Kleine Nachbetrachtung zu „Feudalismus als Geschäftsprinzip.

Also einem Hausmeister, der den Generalschlüssel verliert, den würde ich rauswerfen. Wenn das dem Chef passiert, druckst der ein bissel rum: „nicht so schlimm, ich hab ja noch einen…”

Weil wir von Microsoft – oder besser in dem Fall zu sagen: Feudalherren – bei all unserem Tun abhängig sind, glauben wir dem Konzern, glauben, dass wir sicher sind. Auch dann, wenn Microsoft uns dreist ins Gesicht lügt. Aber auch dafür müssen wir Verständnis haben, schließlich war es eine Notlüge, nur weil es aufgefallen ist, sonst hätten sie nicht lügen müssen, sondern einfach weiter gemacht, business as usual, alles andere ist geschäftsschädigend, auch im Feudalismus (nur nicht so schlimm).

Weil der ganze Bumms nun viel dicker war, als gelogen werden kann, haben sie die Hosen runter gelassen, nicht zu viel, nur so viel, dass die Bösen geraubt haben, was ihnen vor die Füße geworfen wurde. Microsoft lügt aber weiter, sie hätten aus den Vorfällen gelernt und Maßnahmen ergriffen.

Wer sich selbst ein Bild machen will, wie professionell Microsoft arbeitet findet es in deren tiefenwirksamen Eigenanalyse

Muss aber keine(r) lesen oder verstehen, das ist ja nur, um die zu beruhigen, die noch immer sagen, Microsoft ist sicher. Das sieht bei der c’t vom Heise-Verlag etwas anders aus, wenn die zum Thema kommen

Uups – selbst die Tagesschau schreibt: „Hacker-Angriff auf Microsoft war gravierend

Welch ein Euphemismus – aber die letzte Überschrift gibt Hoffnung: „EU-Institutionen von Microsoft unabhängig machen” – das ist zwar so gut umzusetzen, wie in Amerika die Todesstrafe abzuschaffen, aber wir haben mal drüber geredet.

Die Tagesschau fährt sogar scharfes Geschütz auf, so zitieren sie den Cyberkrieg-Experten Sandro Gaycken mit den Worten: „Microsoft hat das Ereignis stark runtergespielt, da natürlich das Vertrauen in deren Cloud-Infrastruktur gefährdet war.” Nun, die war zwar immer schon mit höchster Vorsicht zu genießen, die haben es nur jetzt bewiesen, besser die Finger davon zu lassen.

Und Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, kommt zu der tiefen Erkenntnis: „Der aktuelle Vorfall bei Microsoft zeigt, dass selbst die beste Verschlüsselung nichts bringt, wenn die Angreifer den Schlüssel haben. Microsoft muss nun konkret klären, wie die Angreifer an den Key gelangen konnten und warum der laufende Angriff nicht eher aufgefallen ist.

Haben sie doch, nur das macht es nicht besser, sondern viel spannender! Um es mit einfachen Worten grob zu beschreiben: Es gibt eine Entwicklungsumgebung (das dürfte die Stelle sein, wo auch die Geheimdienste kunstvoll mitmischen) und die muss von der Produktionsumgebung abgeschottet sein, war aber nicht so ganz, Microsoft hat ganz eigene Vorstellungen vom Qualitätsmanagement. Und da haben die Chinesen dann doch glatt zugegriffen – im Gegensatz zu Microsoft, wussten die, was sie tun.

Mit Sicherheit bleibt nur eins zu sagen: Die Sicherheit der Microsoft-Produkte war von jeher  bedauernswert, aber als Feudalist lässt sich damit prima leben.

Es mag den Privatanwender nicht unbedingt stören, wer noch auf seinem Klo sitzt, Hauptsache er fühlt sich sicher. Institutionen und Behörden sollten allerdings sehr viel sensibler mit ihrer Technik und Software umgehen, das müssen wir sogar einfordern.

Natürlich ist es – mit dem was Microsoft soeben abgeliefert hat – sehr einfach, Forderungen zu stellen, wie Patrick Breyer von den Piraten (Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) im EU-Parlament) „Schrittweise müssen wir uns von US-Konzernen unabhängig machen und auf freie, selbst verwaltete Technik umsteigen”

Nachdem alles in China sein dürfte und wir – dank Microsoft – auch nicht wissen können, was alles abhanden kam und noch in den Tiefen zum Abruf schlummert, ist es für ein „schrittweise” zu spät. Damit hätten wir besser vorher angefangen, nicht weil wir Microsoft kaum vertrauen, sondern weil es immer ein Beweis der eigenen Unfähigkeit bleibt, reine Monokulturen zu bewirtschaften. Wenn der Feudalherr einen Fehler macht, dann sind wir eben ausgeliefert.

Es wäre an der Zeit einmal etwas anzupacken, bewusst zu verändern. Behörden können das nicht – aber Du, lieber Leser, der es geschafft hat bis hierhin zu kommen, Du! Du könntest doch diesen Datenmoloch aus dem Fenster treten? Einen Apple kaufen – oder wesentlich umweltfreundlicher, Deinen alten Rechner entseuchen, ein anderes Betriebssystem draufspielen. Ach, Du weißt nicht wie das geht? Hast Angst vor einem Leben ohne Feudalherren?

Eine letzte intime Frage: Bist Du Beamter in leitender Position? (Dumme Frage, der käme nicht bis hierhin…)

Hinweis in eigener Sache:
Eine sorgfältig gegenderte Version dieses Textes wird zu gegebener Zeit veröffentlicht.

Über Christian Wolf:

Christian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)