Im Informationskrieg geht es heiß her. 2002 publizierte die “story”-Redaktion des WDR die Dokumentation “Es begann mit einer Lüge”, mit der der erste deutsche Angriffskrieg gegen das damalige Jugoslawien 1999 charakterisiert wurde. Der Film war so akkurat gearbeitet, dass er die Karriere seiner Autoren nicht wirklich beschädigte. Jo Angerer kuratiert weiterhin Dokumentarfilme für ARD und WDR, Mathias Werth besetzt einen attraktiven Auslandskorrespondentenposten in Paris. Dennoch liess der Film SPD- und CDU-Leute im WDR-Rundfunkrat nicht ruhen, bis sie endlich einen schwachen “Monitor”-Beitrag entdeckten, den sie demonstrativ mit Stimmenmehrheit rügen konnten. Angerer und Werth gehörten früher beide dieser Redaktion an.

Eine Botschaft, die dieser Film uns damals schon übermittelte: wenns in der deutschen Öffentlichkeit mal so richtig eskaliert und Aufmerksamkeit erregt werden soll, gehts nicht mehr unterhalb von Nazi- und Auschwitzvergleichen. Man kann feststellen: Schröder, Scharping und Fischer haben unserer Öffentlichkeit mit ihrem Niederreissen dieser Schamgrenze einen bleibenden Schaden zugefügt. Haben wir diese “Normalisierung” gewollt?

Die Frage ist müssig, “verschüttete Milch”. Ich nehme mal mehrere Beispiele meines “Leitmediums” Telepolis. Thomas Pany hatte sich gestern um eine faktensichere Recherche zu Aleppo bemüht. Peter Nowak setzt nun heute recherchearm aber heissblütig-polemisch nach, und unterstellt seiner zum Teil benannten, zum Teil imaginierten Gegenseite 2.-Weltkriegs-Fantasien. Er hat es wohl keine Nummer kleiner.
Paul Schreyer nimmt die recherchebefreite Lautsprecherfunktion der FAZ für “unsere” Geheimdienste auseinander.
Chefredakteur Florian Rötzer gelingt sogar eine differenzierte Einschätzung des Information Warfare zwischen den USA und Russland. Obamas Antriebe in diesem Propagandakrieg um Cyberfantasien lassen sich nur spekulieren, worauf Rötzer wohltuend verzichtet. Wenn er es doch nur seinen testosterongetriebenen Mitautoren beibringen könnte.
Eric Bonse, schon zu seinen Jugendpresse-Zeiten ein unabhängiger Kopf, EU-Korrespondent für Telepolis und taz (und zuvor mehrere Jahre beim Handelsblatt), gibt ein Beispiel für kritisch-coolen Journalismus vom EU-Gipfeltreffen. Geht doch.
Ein Schmuck dieses Onlinemagazins ist, dass es immer wieder auf im Informationskrieg untergehende Themen hinweist, heute z.B. auf die Rohstoffkriege im Kongo.

Eine besondere Erwähnung verdient heute Spiegel-online.
Thomas Fricke, wie immer: heute wendet er sich gegen Schwarz-Weiss-Zeichnungen zum Thema Freihandel. Er ist weder Gut noch Böse. Entscheidend ist immer die Politik, ob sie ihm dienen oder ihn steuern will.
Und Jakob Augstein würdigt die Marxismus-Renaissance. Inhaltlich gründlicher ist die allerdings in dieser Deutschlandfunk-Essay-Reihe, zusammengestellt von Matthias Greffrath, zu finden.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net