Beckenbauer wars (Update 17.11.)

Der Schweizer Tatort wird in der TV-Kritik immer wieder als Schwachpunkt dieser TV-Krimireihe angesehen. Ich halte mich da raus, weil ich zuwenig davon sehe. Aber mein Verdacht ist, dass die Schweizer ihre besten Stoffe gar nicht in diese TV-Krimireihe lenken. Einen davon habe ich gestern auf 3sat gesehen: FIFA – Das Monster – «Le monstre», das Monster – so nennt der langjährige FIFA-Präsident Sepp Blatter den Weltfussballverband. SRF DOK hat anlässlich der WM-Katar 2022 die Geschichte der FIFA aufgearbeitet.” (Video 92 min; 1 Monat Mediathek).

Der Stoff erinnert eher an “Der Pate”, das geniale Lebenswerk Francis Ford Coppolas. Mehrere Abstriche muss ich machen: das Drehbuch ist bedeutend schlechter, keine Romanverfilmung, sondern banale Wirklichkeit. Die Darsteller sind viiiiel schlechter – Marlon Brando und Al Pacino wären über diesen Vergleich zurecht beleidigt. Sogar Olli Dittrich und Tom Theunissen können das besser.

Aber vieles an dieser SRF-Produktion ist lobenswert. Es ist kein billig-modisches Qatar-Bashing, das so gut funktioniert, weil es immer mit einer Abspaltung auf diese (arabischen) Anderen verbunden ist. Die deutsche schlanke-Fuss-Macherei mit dem DFB an der Spitze, gefolgt von den zahlenden ARD, ZDF und Telekom, ist derzeit kaum noch zu ertragen; das haben sogar intelligent analysierende qatarische Minister richtig erkannt. Hier geht es im SRF (!, im Inland von Rechts beschimpft und attackiert) um  die Schweiz, ihre Politik und ihr Justizsystem, also zwei eigene Staatsgewalten. Und einen in der Schweiz ansässigen Grosskonzern, die umsatzstärkste Mafiaorganisation der Welt: die Fifa. Das Ende ist offen. Mit Fortsetzungen muss gerechnet werden.

Auffällig: der Schweizer Bundesanwalt ist zu Fall gebracht. Michael Lauber hat ein dem deutschen Bundeskanzler täuschend ähnliches Gedächtnis, aus dem ihm das schweizerische Bundesverwaltungsgericht einen juristischen Strick gedreht hat. Er kann sich an Treffen mit berühmten Leuten nicht mehr erinnern; und auch nicht, was besprochen wurde. Dä. Doch nicht normal?

Die Konkurrenten von Gianni Infantino, Sepp Blatter (86) und Michel Platini (67) sind gestürzt, aber noch am Leben. Mafiosi wie er, mglw. nicht ganz so clever, aber gewiss sehr, sehr rachsüchtig. Auch nach der Qatar-WM ist mit weiteren Durchstichen zu rechnen. Oder irgendjemand muss bei den beiden ihr Schweigen kaufen. An Geld wird es ja sicher nicht scheitern.

Das ist dann auch das politische Problem der Schweiz: dass sie die Fifa wie einen Ehrenamtler-Verein behandelt, und nicht wie ein steuer- und rechenschaftspflichtiges profitorientiertes Grossunternehmen. Wenn die Schweiz das nicht eigeninitiativ korrigiert, wird sie jemand dazu zwingen müssen. Die USA, weil sie es können. Die EU, weil sie es müsste. Vielleicht beide zusammen? Oder welcher Deal käme dafür infrage?

Update 17.11.

Ein ehemaliger Koblenzer Verwaltungsrichter sagt aus

Jan Christian Müller, Sportchef der FR, hat ein sicheres Gespür für die Brisanz. Er liess sich gewiss nicht zweimal auffordern, die Gelegenheit zu einem Interview mit Theo Zwanziger im nahegelegenen Limburg zu nutzen. Oben erwähnte ich die potenzielle Rachsucht der ausgebooteten Herren Blatter und Platini. In dem Boot sitzt, global weniger prominent, auch der ehemalige Präsident des DFB (2004-2012). Er amtierte also während des von Deutschland bei der Fifa gekauften “Sommermärchens” 2006, über das er sich in diesem ansonsten so gesprächigen Interview bemerkenswert einsilbig gibt.

Was der ehemalige Verwaltungsrichter und gewiefte Jurist aber durchblicken lässt, ohne es justiziabel zu behaupten, ist die Tatsache, dass Qatar die WM u.a. mit der deutschen Stimme bekam, der Stimme des “Kaisers” persönlich: Franz Beckenbauer, dem die Nation (inkl. Bundesregierung und alle Parteien) noch 2006 betend zu Füssen gelegen hat.

Das qatarische Regime spricht also Richtiges aus, wenn es von “Doppelmoral” spricht.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net