Meine Leser*innen wissen, dass ich für Trash-Talkshows keine Zeit habe. Dafür habe ich meinen Mitautor Roland Appel und Hans Hütt/FAZ. Wenn ich Hütt glaube, muss es gestern wieder besonders schlimm gewesen sein. Wie tief kann der die Produktion beauftragende Sender noch sinken? Immerhin war er es, der 1973 damit angefangen hat.
Damals galt eine Talkshow als gefährlich-unkontrollierbares Etwas. Dazu beigetragen hat gewiss der erste deutsche “Talkmaster” Dietmar Schönherr, eine wohltuend politische Erscheinung im damaligen Entertainmentgeschäft. Schönherr war Zeit seines langen Lebens in der Friedensbewegung und insbesondere in der Nicaragua-Solidarität engagiert. Ein enger Freund von ihm lebt hier in Beuel und hat sich um seinen Nachlass gekümmert.
Die damals noch mutigen von Rechts gefürchteten Redakteur*inn*en des WDR, was würden sie denken und sagen, wenn sie Plasberg und Maischberger noch miterleben müssen? Kürzlich habe ich festgestellt, dass Reinhard Münchenhagen noch lebt – ogottogott, hoffentlich guckt der arme Mann sich das nicht mehr an.
In diesem Kummer habe ich nachgeschaut, wie lange wir das garantiert noch ertragen müssen. Wie gesagt, ich schaue es nicht. Aber ich bezahle es. Es verstopft Sendeplätze, die besser gefüllt werden können. Ergebnis: die Verträge mit Will (NDR), Plasberg (WDR) und Maischberger (WDR) laufen noch bis Ende 2020. Es geht um namhafte Millionenetats. Die Sender und Produzent*inn*en weigern sich, die genauen Beträge offenzulegen. Als Orientierung kann dienen, dass der WDR-Anteil (innerhalb der ARD ein Viertel bis ein Drittel) bei allen Dreien jeweils über 2 Mio. € beträgt, weil bei Überschreiten dieses Betrages der Rundfunkrat befasst werden muss.
Mein Vorschlag: Geld und Sendeplätze für journalistische Dokumentationsformate – und zwar ohne vorher die “Reality” zu “scripten”! – einsetzen, inkl. einer langfristigen Mediathek-Verfügbareit. Ich würde sogar 2-5 € mehr im Monat für sowas bezahlen. Aber nur dann! Gerne lasse ich mich auch von besseren Ideen überzeugen.
Wichtig für Widerstandskräfte in den Sendern und ihren Gremien: wer Alternativen zu diesem Trash durchsetzen will, muss spätestens jetzt daran arbeiten. Denn 2020 beim Auslaufen der Verträge wird die Ausrede lauten: jetzt, im Bundestagswahlkampf, wären die “profilierten” Talkformate besonders wichtig für den Demokratie. Haben wir gelacht ….
Wo könnte mann/frau nach Alternativen fragen? Z.B. hier, oder hier. Aber es gibt noch viele, viele Andere.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net