Keine Ahnung, wie es in ihm aussieht. Wäre ich er – der Anblick wäre furchterregend, im ambivalenten Sinne dieses Wortes. Seine öffentlichen Einlassungen zu der Art, wie ihn sein einstiger jahrzehntelanger Arbeitgeber behandelt, sind von vergleichsweise bemerkenswerter analytischer Coolness. Ich wüsste nicht, ob ich die noch aufbringen würde. Anlass meiner Bemerkungen ist das Interview, das er den nachdenkseiten gab. Denen ist die Schadenfreude über das selbstgemachte Desaster der Online-Konkurrenz sinnlich anzumerken. Eine Alternative sind sie nicht wirklich – besserwissendes über die Schlimmness der kapitalistischen Welt ramenterndes linkes Sektierer*innen*tum ist genauso überflüssig wie Vermehrung des “Mainstream”. Qualitativ strenge Mediendiät – das hält gesund. Aber zurück zu Rötzer.
Hier das nachdenkseiten-Interview mit ihm: “Telepolis löscht auf einen Schlag 25 Jahre Geschichte“.
Und hier meine Lieblings-Rötzer-Sätze. Warum Heise hier ein Eigentor schiesst: “Telepolis mit relativ kleinem Budget und sehr begrenzter Abdeckung von Themen kann mit den Großen nicht mithalten. Überlebensfähig ist so ein Medium nur, wenn es sich in einer Nische einrichtet und sich in Inhalt, Sprache und Stil vom Mainstream abgrenzt. Versucht man dagegen, auf den Mainstream aufzuspringen, hat man verloren. Die gewachsene Leserschaft wird vergrault, und den Platzhirschen kann man das Wasser nicht abgraben.”
Und wonach es stattdessen Bedarf gibt: “Wenn KI wirklich in größerem Umfang eingesetzt wird, wäre das jedenfalls noch einmal ein krasser Unterschied zu dem, was ich immer präferiert und Autorenjournalismus genannt habe. Es wird nicht Objektivität, auch durch Sprache, simuliert, sondern der Text wird verantwortet von einem Autor mit seinen erkennbaren, daher transparenten Perspektiven, der sich mit Angabe der Quellen bemüht, dem Leser einen möglichst guten Einblick in Sachverhalte oder Ereignisse zu bieten.” Und dann möge die*der Leser*in entscheiden.
Vor Jahren konnte man mit einem Artikel in Telepolis noch Aufmerksamkeit erzeugen und diese Veröffentlichung politisch einsetzen. Das scheint immer weniger der Fall zu sein. Mir hat die Arbeit mit Florian Rötzer sehr viel Spaß gemacht. Mit Neuber macht es keinen Spaß. Was der mit dem Archiv veranstaltet ist eine Sauerei.