Wer mag noch hinschauen? Brauchen Sie jetzt eine EM?
Selbst Fans blicken nicht mehr durch. Kürzlich sprach ich mit einem FC-Fan, der an den DFB-Intrigen nichts mehr kapiert. Ein FC-Fan. Müssten die sich nicht mit Kölner Intrigen auskennen, also prädestinierte Fachleute sein? Nun ja, die sind natürlich mit Abstiegskampf ausgelastet. Prognose: auch für Kölner*innen wird die 2. Liga die interessantere. Der DFB dagegen ist weit tiefer gesunken.
Hinweise hatte ich hier (ganz unten, bei “Männer”) schon gegeben. Nun entdecken auch die Leitmedien den “Amateurvertreter” Rainer Koch als “Strippenzieher”. Er ist gewiss nicht der Einzige, aber sicher einer der erfahrendsten. Im Kern ist er jedoch als “Amateurvertreter” für die “Profis” von der DFL kein Ärgernis, sondern ein strategisches Geschenk. Koch ist kein telegener Talkshowgast. Beifallsumrauschte Redebeiträge sind nicht seine Baustelle, hat er nicht gelernt, wird er auch nicht mehr lernen. Öffentlichkeit und Transparenz sind ihm ein Gräuel. Damit ist er für die “Profis”, die “Modernisierer”, die Verkäufer des Fussballs der ideale “Gegner”, nämlich ein Opfer.
Darum wird es als nächstes gehen: in zwei Jahren endet die Laufzeit des “Grundlagenvertrages” zwischen DFB und DFL. Er regelt die Ausgleichszahlungen, die die milliardenschwere DFL für den Amateursport leistet. Das war 2000 bei der Gründung der DFL eine Bedingung für ihre sportrechtliche Legitimation. Heute weiss jedes Kind, dass die Amateure, wie es üblich ist, dabei von den Profis über den Tisch gezogen worden sind. Die Profis spielen sogar mit Virus für viel (Fernseh-)Geld. Sie haben genug davon, um damit auch das eine oder andere Gesundheitsamt zu kaufen. Die Amateure dagegen sind seit Mitte März 2020 tot, mausetot. Und machen seitdem nur noch solche Dinge, wie Rainer Koch. Schade eigentlich.
Lahme Enten
Neuer Trend bei den Profis: die Ablösesummen für Trainer überholen die für die Starspieler. Dass die Trainer wichtiger sind als einzelne Spieler liegt an der Kommandostruktur. Sie geben die Befehle, bestimmen die Strategien. Es ist eher überraschend, dass das so lange gedauert hat. Seit dem System “Klopp” sind sie ausserdem die kommerziellen Showrunner mit den höchsten Werbeumsätzen. Das ist die neue Zeit, mit reichlich Verspätung im Fussball angekommen.
Wenn da nicht immer noch die Hindernisse wären, die das Sportliche in den Weg stellt. Ein Befehlshaber, der bekannt gibt, dass er demnächst geht, weil es ihm woanders besser gefällt, verliert automatisch die faktische Befehlsgewalt. Rose in Gladbach servierte seinem Noch-Verein eine aussergewöhnlich teure Niederlagenserie: die Nichtqualifikation für europäische Wettbewerbe wird bedeutend teurer, als die Ablösesumme, die der BVB zahlt. Hütter (Frankfurt), den Gladbach darob erwarb, verlor als erstes 0:4 gegen seinen nächsten Arbeitgeber, und gefährdet bei seinem jetzigen die Champions-League-Qualifikation. Und Wundertrainer Nagelsmann verlor und vercoachte gestern 1:4 das Pokalfinale. Nackte Strategen beeindrucken wenig.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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