von Rainer Bohnet

Große Konzerne bestimmen die Schlagzeilen. Sie haben in der Regel ihre Bilanzen im Blick und stehen in einem globalisierten Wettbewerb, der auf Einzelschicksale keine Rücksicht nimmt. Ein aktuelles Beispiel ist der Siemens-Konzern, der Gewinne erzielt, im Gegenzug aber diverse Werke schließen will, die angeblich nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Dagegen regt sich Widerstand und ganze Regionen haben Angst vor Arbeitslosigkeit oder vor einem ungewissen Strukturwandel.

Man fragt sich in solchen Fällen immer, wo die Gemeinwohlverpflichtung der Konzerne bleibt. Eine Verpflichtung, die irgendwie nicht mehr in unsere wettbewerbsgetriebene Welt zu passen scheint. Man sollte unser Grundgesetz zitieren, das in seinem Artikel 14, Absatz 2 von der Verpflichtung des Eigentums für die Allgemeinheit spricht.

Wie ist diese Verpflichtung zu interpretieren? Legt sie den Firmenchefs die Fesseln an und macht sie zu Verlierern der Globalisierung? Nein, nicht zwangsläufig, wenn sie bereit sind, im Dialog mit den Gewerkschaften und der Politik ihre Firmenpolitik nachhaltig zu gestalten. Dazu gehört eine frühzeitige Transformation ganzer Industriezweige wie z.B. der Autoindustrie oder der Energiewirtschaft. Wenn man diesen Strukturwandel vernünftig, frühzeitig, transparent und offen einleitet, schafft das Vertrauen und die Bereitschaft der Betroffenen, sich diesen Veränderungen zu stellen. Unterbleibt die Transformation, führt das zu harten Einschnitten mit großen sozialen Verwerfungen.

Gemeinwohlverpflichtung ist allerdings mehr. Für sie steht in unserem Wirtschaftssystem vor allem der Staat. Wenn alle Firmen einen aktiven Beitrag für das Gemeinwesen leisten, der sich nicht ausschließlich an der Schaffung von Arbeitsplätzen erschöpft, würden sie sich indirekt für die soziale Marktwirtschaft und die Demokratie einsetzen. Das kann durch ein gemeinwohlorientiertes Unternehmenssteuersystem gestaltet werden, von dem Unternehmen konkret profitieren könnten.

Unsere Arbeitswelt läuft Gefahr, zum Spielball der Konzerne zu werden, denen der Artikel 14 des Grundgesetzes weitgehend egal ist. Sie drohen ständig damit, den Standort Deutschland zu verlassen, wenn es ihnen hier zu kompliziert oder ungemütlich wird. Deshalb muss die Gemeinwohlverpflichtung so einfach wie möglich ausgeformt werden. Daran wären die Gewerkschaften, weite Teile der Politik und die Beschäftigten mit großer Sicherheit stark interessiert.

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