Kürzlich habe ich persönliche Erinnerungen an 1972 in Bonn niedergeschrieben. Nun publizierten Albrecht Goeschel und Markus Steinmetz/telepolis einen Wutausbruch über das München 1972. Es korrigiert manche meiner damaligen München-Klischees, übertreibt aber gleichzeitig seine Bedeutung. Das Ruhrgebiet beherbergte seinerzeit 6mal so viele Wähler*innen wie die bayrische Hauptstadt, darunter mit Essen-Nord (MdB Reuschenbach, zuvor Referent von Brandt) und Duisburg-Nord (MdB Schluckebier, der hiess wirklich so) die erfolgreichsten SPD-Wahlkreise, mit jeweils knapp 70%. In dem Essener Stadtteil Karnap, in dem ich wohnte, waren es knapp 80. Dort waren viele vielleicht neidisch auf die Münchener U-Bahn (sie kam in Essen 15 Jahre später, zerstörte Stadtteile und Stadtfinanzen); und das Attentat wurde mehrheitlich als Beweis gesehen, dass es besser wäre, wenn Israel und Palästinenser lernen würden, friedlich zusammen zu leben – mit anderen Worten: es war für die Bundestagswahl 1972 allenfalls insofern von Bedeutung, dass Frieden und Entspannung einer Konfliktverschärfung und Aufrüstung vorzuziehen waren (und sind).
Der damalige Münchner OB Hans-Jochen Vogel (93) wurde wenig später Wohnungsbauminister. Er macht noch die beste Figur in einem Gruppenporträt des SZ-Magazins aller noch lebenden deutschen Wohnungsbauminister (inkl. eine Frau) unter der Leitfrage: wie konntet ihr es so weit kommen lassen?! Diese Aneinanderreihung von Versagern (und einer -in) hat nochmal Glück gehabt. Die SZ war so gnädig das hinter ihrer Paywall zu vermauern, damit es nicht zu viele lesen. Vogels Hinweis übrigens: seit den 50ern sind die Grundstückspreise um 1.800% gestiegen. Machen Sie diese Rechenaufgabe mal schriftlich!
Der DLF brachte am Wochenende eine aufschlussreiche Bestandsaufnahme des Istanbuler und türkischen Fußballs. Die Fans der Istanbuler Großvereine Fener, Galata und Besiktas gehören zur Anti-Erdogan-Opposition. Ihre Vereine dagegen sind von lokalen Oligarchen zu niedergewirtschaftet, dass sie nur noch politisch gerettet werden können – und da ist klar, bei wem das endet. Ich weiss, dass es einem echten Fan nicht zuzumuten und unmöglich ist – aber besser wäre, sich einen Verein ausserhalb des real existierenden islamischen Kapitalismus zu suchen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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