Ganztägiger Hubschrauberlärm, entnervte und enthemmte Autofahrer – mit dem Fahrrad dagegen kam ich gestern sehr gut durch die Stadt, hunderte rumstehende Bereitschaftspolitzist*inn*en – gestern war spürbar, dass das Bonner Weltkongresszentrum, die größte kommunalpolitische Affäre der letzten 15 Jahre, in Betrieb ist. Das G20-Außenministertreffen war bei uns zu Gast. Man könnte auch sagen: besetzte unsere Stadt. Andererseits: seit dem Hauptstadtumzug sind viele froh, dass es das hier wieder gibt.

Wenn wir es politisch betrachten, wird es nicht weniger zwiespältig. Sind Außenminister, wie wir sie in der heutigen Zeit kennen, noch geeignet, für ein Sicherheitsgefühl zu sorgen? Bei mir eher nicht.
Andererseits: G20 ist besser als G8 oder G7, es ist kein Treffen eines Blocks oder “Bündnisses”, in dem man sich gegenseitig in Radikalität und Mobilisierung gegen die Feinde da draussen zu übertreffen versucht. G20 ist mit Russland, mit China, mit blockfreien wie Brasilien oder Südafrika, allesamt wichtige weltpolitische Stimmen. Das Beste daran ist vielleicht, dass es überhaupt stattfindet, dass nicht (nur) übereinander sondern (auch) miteinander geredet wird.

Auch das, was der (von sich selbst ernannte) Bundesaussenminister Gabriel dazu offiziell verlauten lässt (hier ausserdem sein Kommunique vom Treffen mit seinem chinesischen Kollegen, inkl. unvermeidlichem Automobilindustrie-Schlenker), ist weniger kariert und professioneller realistisch, als ich es von ihm bisher befürchtet habe. Aus Berlin ist zu hören, dass der Mann bei aller öffentlich bekannten Cholerik doch grundsätzlich beratbar ist.

Nun zieht der Zirkus nach München zur Unsicherheitskonferenz um. Dort gibt es eine andere Zusammensetzung. Blockkonfrontation und Großmachtambitionen, das Beschwören von Bedrohungsszenarien, das Verniedlichen eigener Verbrechen, all das gehört da zum schlechten Ton und war bisher noch jedes Jahr geeignet unsere Öffentlichkeit in nervöse Furcht zu versetzen. Das ist ja wohl auch der tiefere Sinn dieser Veranstaltung, deren Betreiber bis heute unzufrieden damit sind, wie wenig militärisch interventions- und aufrüstungsbereit das dumme Volk hierzulande immer noch ist.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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