Das waren doch noch Zeiten, was! Ein getürkter Hauptmann in echter Uniform befiehlt: Achtung! Nehmen sie Haltung an. Dann: Stehen sie bequem. Links um ohne Tritt marsch. Folgen sie mir. Er lässt die zehn einen Zug nach Köpenick besteigen. Dort setzt er den Bürgermeister fest, weil er von dem endlich einen Pass haben will, der ihm Zugang zur bürgerlichen Gesellschaft geben würde. Beim Blick in die Stadtkasse bemerkt er einen Fehlbetrag von 1,65 Mark. Die Kasse mit 3557,45 Mark nimmt der angebliche Hauptmann daher in Verwahrung. Er rückt ab.

1931 wurde das als „Märchen“ von Carl Zuckmayer geschriebene Stück mit den wunderbaren Namen „Der Hauptmann von Köpenick“ uraufgeführt. Es war ein grandioses Lehrstück auf die Wirkmächtigkeit der Obrigkeit in Deutschland. Natürlich haben die Nazis das Stück verboten.

Heute wäre das alles viel, viel schwieriger. Anders konstruiert. Komplizierter. Aber irgendwie….. Hmm. Also gut. Probieren wir das mal.

Da gibt es viel, viel Geld und Vermögen. Millionen Mal mehr als in der Köpenicker Kasse war. Das viele Geld, Häuser und Gelände, Aktien und sonstige Vermögensanteile, alles Mögliche gehört Leuten, die einem Unrechtsregime dienten und dienen beziehungsweise ihre Vermögen diesem Regime verdanken. Das Unrechtsregime wurde deswegen mit Sanktionen belegt und Nutznießer des Regimes sollen a) ihre Vermögensverhältnisse offenlegen, um b) gegebenenfalls von der Vermögenslast befreit zu werden. Könnte man so sagen. Ich weiß, ich weiß, in der FAZ würde diese Ausdrucksweise missbilligt. Sie gefällt mir aber nun mal in diesem Zusammenhang.

Die Parlamentsmehrheit im Land hatte Sanktionen beschlossen, ließ prüfen, was sich mit Blick auf die aufgetürmten Vermögen machen ließe. Sie gab ein entsprechendes Gesetz bei einem als tüchtig geltenden Finanzminister in Auftrag. Der ist schwer beschäftigt. Denn er muss ja die sogenannten Rentner ab 63 aus dem Rentendschungel schütteln und klopfen. Viel Arbeit, kann man da nur sagen.

Jedenfalls wurde das geforderte Gesetz entworfen und am 22. oder am 23. April 2024 in der Öffentlichkeit bekannt. Es heißt „Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz“. Das ist sprachlich gesehen gewaltig.

Die Rechtsanwälte, die Notare, die Finanzbeamten und die Zöllner beugen sich darüber. Sie trauten ihren Augen nicht! Eigentlich wollten die Spezialisten, dass der vermögende Mensch aus dem Regime nachweist, woher er sein Vermögen hat. Beweislastumkehr nennt man das. So sind in Berlin die Polizisten und Finanzbeamtinnen sogenannten Clans mit ihren Vermögen auf die Spuren gekommen. Und wenn so ein Vermögender nicht nachweisen konnte oder wollte, woher er sein Vermögen hatte, dann uijiujuijui! Dann wurde konfisziert.

So hatte man sich das für die Vermögen anderer, der mit Sanktionen belegter gedacht. Es sollte auch eine eigene Behörde mit scharfen Waffen geschaffen werden, damit daraus etwas werden kann.

Pustekuchen! Weder das eine noch das andere steht im Gesetzentwurf. Nur wer auf Fragen freiwillig antwortet – sogenannte „Selbstauskünfte“ gibt und dann etwas verrät, was verboten ist, kann festgesetzt, angeklagt und verurteilt werden. Es kämen also nur die Dümmsten vor den Kadi.

Die Zollbeamten und Finanzpolizisten sind furchtbar enttäuscht. Enttäuscht vom jungen Finanzminister, der so scharf mit Rentnerinnen und Rentnern umspringen will. Der einen schnittigen Sportwagen fährt. Einen Porsche.

Also einen getürkten Hauptmann gibt es hierbei nicht. Wäre auch nicht nötig. Wer auf zweifelhafte, gar verbrecherische Weise Geld gescheffelt und Vermögen zusammengerafft hat, der müsste ja auf Fragen der Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten nicht ehrlich antworten. Es würde nur der auffallen, dem das Gewissen so laut schlägt wie der „decke Pitter“, die lauteste Glocke im Kölner Dom. Und das kommt sehr, sehr selten vor.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.