Für mich ist das mal eine gute Nachricht. Bei uebermedien.de ist ein Bericht von Boris Rosenkranz jetzt ohne Paywall zugänglich, der einen umfassenden, ja sogar selbstkritischen Diskussionsprozess im Westdeutschen Rundfunk (WDR) über seine eigene Corona-Berichterstattung sichtbar macht. Nach Rosenkranz’ Darstellung, der selbst häufig für den NDR arbeitet, sieht es so aus, dass es Oben anfing: beim „Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung“ Jörg Schönenborn. Ebenfalls aus dem Bericht geht hervor, ein initiatives E-Mail-Rundschreiben Schönenborns im WDR habe „so viele Reaktionen ausgelöst, wie ich es hier in der Programmpost noch nicht erlebt habe“ – es bewegt also viele, die im Sender für uns arbeiten.
Gut so. War aber auch Zeit. In Schönenborns Selbstdarstellung, die Rosenkranz wiedergibt, erkenne ich den jungen Tagesschau-Redakteur Schönenborn wieder, der sich vom SPD-durchfilzten Smog in der NRW-Berichterstattung des Senders in den Zeiten Johannes Raus und Wolfgang Clements unabhängig zeigte. Reste davon scheinen noch am Leben zu sein.
Definitiv richtig ist die strategische Einschätzung von Schönenborn/Rosenkranz, dass es auch bei diesem Superthema um nicht weniger als die Existenzberechtigung öffentlicher Medien geht. Die grösste Gefahr sind dabei aber nicht die aggressiven AfD-Kohorten, die sowieso nicht überzeugbar sind. Die grösste Gefahr für die Existenzsicherung öffentlicher Medien ist die Gleichgültigkeit, das Desinteresse der Mehrheit.
Spätestens die “No-Billag”-Debatte in der Schweiz muss auch deutschen öffentlichen Medien vor Augen geführt haben, dass eine notwendige Lebensversicherung ein aktives politisches und gesellschaftliches Engagement ist. Der WDR muss also überlegen, was an ihm relevante Teile des Publikums zu unterstützendem Aktivismus veranlassen kann. Finger-in-den-Wind-halten wird dabei nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen. Es muss auch mal wieder öfter gegen den Wind gehen. Dafür braucht frau und mann eigene Überzeugungsstärke, Haltung, stabile Wirbelsäulen, Solidarität, solche Sachen.
Wenn es Schönenborn u.a. – endlich – darum geht, da mache ich gerne mit.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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