Nun hat das Bundekabinett aus CDU/CSU und SPD in der Woche vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen eine Subventionsorgie beschlossen. 40 Milliarden Euro sollen in den kommenden Jahren in den Strukturwandel in den Regionen der von der Schließung bedrohten Braunkohlekraftwerke fließen. Wofür das Geld augegeben werden wird, ist noch unklar: Infrastruktur und Digitalausbau sind die Schlagworte des Wirtschaftsministers. Achttausend Arbeitsplätze sind es, die in der rohstoffintensiven, umwelt- und klimazerstörerischen Energieindustrie kompensiert werden müssen, weil diese bis heute den Schuss nicht gehört hat, dass dieser Planet am Abgrund steht. Eine wichtiger Anlass, daran zu erinnern, dass dieselbe Groko mit massiver Unterstützung der FDP, die landauf, landab gegen “Subventionen für die Solarbranche” wetterte, seit 2009 100.000 Arbeitsplätze in der Solarindustrie vernichtet hat (Phoenix Fernsehen vom 28.8.19).

Die Zahl der Beschäftigten in der Solarwirtschaft sank von 2011 bis 2018 von 132.000 auf 32.000 bundesweit. In Freiberg (Sachsen) steht die blitzblanke Ruine einer hochmodernen Solarzellenfabrik des ehemaligen Bonner Unternehmens Solarworld, in der allein über 2.000 Mitarbeiter beschäftigt waren – in der größten Solarzellenproduktion Europas. Kein Finger hat sich für die Rettung dieser Arbeitsplätze gerührt, keine “Solarkommission”, in der Arbeitgeber und Gewerkschaften für den Erhalt hochmoderner Arbeitsplätze und soziale Absicherung ihrer Beschäftigten gekämpft hätten.

Politisch gewollter Niedergang

Keine internationale Intervention des Außenministers oder Wirtschaftsministers erfolgte gegen die Dumpingpreise von Billigprodukten aus China, keine Strukturhilfen im Gegenteil: Auf Initiative der FDP beschloß die damalige Koalition Streichung von Solarförderung weit schneller, als es den geltenden Gesetzen entsprach. Statt Planungssicherheit wurden die Rahmenbedingungen bewußt verschlechtert. Mit dem Ergebnis, dass Solarworld ins Trudeln und letztlich in den Konkurs getrieben wurde, und mit ihm viele mittelständische Solarunternehmen. Das politisch verursachte Desaster wurde dem Unternehmer Frank Asbeck angelastet – die politischen Täter bei der FDP triumphierten. Wo Teile dieser Partei heute stehen, zeigte Sachsens Spitzenkandidat Zastrow Anfang dieser Woche in der Wahlsendung des MDR: Wie die AfD zweifelte Zastrow den menschengemachten Klimawandel an.

In ähnlicher Weise wie die Solarindustrie wird aktuell die Windkraftbranche ökonomisch ausgetrocknet. Mit ihren Windkrafterlassen, die die Abstände zu bebauten Flächen willkürlich vergrößerten, haben vor allem Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen den Neubau von Anlagen praktisch zum Erliegen gebracht. Die Umsätze der Windanlagenproduzenten sanken in diesem Jahr um bis zu 80%. Die nächste politisch herbeigeführte Pleitewelle einer Innovationsindustrie steht vor der Tür. Es ist unglaubwürdig und zweifelhaft, was die Groko hier treibt. Für wie dumm hält man die Wählerinnen und Wähler, die vier Tage vor der Wahl von solchen Beschlüssen hören? Glauben CDU und SPD wirklich, damit einen einzigen pozenziellen AfD-Wähler von seinem Tun abzubringen?

Energiepolitik braucht ein nachhaltiges Konzept

Marktwirtschaft braucht verlässliche und dauerhafte Rahmenbedingungen. Das gilt aber nicht nur für die Energiekonzerne, die die Energiewende verschlafen haben, sondern auch moderne Zukunftsindustrien wie die Solar- und Windkraftanlagenwirtschaft. Ganz besonders gilt dies für die Energiewende. Schon die erste Groko von 2005 bis 2009 hat durch die Einführung des “Beimischungszwangs” für Agrardiesel etwa 600 Ölmühlen und mittelständische Bioanlagenunternehmen und mit diesen etwa 25.000 Arbeitsplätze vernichtet. Und zudem die Zumischung von Palmöl aus Plantagen in den Regenwaldzonen in Diesel zugelassen.

Diese ökonomischen Fehlentwicklungen hätten vermieden werden können, hätten nicht ideologisch engstirnige Wirtschaftspolitiker die Energiewende torpediert. Deutschland wurde bewußt und absichtlich vom ökologischen Vorbild zum Land unter “ferner liefen”.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net