Wie die Despoten zum “letzten Gefecht” rüsten
Ist Jair Bolosonaro “irre”? Ist Donald Trump “wahnsinnig”? Recep T. Erdogan von Hass und Jähzorn getrieben? Alle ein Fall für die “Klapse”? Mag alles sein, möglich ist das. Für Politik ist es dennoch Nebensache. Denn sie sind Macht- und Amtsträger, von starken hinter ihnen stehenden Systemen durchgesetzt worden. Keine Mehrheiten, aber doch eine erhebliche Anzahl von Menschen hält sie nicht für das Problem, sondern die Lösung. Die werden zwar weniger, und die entsprechenden Irren sind nicht irre genug, das nicht zu merken. Selbst der leibhaftige Adolf Hitler war nach der Reichstagswahlniederlage im November 1932 zu schnellem Handeln gezwungen. Keine voreilige Parallele – schauen wir streng faktisch, was in Brasilien, der Türkei und den USA vor sich geht.

Brasilien

Am weitesten fortgeschritten ist der rechte Zersetzungsprozess in Brasilien. Die dortige politische Klasse ist nunmehr seit Jahrzehnten im Ansehen der Menschen so demontiert, dass erst auf dieser Basis Bolsonaro eine Wahl gewinnen konnte. Er betreibt nun eigenhändig die weitere Demontage des politischen Systems. Menschenleben und -opfer interessieren einen Faschisten logischerweise nicht, Opfer für seine Sache, die auf Selektion und Auslese von lebenswertem und lebensunwertem Leben basiert. Ob er in die Enge getrieben Kriege beginnt, oder wenigstens einen Bürgerkrieg? Am Ende wird faschistisches Militär auch ihn opfern, um leider, leider unverhüllt erneut eine Militärdiktatur zu etablieren, die sich dann sogar weltweit als “kleineres Übel” darstellen kann. Auf dieser Basis wird die ungehemmte Ausbeutung von Mensch und Natur “effektiver” fortgesetzt werden, als durch den orientierungslosen “irren” Präsidenten. Wird es globale Disziplinierungskräfte geben, die eine Militärjunta an diesem klimamörderischen Kurs hindern? Wer sollte das sein? Bitte melden, wenn Ihnen dazu was einfällt.

Türkei

Auf dem gleichen Weg ist Recep T. Erdogan. Er ist zu Corona-“Lockerungen” gezwungen, weil sein Land sonst ökonomisch KO geht. Er braucht die Tourismusmassen, weil sonst noch dieses Jahr der Bankrott droht. Opposition wird in bewährter Weise verfolgt und eingesperrt. Nach Syrien wird nun auch in Richtung Libyen auf militärische Eskalation gesetzt, um sich zuhause als “starker Mann” aufblasen zu können, der von anderen Weltmächten respektiert wird. Die meisten Weltmächte tun ihm sogar diesen Gefallen. Eher wird er von seinem eigenen Volk abgesetzt, als von aussenpolitischem Druck. Spannung und Aggression sind seine Patentrezepte.

USA

Sehr richtig, wird dazu die Trump-Administration kommentieren. Denn sie ist in der gleichen Lage. Handwerklich herrschaftstechnisch versagt sie in ähnlicher Weise, wie Bolsonaro, der sie sich zum Vorbild genommen hat. Jetzt wird absehbar das Vorbildverhältnis der beiden umgedreht. Trump benötigt die Eskalation der Spannung, um die Minderheit seiner Gefolgschaft wirkungsvoll an die Urne zu mobilisieren. Wenn das am Ende trotzdem nicht reicht, und er ahnt es, muss der komplette Prozess seiner Abwahl delegitimiert werden. Eine Mehrheit im Supreme Court hofft er dank seiner Ernennungspolitik im Rücken zu haben. Doch er und seine Leute könnten sich beim Verrennen verrechnen. Die demokratischen Widerstandspotenziale, weniger im Parteiensystem als in der Gesellschaft, wachsen. Frauen, Schwarze, Junge zusammen bilden eine fette Mehrheit – fügt Trump sie zusammen? Und sie bekommen globalen Rückenwind. Das System dieses Präsidenten ist imstande, nach dem Vorbild Bolsonaros eine revolutionäre Situation zu schaffen. Mit offenem Ausgang, brandgefährlich für die ganze Welt.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net