätte die Zuschauer*innen vermutlich verunsichern können. Mit einem Vergleich zu Loriot läge mensch gar nicht so weit weg… Auch wenn wir bei dem verstorbenen Großmeister wohl auf ein paar Stunts hätten verzichten müssen. Das hier ist schon ein ganzes Stück mehr “physical” als früher. Doch… “Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann!”

Bitte lesen sie hier nach, warum das Stück von Sönke Andresen (Buch) und Axel Ranisch (Regie) den Grimme Preis 2019 verdient hat… besser, sie schauen einfach selbst.

Familie Lotzmann auf den Barrikaden | ARD Mediathek bis 03.02.2024


A very English Scandal

Autor Russel T. Davies und Regisseur Stephen Frears haben es geschafft mit diesem kleinen 3-Teiler einen so großen Aufruhr im UK zu verursachen, dass der zugrundeliegende “Skandal” aus den späten 60ern / frühen 70ern gleich noch einmal die politische und moralische Gegenwart auf der kleinen Insel vor der französisch/belgischen Küste erschüttern konnte.

Und das lag zuvorderst auch an Hugh Grant, der sich im fortgeschrittenen Alter mehr und mehr traut, seinem inneren Teufel und seiner Freude an der Portraitierung männlicher britischer Prototypen völlig verkommener Moral Futter zu geben. Das ist nun wirklich nicht mehr Schwiegermutters Liebling… Aber, ganz ehrlich, Ben Whishaw ist hier eigentlich DAS Ereignis!

Die widersprüchliche Besessenheit Großbritanniens von öffentlicher Moral und gleichzeitig maximaler Boulevard -Erregung, sowie ein auf sozialer Unterdrückung, klassen-basiertes, politisches System – Das alles hätte für einen Film Tough-Shite gewesen sein können. Aus anarchischer Queerness, Mord und verweigerten Bürgerrechten etwa Unterhaltungsfernsehen zu machen, wer traut sich das?

Anlässlich der Übernahme der Mini-Serie von der BBC in die ARD Mediathek äußere ich mal vorsichtig die Hoffnung, dass auch die (inhaltlich völlig unabhängige) zweite Staffel – “A very British Scandal” – es in unser ÖRR-TV schaffen möge. Bei uns lief diese leider nur ausserhalb der Öffentlichkeit bei SonyEntertainment im PayTV.

A Very English Scandal | ARD Mediathek bis 08.03.2023
(Auch in Originalversion mit Untertitel verfügbar! Die lohnt sich dieses mal wirklich!)


Abu Nawas Café

Nils Michaelis schrieb im Vorwärts: “Dieser atmosphärisch dichte, spannungsreich inszenierte und zum Teil im Irak gedrehte Film will Brücken bauen, nicht nur zwischen ausgewanderten Iraker*innen und ihrem neuen Lebensmittelpunkt, sondern generell zwischen Kulturen, zumal in Zeiten anhaltender Migrationsbewegungen und des vielerorts grassierenden Rassismus .”

Für mich war der Film in den ersten Minuten etwas verwirrend. Das liegt ganz an der großen Anzahl von Protagonist*innen, die mir dann aber – auch als heterogene Gruppe – zunehmend an das Herz gewachsen sind. Irgendwie ganz wie die Menschen in Abu Nawas Café die es ja auch erst mal kennenzulernen galt.

Es ist ein Film der nur für seine Schauspieler*innen da ist. Die Geschichten, politisch, romantisch, über persönliche Freiheit und das Verschmelzen der Kulturen im UK, zwischen London und Baghdad. Das Einbrechen des radikalen Islamismus in die Community macht aus dem Stück jedoch keinen Politthriller, sondern ist nur der Rahmen für die wirklich inspirierten Charaktere. Ein Film über Nostalgie, Vergangenheit, Widersprüche, Identität und Integration, und eine neue Zukunft, die den Menschen endlich erlaubt und ermöglicht sie selbst zu sein und zu bleiben.

Ein wunderbar ehrlicher und äußerst spannender Film. Und ein ganz wunderbares, geradezu poetisches, Ende. Großes Kino! Wirklich absolut mitreißend!

Ein Film von Samir, UK. 2019. Kamera: Ngo TheChau, mit Haytham Abdulrazaq, Zahraa Ghandour, Muhanad Waseem Abbas, Maxim Mehmet u.v.a.

Baghdad in My Shadow | 3Sat Mediathek bis 14.03.2023


Anführerinnen

Mein ganzes frühes Leben lang, war ich ihr Apostel. Und da gab es, zu meiner Zeit, zum Glück eine ganze Reihe von Anführerinnen: Suzi Quattro, Debbie Harry, Joan Jett, Gianna Nannini, Patti Smith, Siouxsie Sioux, Helen Schneider, Chrissie Hynde … Ich hab sie alle geliebt und wär’ wohl heute nicht hier, wenn ich nicht von ihnen hätte lernen können… Rock’n’Roll war lange kein “Jungs”-Ding mehr… aber Chris war und bleibt einfach die coolste von allen – und sie hatte ihre eigene Band – The Pretenders.

Wenn sie alt genug und dabei gewesen sind, dann ist diese neue Bio (2021) in der Arte Mediathek hoffentlich ein solches Fest für sie & euch wie für mich. Sind sie zu jung, dann feiern sie mit ihren Eltern! Dazu gibt es noch ein fantastisches Livekonzert aus 2017.  ;-)

The Pretenders – Chrissie Hynde, Frontfrau des Rock – Die ganze Doku | ARTE bis 15.08.2023

The Pretenders – Decades Rock Live! – Feat. Iggy Pop, Kings of Leon…  | ARTE Concert bis 31.07.2023


Harz4TV in der Brandenburger Steppe

Das muss die zweite oder dritte Wiederholung sein, aber diese kleine – und mit dem Grimmepreis gekrönte – Serie des RBB wird dadurch ja nicht schlechter! Zusammen mit dem einzigartigen Kleinod “Warten auf den Bus” (2020/21) von Oliver Bukowski (leider gerade nicht in der Mediathek) ist “Tina Mobil” ein schönes Zeugnis dafür, dass beim jüngst skandal geplagten Hauptstadt/Brandenburg Sender ein paar Menschen tatsächlich tolle Arbeit leisten – und eine Kreativität, die mensch bei anderen Anstalten sehnlichst vermisst.

Diesen 6teiler hat ua. die XFilme-Creative Pool GmbH zu verantworten… Hier einmal Hartz4 TV das tatsächlich unterhaltsam, nachdenklich und ganz und gar nicht realitätsfern komponiert wurde. Und selbst wenn die Drehbücher mitunter mal etwas unterkomplex daherkommen, Regie und Szenenbild Berlin und die Brandenburgische Steppe nur sehr konventionell zeigen, hat das Werk einfach sehr überzeugende Darsteller:innen (Besonders zu erwähnen: Die von mir als Königin der Nebenrollen geliebte und verehrte Carmen Maja Antoni!). Und diese machen diese kleinen Mängel wirklich mehr als wett!

Schön ist das, wirklich einfach schön – auch wenn und weil das Leben dir mal die Arschkarte zeigt!

Tina mobil – ARD Mediathek bis 12.06.2023


Staatsfeind Nr. 1

Und zum Schluss, ein wirklich besonderes Stück! Nicht weil es FSK18 ist, nicht weil es eine ziemlich brutale globale Schießerei und Schlägerei – ein vierstündiger französischer Polit-Terror-Actionreisser in zwei Teilen – ist, sondern weil so was in der ARD Mediathek inzwischen noch seltener ist, als ein gegenderter Witz von Dieter Nuhr. Eben großes, lautes, schnelles, schmutziges Kino! Und, ja! Auch das ist, für mich öffentlich-rechtlicher Programmauftrag !

Der einst fantastische Gerard Depardieu mag inzwischen (so wie hier) zu einem Nebendarsteller degeneriert sein – und ist selbst wohl am meisten Schuld daran. Das wird um so deutlicher, wenn man ihm die ungefilterte Energie von Vincent Cassel gegenüberstellt. Bang! Grossartig!

Klar, muss ein Filmemacher wie Jean François Richet sich auch der moralischen Frage stellen, dem realen “Gewaltverbrecher” Jacques Mesrine möglicherweise ein unkritisches filmisches Denkmal errichtetet zu haben. Ganz so wie der Staat Frankreich – und hier wirkt der Film eben auch – die Verantwortung für seine “öffentliche Hinrichtung” zu tragen hatte.

“Fazit: Elektrisierende Gangstersaga über den berühmtesten Verbrecher Frankreichs, die Biopic-Elemente mit Motiven des Actionkinos mischt. Schnell, brutal und hart.“ CINEMA, 2009

Public Enemy No. 1 – Teil1 – Mordinstinkt | ARD Mediathek bis 28.02.2023

Public Enemy No. 1 – Teil 2 – Todestrieb | ARD Mediathek bis 06.03.2023

Über Der Maschinist:

Der Maschinist lebt und arbeitet in einem tiefen Keller irgendwo im südwestlichen Münsterland. Früher hat er als Bergmann, Taxifahrer, Regaleinräumer im Möbelhaus und auch mal ca. 4 Wochen bei der WAZ-Lokalredaktion in seiner Geburtsstadt gearbeitet. Seit über 30 Jahren macht er "was mit IT". Im Extradienst schreibt er unter Pseudonym, weil er gerne mit dem Google-Algorithmus spielt. Mit dem Herausgeber ist er verwandt aber nicht verschwägert. #FußgängerFirst!

3 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Jou, Frau Altenberger in der Regie von Herrn Graf, kann ich bestätigen, vergisst mann nicht. Wo hatten die nur die schicken Wohnungen her? Und schade, für mich als Zuschauer, dass Altenberger aus dem Polizeiruf 110 wieder ausgestiegen ist; aber für Spitzenschauspieler*innen sind Serienrollen natürlich immer nur das zweitbeste Angebot. 30 Jahre jünger als ich und so eine Filmografie:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Verena_Altenberger

  2. Veronika Hüls

    Ich schließe mich Herrn Böttger an. “Gesicht der Erinnerung” war ein toller Film! Schade das nur wenige ihn gesehen haben.

    Wäre es möglich, nur die Mediathektipps zu abonnieren? Ich habe nicht so gerne so viele Mails im Postfach. Doch darüber würde ich mich wirklich freuen!

    Herzlichen Dank für diesen Dienst! Vero

    • Der Maschinist

      Wäre es möglich, nur die Mediathektipps zu abonnieren?

      Liebe Frau Hüls, danke für die Anregung! Ich habe es soeben umgesetzt. Nun ist das ist möglich! Bitte schauen sie auf unsere Newsletter Aboseite.

      Herzliche Grüße,
      ihr Maschinist

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