Wenn eine Branche sich entschliesst, den führenden Repräsentanten des Springer-Verlages zu ihrem politischen Führer zu wählen, muss es schon schlimm um sie stehen. Tut es auch. Der Springer-Konzern ist unter den deutschen Zeitungsverlagen vermutlich der einzige, der für sich rechtzeitig eine digitale Wende gefunden hat. So hat sein Vorstandsvorsitzender vielleicht etwas mehr Zeit für ein “Ehrenamt”, während seine Berufskollegen damit ausgelastet sind, den Ansturm auf die verlagseigenen Rettungsboote zu regulieren und ihre Vermögenswerte in Sicherheit zu bringen.
In ihrer Panik reagieren sie ähnlich wie die rechtsradikale AfD. Wenn man nicht mehr weiter weiss, braucht man einen äusseren Feind. Das schliesst die eigenen Reihen und bündelt und lenkt die Ansammlung eigener Aggressionen um. Was der AfD Flüchtlinge aus fremden Ländern sind, das sind den deutschen Verlegermilliardären öffentlich-rechtliche Medien.
Medienpolitische Fachjournalisten haben sich – hier uebermedien.de, hier Dieter Anschlag in der Medienkorrespondenz – schon hinreichend lustig gemacht. Satire bleibt angesichts dieser Wirklichkeit sprachlos.

Es gibt jedoch auch andere, als die Milliardär*inn*e*n Springer, Mohn, Grotkamp, Neven DuMont, Madsack, Ippen, Rebmann, die davon Schaden haben. Es sind die mehreren tausend Beschäftigten, Journalist*inn*en, Verlagsangestellte, und vor allem all die, denen die Milliardäre den Mindestlohn vorenthalten wollen, tausende “freie” Journalist*inn*en und Zeitungsbot*inn*en.
Und es ist die demokratische Öffentlichkeit, die die Milliardäre in ihrer suizidalen Strategie lebensgefährlich schädigen. Natürlich sind ihre Zeitungen – noch – ein wichtiger Teil demokratischer Öffentlichkeit. Doch statt sie in gemeinsamer Anstrengung mit ihren Beschäftigten und deren Gewerkschaften zu retten, reissen die Milliardär*inn*en lieber Brücken, Gebäude, Betriebsorganisationen und Redaktionen ein und definieren andere Böse, die daran schuld sein sollen. Das erinnert irgendwie an “unsere” Autoindustrie.

In diesem Szenario sind öffentlich-rechtliche Medien wahrscheinlich eher das, was an demokratischer Teilöffentlichkeit, an Platz für bezahlten demokratischen Journalismus übrigbleibt. Wenn sie sich nicht auch selbst zerstören. Solche suizidalen Tendenzen sind auch in diesem Mediensystem zu beobachten, z.B. beim ganzen Szenario um das Duett von Merkel und Schulz, oder in den Talkshows, die fast ausnahmslos der AfD-Agenda folgen. Dieses System hält bisher noch, mehr als in anderen demokratischen Staaten, Nischen aufrecht, in denen harter Politjournalismus, PolitSatire und Politspass, Ausbildung journalistischer Diversität”>Ausbildung journalistischer Diversität, Ausprobieren von Neuem und Albernem möglich ist, oder Filme laufen, alles Dinge, die Zeitungsmilliardäre in Deutschland nie finanzieren wollten.

Wenn wir es zulassen, dass AfD und Zeitungsmilliardäre dieses System sturmreif schiessen, in strategischer Handlungseinheit mit ihren U-Booten im ö.-r.-Fernsehen und Rundfunk selbst, dann hätten wir diesen Ruin der Demokratie wirklich nicht besser verdient.
Es gibt Hoffnung. Lang belästigen uns diese Amokläufer nicht mehr.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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