Friedrich Merz befindet sich in einer schlechten Rückkopplungsschleife

Heute bringt das FAZ-Feuilleton einen sehr klugen Artikel von Claudius Seidl zur Wahl eines AfD-Mannes zum Landrat in Thüringen. Vollkommen richtiger Tenor des Artikels: Die gegenwärtige Führung der deutschen Christdemokratie stärkt mit ihrer Kommunikation die AfD und „halbiert“ sie nicht, wie Merz das angekündigt hatte.

Mein Tipp: Das Problem liegt auch daran, dass Merz sich in einer schlechten Rückkopplungsschleife befindet:

– Er will den Traditionsbataillonen in seiner Partei gefallen, die haben ihn gewählt.

– Deshalb greift er zu AfD-Sprech.

– Damit stärkt er die AfD und schwächt die Union (s. CDU-Niederlage und AfD-Sieg bei der Landratswahl).

– Um den Rückhalt bei seinen Bataillonen zu halten, muss er seine Linie nun doppelt hart vertreten: Die Grünen und die Ampel sollen schuld sein, dass die CDU verliert und die AfD gewinnt.

– Deshalb noch mehr AfD-Sprech bei der Union, damit endlich wieder Union und nicht AfD gewählt wird.

– usw. ad. inf.

Merz’ Kommunikation ist totally nuts! Er sollte die Arbeit mit Rückkopplungsschleifen lieber Jimi Hendrix überlassen, der hat daraus große Kunst gemacht. Merz schafft für seine Partei und für die rechtsmittigen Demokraten nur einen schlimmen Abwärtsstrudel. Das ist nicht gut für die Demokratie insgesamt. Zeit für die Vernünftigen in der Union, Merz zu stoppen.

Claudius Seidl in FAZ:

„Wenn die Parolenformulierer und Stichwortgeber der klassisch konservativen Parteien bekunden, dass sie den Zorn der Leute nicht nur verstehen, sondern ihn weiter befeuern; wenn die CSU die Schreckensvision einer Klimamafia und einer Heizungs-Stasi entwirft; wenn einer wie Hubert Aiwanger, der demokratisch gewählte stellvertretende bayerische Ministerpräsident, das Volk auffordert, sich die Demokratie zurückzuholen, womit er die demokratisch gewählte Bundesregierung für illegal erklärt; wenn Friedrich Merz schließlich die folgenden Sätze in Twitter hineinschreibt: ‘Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen. Diese treffen derzeit vor allem die Grünen, die nur noch das eigene Klientel erreichen, aber außerhalb davon mit ihrer Volkserzieherattitüde auf besonders heftigen Widerstand stoßen’ – dann setzen sie alle nicht nur die AfD ins Recht. Sie arbeiten, anscheinend ohne sich dessen bewusst zu sein, an der Abschaffung ihrer selbst.“

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Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.