Vorweg: ich bin nicht vom Fach. Ich kannte und kenne einzelne sehr respektable, sogar sympathische Polizist*inn*en. Im Gegensatz zu Militär und Geheimdiensten bin ich nicht der Meinung, dass sie abgeschafft werden sollten. Im Gegenteil: eine demokratische Gesellschaft und ein Rechtsstaat brauchen eine Polizei von exzellenter Qualität. Wer ein*e gute*r Polizist*in werden will, muss eine harte Ausbildung absolvieren, geistig und körperlich. Das ist gut so. Aber dazu hätte ich eine Frage: was ist mit dem Schiesstraining?
Wie kommichdrauf? Durch meinen Medienkonsum. Trotz Diät. Immer wieder ist zu lesen, dass mehr oder minder schwere Missetäter durch Polizeischüsse getötet wurden (immer wieder ist dabei Dortmund verhaltensauffällig – oder etwa nicht?). Oftmals mit grossem Besteck: Kommandos von mehreren vermummten Bewaffneten verfolgen und stellen einen mutmasslichen Kriminellen, und wissen sich nicht anders zu helfen, als durch Totschiessen?
Das bin ich von Nachrichten aus Saudi-Arabien gewöhnt. Dort werden Terroristen vorsorglich ohne Ermittlungen und Prozess erschossen, weil sie zu viel über ihre Verbindungen in die Königsfamilie mit ihren mehreren tausend Prinzen erzählen könnten, die sich von Organisierter Kriminalität kaum unterscheiden.
Aber hier, im Rechtsstaat? Und siehe. Mein Gefühl lässt sich – leider – empirisch unterlegen. In 2024 wurden auf diese Weise 22 Menschen getötet, mehr als das Doppelte von 2023. Und in diesem Jahr sind es im April schon 11.
Ich gebe zu: ich hatte nie eine Waffe (nur als Kind mit Cowboykostüm und Spielzeugrevolver) und bin völlig ahnungslos in ihrem Gebrauch. Aus den lächerlichen Kenntnissen von TV-Krimis frage ich mich: warum können Polizist*inn*en auf kurze Distanz ihre Gegenüber nicht “kampfunfähig” schiessen, also gewöhnlich in die Beine statt in lebenswichtige Organe? Üben die das nicht? Warum nicht?
Polizist*innen sind auch nur Menschen. Sie unterliegen den gleichen Mechanismen, wie alle anderen Bürger*innen, die in einer alarmistischen Gesellschaft von hysterischen Medien aufgehetzt und in Angst gehalten werden und deshalb AfD wählen. Seit einigen Jahren – signifikant seit der Flüchtlingsdiskussion 2016 – wird jeder Anschlag zum Weltuntergangsszenario hochgespielt. Ob Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg – anstatt erst einmal abzuwarten, was eigentlich passiert ist, übertrumpfen sich die analogen Medien mit “Sonderausgaben”, “Brennpunkten” ohne jeden Informationswert und schüren Angst. Ganz zu schweigen von der Hetze im Internet. Angst vor Kriminalität. Konventionelle und (A)soziale Medien behaupten einen Anstieg von Kriminalität, aber in Wirklichkeit ist sie in den vergangenen 25 Jahen um über 30% zurückgegangen. Aber diese Information findet offensichtlich in der Öffentlichkeit und in der Polizei nicht statt.
Dazu kommt eine massive Portion Unkenntnis, wie im Fall des von Dortmunder Polizisten ermordeten senegalesischen Jugendlichen. Ein verwirrter, seelisch am Ende befindlicher Jugendlicher richtet ein Messer gegen sich, geht auf insgesamt 17 Polizisten zu und wird durch Schüsse aus einer Maschinenpistole (!!!) getötet, die nur für außergewöhnliche Lagen – Schusswechsel mit der OK oder Rockerbanden, wie in Köln – überhaupt in Polizeifahrzeugen im Kofferraum liegt. Dazu ein gerütteltes Maß an Blödheit, weil keiner den Erdkundeunterricht in der Schule erinnert, als erklärt wurde, dass die Amtssprache im Senegal Französisch und nicht Englisch oder Türkisch ist. Der Freispruch des Täters vor Gerichts war ein Skandal. Dass er nicht als Fehlurteil thematisiert wird, ein doppelt und dreifacher.
Und im jüngsten Fall: Ja, man soll halt der Polizei nie den Rücken zukehren. Selber schuld. Ich wette, es wird wieder einen Freispruch des Täters geben. Das muss man doch verstehen – bei DER Bedrohungslage durch Flüchtlinge, irreguläre Migration und Attentäter…..