Über Nacht soll Sachsen-Anhalt werden, was es nicht sein kann: der Nabel der Republik. Die Medien jubeln die Landtagswahl dort zum Stimmungstest für die Bundestagswahl hoch. Der Wirbel übersteigt die Bedeutung des Landes.
Dörfer und Kleinstädte
Sachsen-Anhalt ist nicht repräsentativ für die Republik. Es handelt sich um ein kleines ostdeutsches Land. Es zählt kaum 1,8 Millionen Wahlberechtigte. Die Mehrzahl lebt in Dörfern und Kleinstädten. Es gibt nur zwei Großstädte unter 250.000 Einwohnern.

In Köln, Düsseldorf, Essen und Bochum leben 100.000 Wahlberechtigte mehr. Wer käme auf die Idee, aus dem Wahlergebnis der vier Städte auf die Stimmung im Bund zu schließen?

Sachsen-Anhalt macht mit Rechtsradikalen von sich reden. Sie sind dort überdurchschnittlich stark zu finden. Auch deshalb spiegelt die Landtagswahl nur die Stimmung in Sachsen-Anhalt wider.

Geringes Gewicht

Die Parteien werden das Wahlergebnis aber nutzen, um für die Bundestagswahl Stimmung zu machen. Wie viele Bundesbürger wissen schon, wo Sachsen-Anhalt liegt? Wie viele kennen den Namen des CDU-Ministerpräsidenten? Viele Sachsen-Anhalter kennen nicht einmal die Spitzenkandidaten der übrigen Parteien.

Die Pandemie lehrt: Der Föderalismus ist von Vorteil, wenn er funktioniert. Das tut er leider nicht. Er hat eine Unwucht. Große Länder haben im Bund geringeres Gewicht als kleine.

Sachsen-Anhalts Bürger sind über den Bundesrat unverhältnismäßig stark an der Bundespolitik beteiligt. Würden alle Bürger Deutschlands ähnlich repräsentiert, müsste es 30 Länder geben. An dieser Stelle wird deutlich, wie sinnvoll es ist, Bundesländer von der Größe Sachsen-Anhalts zu haben.

Vorreiter werden

Der Föderalismus ließe sich gerechter machen, wenn sich kleine Länder zu größeren vereinten. Misslänge dieser Schritt, müssten sich die großen Länder teilen.

Bayern und NRW könnten Vorreiter werden. Aus beiden Ländern ließen sich ihren Regionen entsprechend jeweils vier Bundesländer machen, jedes wie Sachsen-Anhalt mit einem Parlament, einer Landesverwaltung und einer Landesregierung.

Sogar für die Medien ergäben sich Vorteile. Statt über 16 Landtagswahlen könnten sie über 22 berichten. Auch sie würden zwar nicht als Stimmungstest taugen, in den Redaktionen aber sicher die Stimmung heben. Oder nicht?

Über Ulrich Horn (Gastautor):

Begonnen hat Ulrich Horn in den 70er Jahren als freier Mitarbeiter in verschiedenen Lokalredaktionen des Ruhrgebiets. Von 1989 bis 2003 war er als Landeskorrespondent der WAZ in Düsseldorf. Bis 2008 war er dann als politischer Reporter in der Essener WAZ-Zentralredaktion tätig. Dort hat er schon in den 80er Jahren als Redakteur für Innenpolitik gearbeitet. 2009 ist er aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden. Seine Beiträge im Extradienst sind Crossposts aus seinem Blog "Post von Horn". Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe an dieser Stelle.