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Bahnfahren ohne Digitalzwang

Mobilität für alle gewährleisten: Günstig Bahnfahren ohne Digitalzwang / Wundersame Bahn CXCI

An den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Dr. Richard Lutz; Nachrichtlich an: den Bundesminister für Digitales und Verkehr, Dr. Volker Wissing, und die verkehrspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU sowie der Gruppe Die Linke

Sehr geehrter Herr Dr. Lutz, Mobilität bedeutet gesellschaftliche Teilhabe. Öffentliche Mobilität muss daher niedrigschwellig angeboten werden und von allen gut nutzbar sein – auch von Menschen, die keinen Internetzugang haben oder aus anderen Gründen digitale Angebote nicht nutzen können oder wollen.

Die Deutsche Bahn hat angekündigt, dass ab dem 9. Juni 2024 die BahnCard ausschließlich digital ausgegeben wird. Bereits seit Oktober 2023 werden Sparpreis-Tickets nicht mehr als klassische Papierfahrkarten ohne E-Mail-Adresse oder Mobilnummer verkauft.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind in Deutschland gut fünf Prozent der Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren offline. Mit dem Alter steigt die Zahl derjenigen, die weder das Internet nutzen noch ein Smartphone besitzen: Bei den über 80-Jährigen ist nur etwa jeder Dritte online. Günstig Bahnfahren muss jedoch auch für diese Menschen möglich bleiben.

Mit diesem offenen Brief fordern die unterzeichnenden Organisationen Sie deshalb auf:

― Gewährleisten Sie einen analogen Zugang zu BahnCard und Sparpreisen, der ohne Mehrkosten und barrierefrei von allen, auch von sogenannten Offlinern, genutzt werden kann. Ein Papierausdruck, der eine Mobilnummer, einen Online-Account und/oder eine E-Mail-Adresse voraussetzt und damit an einen Internetzugang gebunden ist, erfüllt diese Anforderung nicht.

― Bieten Sie alle Dienstleistungen und Angebote der Deutschen Bahn auch an barrierefreien Service-Schaltern an und dies nicht nur in den Bahnhöfen der Großstädte. Nur so sind sie weiterhin niedrigschwellig von allen zu nutzen, auch von Offlinern.

― Informieren Sie Bahnkundinnen und -kunden frühzeitig, vollständig und verständlich über Änderungen bei Dienstleistungen und Angeboten. Bis heute herrscht unter Verbraucherinnen und Verbrauchern Unsicherheit über die Digitalisierung von BahnCard und Sparpreisen sowie über mögliche analoge Alternativen.

― Beziehen Sie Bahnkundinnen und -kunden über Betroffenen- und Verkehrsverbände im Vorfeld ein und erfragen Sie ihre Wünsche und Bedarfe. Im Fall der Umstellung von BahnCard und Tickets zu Sparpreisen ist dies nicht gelungen.

Die unterzeichnenden Organisationen wenden sich ausdrücklich nicht gegen digitale Angebote der Deutschen Bahn. Wir sind jedoch überzeugt, dass die Bahn im Sinne eines „Design für alle“ unterschiedliche Zugänge zu ihren Dienstleistungen anbieten muss, um den unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer vielfältigen Kundschaft Rechnung zu tragen. Es darf nicht sein, dass Menschen, nur weil sie kein Internet nutzen, benachteiligt und von Mobilitätsangeboten ausgeschlossen werden.

Liste der unterzeichnenden Institutionen

AWO Bundesverband e. V.; BAG SELBSTHILFE – Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.; BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V.; Berufsverband Arbeit- und Berufsförderung BeFAB e.V; Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. (bvkm); Bundesverband für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e.V.; Bundesverband Konduktive Förderung nach Petö e.V.; Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V.; Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.; Bundesvereinigung Selbsthilfe im anthroposophischen Sozialwesen e.V.; dbb beamtenbund und tarifunion – bundesseniorenvertretung; Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. – Selbsthilfe Demenz; Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft e.V.; Deutsche Epilepsievereinigung e.V.; Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.; Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.; Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V.; Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS); Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG; Gewerkschaft der Polizei | Bundesvorstand; Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – Bundessenior*innenausschuss; Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG); Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL); VCD Verkehrsclub Deutschland e.V.; ver.di Seniorinnen und Senioren; Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.; Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST)

Über Gastautor:innen (*):

Unter der Kennung "Gastautor:innen" fassen wir die unterschiedlichsten Beiträge externer Quellen zusammen, die wir dankbar im Beueler-Extradienst (wieder-)veröffentlichen dürfen. Die Autor*innen, Quellen und ggf. Lizenzen sind, soweit bekannt, jeweils im Beitrag vermerkt und/oder verlinkt.

4 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    Weil es inhaltlich gerade passt – ich suche MitstreiterInnen für die Forderung nach Vergabe zumindest eines Aufsichtsratsmandats an eine Vertreterin der Fahrgäste. Im Bahn AG-Aufsichtsrat sitzen Vertreter der Bundesregierung, des Bundestages und der Bahn-Gewerkschaft. Sie alle haben eines gemeinsam – mit den Interessen der Fahrgäste und mit Fahrgastrechten haben sie nichts am Hut. Außerdem sitzen dort Vertreter, die auch in anderen Konzern-Aufsichtsräten sitzen. Warum die auch im Bahn-AR sind, konnte mir niemand schlüssig erklären. Wahrscheinlich, weil Bundesregierung und die Bahn hier Privatisierung spielen wollen. So zum Beispiel folgende Herrschaften:

    Daniela Mattheus
    Rechtsanwältin/Managementberaterin
    Berlin

    Michael Sven Puschel
    Leiter der Abteilung Bundesfernstraßen
    Bundesministerium für Digitales und Verkehr
    Nieder-Olm

    Dr. Immo Querner
    Unternehmensberater/Non Executive Director
    Celle

    Die haben alle eines gemeinsam – die braucht da niemand.

  2. Martin Singe

    Es fehlt die Forderung, dass wieder wie früher im Fernverkehr das Nachlösen einer Fahrkarte im Zug möglich sein muss. Das dürfen aktuell nur noch Digitale.

  3. Detlev Knocke

    Hallo Martin,
    Es ist zwar begrüßenswert, dass auch diverse Verbände endlich aufgewacht sind und Einführung der digitalen BahnCard kritisieren, aber warum erst jetzt, also kurz vor deren Einführung? Die DB hat dies schon vor Monaten beschlossen und nur am Rande , wir haben schon vor Wochen einen Offenen Brief geschrieben und verschickt, leider ohne größere Resonanz (sieht man von einigen netzwerkritischen Organisationen)ab. Der einzige Weg, eine dieser Organisationen müsste den Rechtsweg beschreiten. Übrigens der fast messianische Glaube an eine schöne neue Welt durch Digitalisierung wird in der Mehrheit der Bevölkerung ( auch in der Grün/linken Szene) positiv und unkritisch gesehen. KI lässt grüßen, auch hier wird nichts hinterfragt, wem es nutzt und wem es schadet. In diesem Sinne
    Aus Dottendorf die besten Grüße
    Detlev

  4. Martin Böttger

    Obenstehenden Kommentaren stimme ich zu. Nur einem nicht: “der fast messianische Glaube an eine schöne neue Welt durch Digitalisierung wird in der Mehrheit der Bevölkerung ( auch in der Grün/linken Szene) positiv und unkritisch gesehen”. Dazu mache ich komplett andere Erfahrungen. Die Diskussion über KI krankt sowohl an messianischem Glauben als auch an Dämonisierung. Am bedenklichsten dabei ist die fachliche Ahnungslosigkeit gewählter demokratischer Politiker*innen, sowie der sie umkreisenden Kommentierenden in den alten Medien. Hier im Extradienst kämpft Christian Wolf tapfer dagegen.
    Ich gebe Dir @Detlev aber absolut recht, dass die organisierte Reaktion auf die Bahncard viel zu lange auf sich hat warten lassen.
    Über die Bahncard/Bahnfahren-Problematik hinaus wächst ein weiteres Problem der Gesellschaft über den Kopf: der Drang der IT- und Finanzindustrie nach Abschaffung des Bargeldes – selbst Automaten für Geld oder Fahrkarten werden als “zu teuer” bewertet. Erforderlich wäre eine gesetzliche Verpflichtung für Banken und Sparkassen, eine Bargeldgrundversorgung abzusichern, insbesondere in der Fläche und für mobilitätseingeschränkte Menschen.

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