Signore Berlusconi weine ich keine Träne nach. Für Italiens Mafiaorganisationen, die “professionell” in den legalen Kapitalismus diffundierten, war er der idealtypische Nachfolger ihres authentischen Repräsentanten Giulio Andreotti, der zu ihrem, der Nato und der italienischen Geheimdienste Bedauern die Kontrolle über Politik und Land verloren hatte. Mit ihrer Pamperung eroberte Berlusconi den Medienmarkt (über den Fussball) und die politische Szene. Ein frühes Vorbild für Donald Trump, der gewiss von ihm gelernt hat.

Ich muss ja immer sehr lachen, wenn einzelne meiner Autoren über eine “vierte Gewalt” der Medien fantasieren. Als hätten sie noch nichts von der Welt gesehen. Der Gangster Silvio hat darüber sein Leben lang gelacht. War das Problem nun, dass er so ein widerlicher Charakter war? Nein. It’s the economy, stupid! Die Medien werden überall auf der Welt ökonomisiert, wie jeder andere Lebensbereich auch. Und sowas kommt dann von sowas. Eine liberale Marktwirtschaft, wie sie sich vielleicht Ludwig-Erhard-Groupy Sahra Wagenknecht vorstellt, würde Oligarchenkinder zumindest dazu zwingen, sich zwischen politischer und Konzernführung zu entscheiden. Aber versuchen Sie so eine Spielregel mal in der real existierenden EU einzuführen.

Dort kämpfen sie für das Gute und gegen das Böse. Wenn es dabei Tote gibt, schade, aber nicht zu vermeiden. Und Nichtweisse Tote sind ja sowieso egal. Für die dort herrschende Dominanz war und ist George Soros einer von den Guten. Das sieht mann ja schon daran, dass die rechten Faschisten den hassen. Berlusconi böse, Soros gut. So sieht es z.B. auch der Politikchef der Berliner Zeitung. Seine Verleger sind schliesslich auch Oligarch und Oligarchin. Wenn auch von ihren Mitoligarch*innen im BDZV ausgegrenzt. Also sind sie auch von den Guten?

Diese Gut-und-Böse-Schemata sind ein Weltbild der Soap Operas. Damit wird das doofe Publikum abgespeist, damit es beschäftigt ist und nicht auf dumme Gedanken kommt. So ein Gedanke ist ja immer noch, dass wichtige Entscheidungen, und dazu gehören vor allem die ökonomischen, demokratisch gefunden und gefällt werden müssen.

Heute fand ich im FAZ-Feuilleton – selbstverständlich hinter Paywall – eine Buchbesprechung von der sich radikalisierenden Melanie Mühl. Sie beschäftigt sich schon lange kritisch mit Körperpolitik. Und jetzt fängt die auch schon an, für Essstörungen und Selbstoptimierung den “Kapitalismus” verantwortlich zu machen. Närrinnenfreiheit?

So wie die Fussballfans mit ihrem ausgeprägt gestrigen Gerechtigkeitsgefühl. Es haben nicht mehr viele zugeguckt (5,6 von 84 Mio.) – wer will das sehen? Die Politik in ihrer ganzen offenen Ehrlichkeit?

Mann kann diesen Ärger und diese Kritik der AfD überlassen. Traumhaft allein dieses Diskutantencasting des DLF. Wer so arbeitet wie Söder und seine Freund*inn*e*n in den Redaktionen, rollt für die EU-Wahl (und alle anderen, auch die “wichtigeren” aus der bornierten deutschen Sicht) den roten Teppich aus: für die Selbstzerstörungsoption. Nur schade, dass wir alle mit draufgehen sollen.

Gutes Timing von Berlusconi? Hier übrigens der sparsame Wikipedia-Eintrag zu seinem Erben. Die italienische Version ist ein wenig informativer, wird von deutschen Suchmaschinen aber nur umständlich angeboten. KI eben.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net