von Rainer Bohnet

Rund 200 SPD-Mitglieder und interessierte Bonnerinnen und Bonner erlebten einen kämpferischen stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden Ralf Stegner.

Die SPD steht am Scheideweg zwischen einer desaströsen Wahlniederlage, ihrer Verantwortung als Oppositionsführerin und ihrer Rolle als staatstragende Regierungspartei. Eine äußerst komplizierte Gemengelage, die parteiintern erklärt, diskutiert und entschieden werden muss. Ralf Stegner machte allerdings deutlich: “Egal wie die Sache ausgehen wird, wir werden uns teuer verkaufen.”

Anschließend wurde u.a. in einem Workshop zum Thema Mobilität über das verkehrspolitische Spannungsfeld Bonns zwischen Stau und Seilbahn gesprochen. Einige Diskutanten waren erst 16 Jahre jung und seit wenigen Tagen SPD-Mitglied.

Die derzeitige Lage ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmalig. Die SPD wird als Regierungspartei krachend abgewählt, stellt sich auf vier Jahre Opposition ein, will die Wahlniederlage gründlich analysieren, soll jünger und weiblicher werden und die innerparteiliche Kommunikation und Debattenkultur moderner, menschlicher und transparenter machen. Und sie will linker und kämpferischer agieren. So weit, so gut.

Jetzt platzen die Jamaika-Sondierungen. Deutschland, wirtschaftspolitisch vor Kraft strotzend, kommt in eine gefühlte Krise, der Bundespräsident nimmt das Heft des Handelns verfassungskonform in die Hand und die diversen Parteivorsitzenden werden bei Frank-Walter Steinmeier vorstellig. Mit der Konsequenz, dass die am Boden liegende SPD plötzlich und zwanghaft staatstragend werden soll.
Dass eine Partei mit einer völlig neuen und unerwartet aufgekommenen Situation, die sich innerhalb einer knappen Woche entwickelt hat, nicht nur fertig werden muss, sondern trotzdem die substanzielle Neuausrichtung nicht aus den Augen verlieren darf und zusätzlich innerparteilich unendlich viel debattieren muss, erklärt vielleicht deren äußerst missliche und komplizierte Lage.

Nun geht es zunächst ergebnisoffen weiter. Am Schluss soll die Parteibasis das letzte Wort haben. Währenddessen regiert die SPD unverdrossen geschäftsführend weiter, pflichtbewusst und staatstragend. Bleibt zu hoffen, dass sie aus einer falsch verstandenen Staatsverpflichtung bei der nächsten Bundestagswahl nicht zerlegt wird und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.

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